Rz. 154

Eine unentgeltliche Übertragung der Anteile stellt keine Veräußerung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG dar (Rz. 124). Unentgeltlicher Erwerb ist Erwerb durch Erbfall, Vermächtnis, Schenkung, vGA, Kapitalherabsetzung (Sachauskehrung) oder Liquidation.[1]. Kennzeichen des unentgeltlichen Erwerbs ist, dass keine Gegenleistung erbracht wird. Entgeltlich ist der Erwerb dagegen, wenn für die Übertragung der Beteiligung eine ihrem wirtschaftlichen Wert entsprechende Gegenleistung vereinbart wurde (zur Teilentgeltlichkeit Rz. 166). Das bedeutet, dass ein entgeltlicher, kein unentgeltlicher Erwerb vorliegt, wenn die Gegenleistung für die Übertragung der Beteiligung nur einen nominellen Betrag (1 EUR) beträgt, wenn der wirtschaftliche Wert der Beteiligung nicht höher ist. Bei Verträgen zwischen fremden Dritten besteht eine Vermutung für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts.[2] Diese Vermutung kann bei einer Übertragung gegen wiederkehrende Leistungen widerlegt sein, wenn der fremde Dritte als Vermögensübernehmer aufgrund besonderer persönlicher Beziehungen ein persönliches Interesse an der Versorgung des Übergebers hat oder wenn die Vertragsbedingungen nicht in Abwägung von Leistung und Gegenleistung, sondern allein nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers und der Leistungsfähigkeit des Erwerbers vereinbart worden sind.[3] Bei der Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, für den der Übertragende hohe Anschaffungskosten getragen hat, ist die Vermutung jedoch nicht allein dadurch als widerlegt anzusehen, weil zwischen dem Übertragenden und dem Empfänger ein Freundschaftsverhältnis besteht.[4]

 

Rz. 155

Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch vor, wenn die Einlage eines Neugesellschafters den gemeinen Wert der Anteile der Altgesellschafter unterschreitet; es liegt dann eine Substanzabspaltung von den alten auf die neuen Anteile und daher eine Übertragung von den Altgesellschaftern auf den Neugesellschafter vor; diese Übertragung ist unentgeltlich (Rz. 207).[5] Es liegt also ein teilweise unentgeltlicher Erwerb der neuen Anteile vor, der unter § 17 Abs. 1 S. 5 EStG fällt.

 

Rz. 156

Der Erwerb der Anteile durch Erbfall ist auch unentgeltlich, soweit der Erwerb durch Vermächtnisse, Pflichtteilsansprüche oder Auflagen belastet ist.[6] Unentgeltlich ist auch der Erwerb im Rahmen einer Erbteilung, soweit keine Ausgleichszahlungen geleistet werden (zur Erbteilung vgl. § 16 EStG Rz. 164).

 

Rz. 157

Sind Anteile unentgeltlich übertragen worden, sind aufgrund dieser Anteile infolge einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erworbene junge Anteile ebenfalls "unentgeltlich erworben" i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG. Die jungen Anteile bilden lediglich eine Abspaltung der Altanteile, die an der Art und Höhe der Beteiligung des Gesellschafters nichts ändern. Sie teilen also das Schicksal der Altanteile.[7]

 

Rz. 158

Durch eine unentgeltliche Übertragung kann die einmal eingetretene Steuerverstrickung nicht beseitigt werden. Die Anteile bleiben vielmehr bei dem Erwerber steuerverhaftet. Rechtstechnisch erfolgt diese Steuerverhaftung auf die Weise, dass § 17 EStG auf die, die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG nicht mehr erreichende unentgeltlich erworbene Beteiligung entsprechend für anwendbar erklärt wird; es handelt sich um eine Rechtsfolgeverweisung, keine Rechtsgrundverweisung.[8]

 

Rz. 159

Die Steuerverhaftung geschieht nach § 17 Abs. 1 S. 5 EStG in der Weise, dass der Erwerber sich die Verhältnisse seines Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss. War also der Rechtsvorgänger mit der nach § 17 EStG erforderlichen Beteiligungshöhe beteiligt und überträgt er Anteile, die selbst die Beteiligungshöhe des § 17 EStG nicht erreichen, unentgeltlich, so bleibt auch diese die Beteiligungshöhe des § 17 EStG nicht erreichende Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG steuerlich gebunden.

 
Praxis-Beispiel

Anteilsvererbung

A vererbt seine Beteiligung von 2 % zu gleichen Teilen an B, C und D. Bei B, C und D sind die Beteiligungen von jeweils weniger als 1 % nach § 17 EStG steuerverhaftet, obwohl jede der Beteiligungen für sich nicht die Grenze des § 17 EStG überschreitet.

 

Rz. 159a

Da die Steuerverstrickung darauf beruht, dass die Verhältnisse des Rechtsvorgängers dem unentgeltlich Erwerbenden zugerechnet werden, setzt die Anwendung des S. 4 voraus, dass die erworbenen Anteile bei dem Rechtsvorgänger steuerverstrickt waren, und zwar im Zeitpunkt der Übertragung. Tritt die Steuerverstrickung bei dem Rechtsvorgänger erst nach diesem Zeitpunkt ein, etwa dadurch, dass die Beteiligungsquote durch eine Gesetzesänderung gesenkt wird, kommt eine Rechtsnachfolge nach S. 4 nicht in Betracht.[9] Andernfalls würde gegen das Vertrauensinteresse des Erwerbenden verstoßen, der im Zeitpunkt des Erwerbs darauf vertrauen durfte, dass die Anteile nicht steuerverstrickt sind.

 

Rz. 160

Hat auch der Rechtsvorgänger die Beteiligung unentgeltlich erworben, sind die Verhältnisse dessen Rechtsvorgängers maßgebend. Für die Frage der Steuerverhaftung sind also die Verhältnisse a...

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