Rz. 258

Nach § 150 Abs. 4 AO sind den Steuererklärungen die Unterlagen beizufügen, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. In diesem Sinne bestimmt z. B. § 60 Abs. 1 und 3 EStDV, dass der Steuererklärung als Unterlage eine Abschrift der Handelsbilanz und der GuV-Rechnung, gegebenenfalls auch des Anhangs und des Lageberichts beizufügen ist. Entspricht die Handelsbilanz nicht den steuerrechtlichen Vorschriften, so kann entweder die Handelsbilanz durch Zusätze oder Anmerkungen angepasst[1] oder eine eigenständige Steuerbilanz erstellt werden.[2] Kommt der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung nicht nach oder befinden sich in diesen 3 Formen von "Besteuerungsbilanzen"[3] inhaltliche Fehler, so kann dies steuerrechtliche oder sogar strafrechtliche Konsequenzen haben.

[3] Schick, BB 1987, S. 133.

3.1 Unterlassene Einreichung bzw. Übermittlung einer Steuerbilanz und ihre Folgen

3.1.1 Erzwingung der Einreichung bzw. Übermittlung

 

Rz. 259

Unterlässt es der Steuerpflichtige, der Steuererklärung nach § 150 Abs. 4 AO z. B. i. V. m. § 60 EStDV eine Bilanz als Unterlage beizufügen oder den Inhalt der Bilanz und der GuV durch Datenfernübertragung zu übermitteln (E-Bilanz, § 5b EStG), so kann die Finanzbehörde die Einreichung bzw. elektronische Übermittlung anordnen und gegebenenfalls erzwingen.[1] Als Zwangsmittel kommt zunächst die Festsetzung eines zuvor bereits angedrohten Zwangsgeldes (§ 329 AO) in Betracht. Das einzelne Zwangsgeld darf jedoch 25.000 EUR nicht übersteigen. Es sind aber mehrfache Festsetzungen, deren Gesamtbetrag dann durchaus höher sein darf, möglich. Weiteres Zwangsmittel ist die Ersatzvornahme (§ 330 AO). Sie berechtigt die Vollstreckungsbehörde, bei vertretbaren Handlungen, d. h. solchen, die auch durch einen anderen vorgenommen werden können, einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen zu beauftragen (z. B. Aufstellung einer Bilanz durch einen Steuerberater auf Kosten des Steuerpflichtigen[2]). Wird zwar eine Steuererklärung abgegeben, ihr aber keine Bilanz beigefügt, so kommt die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nach h. M. nicht in Betracht,[3] da § 152 AO die Verletzung der Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe einer Steuererklärung voraussetzt, die Bilanz aber gerade "nur" eine "Unterlage" ist.

[1] §§ 328 ff. AO. S. BMF, Schreiben v. 19.1.2010, IV C 6 – S – 2133-b/0, BStBl 2010 I S. 47 Rz. 4; s. hierzu auch "E-Bilanz (Elektronische Datenübermittlung)", Rz. 26.
[2] Wolf, in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1996, § 330 AO Rz. 5.
[3] Mösbauer, in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1996, § 152 AO Rz. 5; Krabbe, in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1996, § 150 AO Rz. 5; Rätke, in Klein, AO Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 152 AO Rz. 6.

3.1.2 Schätzung der Besteuerungsgrundlagen

 

Rz. 260

Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie jene zu schätzen (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO).[1] Besteuerungsgrundlagen in diesem Sinne sind die Berechnungsgrundlagen der Steuer (wie z. B. Einnahmen, Betriebsausgaben, Umsatz, Bilanzposten etc.), nicht dagegen das Ergebnis (Gewinn oder Verlust) oder gar der Steuerbetrag.[2]

 

Rz. 261

Legt der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung keine Bilanz bei und ist es auch nicht möglich, eine solche mit verhältnismäßigem Aufwand aus der laufenden Buchführung und dem Inventar zu erstellen, so kann die Finanzbehörde eine so genannte Vollschätzung vornehmen. Mit Hilfe der Schätzung soll ein Ergebnis gefunden werden, das die "größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat".[3] Wurde die Schätzung durch ein pflichtwidriges Verhalten des Steuerpflichtigen notwendig, so kann bei der Schätzung an die obere Grenze des noch wahrscheinlichen Ergebnisses gegangen werden.[4] Als Methoden der Schätzung kommen der innere und äußere Betriebsvergleich sowie die Einzelschätzung in Betracht: Bei innerem Betriebsvergleich werden die Lücken einer Periode durch Vergleich mit den Werten anderer Perioden im gleichen Betrieb geschlossen. Der äußere Betriebsvergleich hingegen basiert auf einer Orientierung an Vergleichsbetrieben. Bei der Einzelschätzung geht man von feststellbaren Merkmalen (wie z. B. Wareneinsatz, Produktionskapazität etc.), die einen Schluss auf die Höhe des fehlenden Wertes zulassen, aus.[5]

 

Rz. 262

Die Schätzung ist als milderes Mittel nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes vorzuziehen. Dies wird in der Praxis bereits deshalb geschehen, da die Schätzung mit weniger Aufwand schneller zum gewollten Ergebnis (Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und Festsetzung der Steuer) führt.

3.2 Einreichung einer unrichtigen oder unvollständigen Steuerbilanz und ihre Folgen

3.2.1 Berichtigung der Steuerbilanz

 

Rz. 263

Erkennt der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Fes...

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