Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur genügenden Entschuldigung eines nichterschienenen Zeugen

 

Leitsatz (NV)

1. Ein ordnungsgemäß geladener Zeuge, dem wegen Nichterscheinens im Termin gemäß § 82 FGO i.V.m. § 380 ZPO die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie Ordnungsgeld auferlegt wurden, ist nur dann als nachträglich genügend entschuldigt i.S. v. § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO anzusehen, wenn schwerwiegende Gründe für sein Ausbleiben vorliegen. Als genügende Entschuldigungsgründe können nur äußere Ereignisse anerkannt werden, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. Krankheit und Tod nächster Angehöriger.

2. Das Verschulden desjenigen, der infolge Vergessens der Abholung der niedergelegten Terminsladung verhindert, Kenntnis vom Inhalt der Terminsladung zu erhalten, ist kein anderes als das Verschulden desjenigen, der trotz Kenntnisnahme von der Terminsladung aus Nachlässigkeit zum Termin nicht erscheint.

 

Normenkette

FGO § 82; ZPO §§ 380, 381 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hatte durch Beschluß vom 16. Mai 1991 die Vernehmung der Beschwerdeführerin als Zeugin angeordnet und sie zu dem auf den 12. Juni 1991 um 15 Uhr anberaumten Termin geladen. Die die Ladung enthaltene Briefsendung wurde vom Postbediensteten am 21. Mai 1991 beim Postamt . . . durch Niederlegung zugestellt und eine Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung - wie bei gewöhnlichen Briefen üblich - in den Hausbriefkasten der Beschwerdeführerin eingelegt.

Zu dem Termin am 12. Juni 1991 ist die Beschwerdeführerin nicht erschienen. Daraufhin hat das FG durch Beschluß vom gleichen Tage der Beschwerdeführerin die durch ihr Ausbleiben im Termin verursachten Kosten auferlegt und gegen sie ein Ordnungsgeld von 400 DM, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, festgesetzt.

Gegen den am 18. Juni 1991 zugestellten Beschluß des FG hat die Beschwerdeführerin am 28. Juni 1991 Beschwerde eingelegt. Sie räumt ein, die Mitteilung über die Niederlegung der Briefsendung mit der Ladung erhalten zu haben, die Abholung der Briefsendung wegen enormer beruflicher Belastung aber vergessen zu haben. Sie habe keineswegs bewußt den Termin versäumt. Nach ihrer Auffassung sei zu differenzieren zwischen dem ,,Vergessen" eines an sich bekannten Termins und dem ,,Vergessen" des Umstandes, ein Schriftstück bei der Postanstalt abzuholen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind für die Beweisaufnahme im finanzgerichtlichen Verfahren u.a. die §§ 380, 381 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 380 Abs. 1 ZPO werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, ohne daß es eines Antrags bedarf; zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gemäß § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO unterbleiben die Festsetzung eines Ordnungsmittels und die Auferlegung der Kosten, wenn der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben.

Zu Recht hat das FG der Beschwerdeführerin die Kosten auferlegt und ein Ordnungsgeld und Ordnungshaft festgesetzt. Die Beschwerdeführerin ist ordnungsgemäß zu dem auf den 12. Juni 1991, 15 Uhr, angesetzten Termin geladen worden. Die Ordnungsmäßigkeit und Wirkamkeit der Ladung wird nicht von dem Umstand berührt, daß die Briefsendung mit der Ladung ersatzweise durch Niederlegung gemäß § 182 ZPO zugestellt wurde.

Die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Eine genügende Entschuldigung i.S. von § 381 Abs. 1 ZPO kann nur Umständen entnommen werden, die das Verhalten des Zeugen nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen; dazu sind schwerwiegende Gründe für das Ausbleiben erforderlich (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. August 1977 I B 41/77, BFHE 123, 120, BStBl II 1977, 842). Als genügende Entschuldigungsgründe können nur äußere Ereignisse anerkannt werden, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. Krankheit, Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, schwere Erkrankung und Tod nächster Angehöriger (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 50. Aufl. 1992, § 381 Anm.1b; Oberlandesgericht - OLG - München, Beschluß vom 12. November 1956 1 W 1548/56, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1957, 306).

Im Streitfall hat die Beschwerdeführerin solche Entschuldigungsgründe nicht geltend gemacht. Vielmehr steht im Streitfall fest, daß ihr Ausbleiben allein darauf zurückzuführen ist, daß sie die niedergelegte Briefsendung mit der Terminsladung vergessen hat abzuholen. Hierin liegt ein pflichtwidriges Verhalten der Beschwerdeführerin, die auf Grund ihrer Berufserfahrung als Maklerin erkennen konnte und erkennen mußte, daß ihr ein amtliches Schreiben durch Niederlegung zugestellt worden war. Dadurch, daß die Beschwerdeführerin die Abholung des niedergelegten Schriftstückes vergessen hat, hat sie fahrlässig die Nachteile in Kauf genommen, die ihr selbst oder auch anderen Personen, wie z.B. den übrigen Prozeßbeteiligten und geladenen Zeugen, durch ihr Untätigbleiben entstehen würden. Das ,,Vergessen" der Abholung der niedergelegten Terminsladung stellt auch kein äußeres Ereignis dar, auf welches die Beschwerdeführerin keinen Einfluß hätte nehmen können.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht auch kein Grund, den vorliegenden Fall anders zu beurteilen als die Fälle, in denen Zeugen der Inhalt der Terminsladung bekannt ist, diese jedoch den Termin als solchen vergessen. Denn die Fahrlässigkeit desjenigen, der infolge Vergessens der Abholung der niedergelegten Terminsladung verhindert, Kenntnis vom Inhalt der Terminsladung zu erhalten, ist keine andere als die Fahrlässigkeit desjenigen, der trotz Kenntnisnahme von der Terminsladung aus Nachlässigkeit zum Termin nicht erscheint.

Auch die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Diese hält sich in dem durch Art.6 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch festgelegten Rahmen (mindestens 5 DM, höchstens 1000 DM). Sie ist hinreichend gerechtfertigt durch die Annahme des FG, die Beschwerdeführerin lebe als vielbeschäftigte Maklerin in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. hierzu auch BFH-Beschluß vom 1. Juni 1988 X B 41/88, BFHE 153, 310, BStBl II 1988, 838). Wenn auch der Grad des Verschuldens der Beschwerdeführerin als nicht sehr hoch einzustufen ist, erscheint unter Berücksichtigung aller Umstände insbesondere der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin ein unter dem Mittelwert liegendes Ordnungsgeld von 400 DM als angemessen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418541

BFH/NV 1993, 479

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