Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG für Aufwandsentschädigung eines von einer Kommune in den Aufsichtsrat einer kommunalen Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungs-GmbH in Brandenburg entsandten, dem Weisungsrecht der Kommune unterliegenden Steuerpflichtigen. Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG. zur Gemeinnützigkeit von Abwassserentsorgung und Trinkwassserversorgung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 9/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nimmt eine kommunale GmbH in Brandenburg im sogenannten „Betreibermodell” unmittelbar für die an ihr beteiligten, gemäß §§ 59, 66 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) aufgabenpflichtigen Kommunen überwiegend die Pflichtaufgabe der gemeinnützigen Abwasserentsorgung und daneben die Pflichtaufgabe der Trinkwasserversorgung wahr, so ist die von der GmbH an einen von einer beteiligten Kommune in den Aufsichtsrat der GmbH entsandten, dem Weisungsrecht der entsendenden Kommune unterliegenden Aufsichtsrat gezahlte Aufwandsentschädigung, die der Aufsichtsrat nach Abzug der ihm tatsächlich entstandenen Kosten an die Kommune abführen muss, nach § 3 Nr. 26a EStG steuerfrei; insoweit ist unerheblich, ob die GmbH gemeinnützig ist.

2. Hinsichtlich der Person des Dienstherrn bzw. Auftraggebers im Sinne des § 3 Nr. 26a Satz 1 EStG bestehen die gleichen Voraussetzungen wie bei der parallelen Vorschrift des § 3 Nr. 26 EStG. § 3 Nr. 26a EStG setzt auch für eine juristische Person des öffentlichen Rechts als „Dienst-” oder „Auftraggeber” voraus, dass gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt werden und dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen für den ideellen Bereich der dienst- oder auftraggebenden Körperschaft (einschließlich ihrer Zweckbetriebe) erfolgt. Bei einer Bejahung der „Förderung gemeinnütziger Zwecke” ist es für die Gewährung des Freibetrags auch unschädlich, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen in den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts fällt oder wenn die Tätigkeit in einem Aufsichtsorgan einer juristischen Person des Privatrechts ausgeübt wird. Lediglich die Tätigkeit in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder im Rahmen der Vermögensverwaltung ist nicht ausreichend.

3. Die Abwasserbeseitigung als hoheitliche Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand erfüllt materiell die Gemeinnützigkeitskriterien einer Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) sowie des Natur- und Umweltschutzes (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO). Der Staat und seine Untergliederungen erfüllen im hoheitlichen Bereich zwangsläufig die subjektiven Voraussetzungen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit.

4. Es bleibt offen, ob die Trinkwasserversorgung eine gemeinnützige Tätigkeit darstellt. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte und die GmbH im Urteilsfall somit teilweise eine gemeinnützige Tätigkeit (Abwasserentsorgung) und teilweise eine nicht gemeinnützige Tätigkeit (Trinkwasserversorgung) ausüben sollte, ist die Aufwandsentschädigung vollständig und nicht nur teilweise nach § 3 Nr. 26a EStG steuerfrei, sofern die GmbH überwiegend gemeinnützig tätig ist (im Streitfall: 60 % der Umsatzerlöse der GmbH aus der Abwasserentsorgung).

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 26a Sätze 1-2, Nr. 26, § 18 Abs. 1 Nr. 3; WHG 2 § 56 Abs. 1 Sätze 2-3; AO §§ 14, 52 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3, 8, § 55 Abs. 1; BbgWG §§ 59, 66

 

Tenor

Die Einkommensteuer 2015 wird unter Änderung des Bescheids vom 16. Juli 2019 dahingehend festgesetzt, dass die vom Kläger bezogene Aufwandsentschädigung für seine Aufsichtsratstätigkeit in der C… GmbH als steuerfrei behandelt wird und weitere Kinderbetreuungskosten in Höhe von 20,00 EUR als Sonderausgaben der Kläger berücksichtigt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens beim BFH werden den Klägern auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Prozessbeteiligten streiten um einzelne Punkte bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2015 (Streitjahr).

Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Beide erzielten im Streitjahr u. a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwälte. Sie haben einen gemeinsamen Sohn namens K…, geboren am 9. Juli 2009.

Zusätzlich bezog der Kläger eine „Aufwandsentschädigung” in Höhe von 620,00 EUR in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrates der C… GmbH mit Sitz in D…. Die Aufwandsentschädigung wurde ihm aus dem Betriebsvermögen der C… GmbH gewährt. Die C… GmbH wird beim Beklagten als örtlich zuständigem Finanzamt steuerlich veranlagt.

Die Stadt D… ist Mehrheitsgesellschafterin der C… GmbH und hält 90,5 v. H. der Gesellschaftsanteile. Die weiteren Gesellschaftsanteile halten die Stadt E… sowie die Gemeinden F… und G….

Die C… GmbH nimmt im sog. „Betreibermodell” unmittelbar für die gemäß §§ 59, 66 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) aufgabenpflichtige Komm...

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