Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeld gegen nicht erschienenen Zeugen

 

Leitsatz (NV)

1. Das Ausbleiben eines Zeugen ist nicht genügend entschuldigt i. S. von §381 Abs. 1 ZPO, wenn dieser wegen eigener Nachlässigkeit (Verlust der Ladung) einen Umweg zum Gericht fahren muß und sich dabei wegen widriger Verkehrsverhältnisse verspätet.

2. Bei der Bemessung des Ordnungsgeldes ist zu berücksichtigen, daß die Beteiligten noch in der mündlichen Verhandlung die Hauptsache für erledigt erklärt haben, weil damit ein zusätzlicher Zeitaufwand durch das Ausbleiben des Zeugen nicht entstanden ist.

 

Normenkette

FGO § 82; ZPO § 380 Abs. 1, § 381 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hatte durch Beschluß vom 17. Oktober 1997 die Vernehmung des Beschwerdeführers als Zeuge angeordnet und ihn zu dem auf den 12. Dezember 1997 um 9 Uhr anberaumten Termin geladen. Die die Ladung enthaltende Briefsendung wurde vom Postbediensteten am 22. Oktober 1997 beim Postamt durch Niederlegung zugestellt und eine Benachrichtigung über die Niederlegung in den Hausbriefkasten des Beschwerdeführers eingelegt.

Zu dem Termin am 12. Dezember 1997 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen. Daraufhin hat das FG durch Beschluß vom gleichen Tage dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben im Termin verursachten Kosten auferlegt und gegen ihn ein Ordnungsgeld von 500 DM, ersatzweise für je 50 DM ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer räumt ein, die Ladung des FG für den Termin zum 12. Dezember 1997 erhalten zu haben. Um den Termin wahrzunehmen, sei er an diesem Tag bereits morgens um 5 Uhr mit seinem Bruder A in dessen PKW von X aus aufgebrochen, wo er gerade auf einer Baustelle gearbeitet habe. Da er weder in seiner Unterkunft noch in seinem Gepäck die Ladung habe finden können, sei er zunächst nach Hause gefahren. Dort sei er wegen starken Verkehrs erst gegen 8 Uhr angekommen, habe die Ladung mit der Anschrift des FG aber auch nicht gefunden. Da die Klägerin bereits fort gewesen sei, habe er angenommen, daß diese die Ladung mitgenommen habe. Er sei daraufhin mit dem im gleichen Haus wohnenden B nach Y zum Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin gefahren. Die dort anwesende junge Dame habe ihm aber nicht sagen können, unter welcher Anschrift er das FG erreichen könne. Nachdem es mittlerweise fast 9 Uhr geworden sei, habe er angesichts der Verkehrsdichte und des Zeitaufwands, sich zum FG durchzufragen, die Fahrt abgebrochen. Für diese unglücklichen Umstände könne er nicht verantwortlich gemacht werden. Bei einer Abfahrt um 5 Uhr morgens hätte er bei normalen Verkehrsverhältnissen spätestens um 7.30 Uhr bei der Klägerin sein müssen und von dieser entweder die Ladung oder die genauen Angaben zum Gerichtstermin bekommen können. Allerdings sei die Klägerin bereits mit der Bahn um 6.50 Uhr nach Y zu ihrem Prozeßbevollmächtigten abgefahren.

Das FG hat der Beschwerde mit Beschluß vom 26. Januar 1998 teilweise abgeholfen und das Ordnungsgeld auf 300 DM herabgesetzt, weil es die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers angesichts des geschilderten Geschehensablaufs milder beurteilt hat. Die weitergehende Beschwerde hielt das FG für unbegründet. Dem Beschwerdeführer sei vorzuwerfen, daß er nicht sichergestellt habe, unabhängig von der Klägerin das FG erreichen zu können. Ohne den Umweg über seinen Wohnort wäre er trotz des dichten Verkehrs rechtzeitig in Z (Sitz des FG) gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die -- nach teilweiser Abhilfe vorgelegte -- Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt zu einer weiteren Herabsetzung des gegen den Beschwerdeführer festgesetzten Ordnungsgeldes und der ersatzweise auferlegten Ordnungshaft.

Gemäß §82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §380 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, ohne daß es eines Antrags bedarf; zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gemäß §381 Abs. 1 ZPO unterbleiben die Festsetzung eines Ordnungsmittels und die Auferlegung der Kosten, wenn der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt; erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben.

Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine vollständige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Als genügende Entschuldigungsgründe i. S. von §381 Abs. 1 ZPO können nur solche äußeren Umstände und Ereignisse anerkannt werden, die einen Zeugen -- ohne sein Zutun -- von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Juni 1992 II B 217/91, BFH/NV 1993, 479). Im Streitfall ist hingegen das Ausbleiben des Beschwerdeführers vor allem auf seine eigene Nachlässigkeit zurückzuführen. Denn hätte der Beschwerdeführer das Ladungsschreiben bei sich gehabt, so hätte er von X unmittelbar (ohne den Umweg über seinen Wohnort Y) nach Z (Sitz des FG) fahren können und wäre -- wie das FG in den Gründen seines Abhilfebeschlusses dargelegt hat -- trotz der widrigen Verkehrsverhältnisse noch rechtzeitig zum Termin im Gerichtsgebäude eingetroffen.

Hingegen erscheint dem Senat das vom FG auf 300 DM herabgesetzte Ordnungsgeld noch zu hoch. Maßgebend für die nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmende Höhe des Ordnungsgeldes, das nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch 5 bis 1000 DM betragen darf, sind die Bedeutung der Rechtssache und Aussage für die Entscheidung sowie die Schwere der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen (vgl. BFH-Beschluß vom 1. Juni 1988 X B 41/88, BFHE 153, 310, BStBl II 1988, 838, m. w. N.). Der Senat hält danach im Streitfall ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 DM für ausreichend und angemessen. Ausschlaggebend dafür ist insbesondere die Tatsache, daß das FG in Übereinstimmung mit den Verfahrensbeteiligten auf die Zeugeneinvernahme des Beschwerdeführers verzichtet hat, und daß die Klägerin und der Beklagte (das Finanzamt) noch in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1997 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Damit ist durch das Ausbleiben des Beschwerdeführers weder für das FG noch für die übrigen Verfahrensbeteiligten ein zusätzlicher Zeitaufwand (z. B. wegen Anberaumung eines neuen Beweisaufnahmetermins) entstanden (vgl. BFH-Beschluß vom 4. August 1993 II B 25/93, BFH/NV 1994, 640).

Die Kostenentscheidung trifft der Senat einheitlich für das gesamte Beschwerdeverfahren (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Januar 1994 XI B 60/93, BFH/NV 1994, 733). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §136 Abs. 1 FGO. Soweit die Kosten nicht vom Beschwerdeführer zu tragen sind, fallen sie der Staatskasse zur Last (vgl. BFH- Beschluß vom 10. Januar 1986 IX B 5/85, BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270).

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1369

DStRE 1998, 858

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