Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde des nicht erschienenen Zeugen gegen Ordnungsgeld

 

Leitsatz (NV)

1. Einem Zeugen, gegen den auf der Rechtsgrundlage des § 380 ZPO Ordnungsmaßnahmen verhängt worden sind, steht für die nachträgliche Geltendmachung von Entschuldigungsgründen nicht nur der Rechtsbehelf der nachträglichen Entschuldigung beim FG, sondern auch die Beschwerde an den BFH zur Verfügung.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Nichtabhilfebeschluß des FG bereits des wegen rechtsfehlerhaft ist, weil er nicht die Begründung enthält, die jedenfalls in Anbetracht eines neuen Vorbringens des Beschwerdeführers erforderlich sein könnte.

3. Hat der Zeuge einen Entschuldigungsgrund schlüssig dargelegt, ist es wegen der Sachnähe des FG zu den etwa zu erhebenden Beweisen zweckmäßig, die Sache zur Prüfung der Frage, ob der vorgetragene Entschuldigungsgrund in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, an das FG zurückzuverweisen.

 

Normenkette

FGO § 128 Abs. 1, § 130 Abs. 1; ZPO §§ 380, 381 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer ist vom Finanzgericht (FG) zu einem Beweistermin rechtzeitig und ordnungsgemäß als Zeuge geladen worden. Er ist dem Termin ferngeblieben. Das FG ist davon ausgegangen, daß sein Ausbleiben nicht entschuldigt war. Es hat gegen ihn mit Beschluß vom 4. Mai 1995 ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 DM -- ersatzweise drei Tage Haft -- festgesetzt und ihm die durch sein Ausbleiben im Termin verursachten Kosten auferlegt. Hiergegen hat der Zeuge Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Er habe an jenem Tage eine fiebrige Mandelentzündung gehabt und sei nicht in der Lage gewesen, den Termin wahrzunehmen. Er habe dies dem FG -- seiner Erinnerung nach der Geschäftsstelle -- telefonisch mitgeteilt. Man habe ihm dort bedeutet, es werde ein neuer Termin stattfinden, zu dem er erneut geladen würde. Daß er mit dem FG telefoniert habe, könne Frau R bestätigen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist statthaft. Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind auf die Beweisaufnahme im finanzgerichtlichen Verfahren u. a. die §§ 380 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) anwendbar. Daraus folgt, daß einem Zeugen, gegen den auf der Rechtsgrundlage des § 380 ZPO Ordnungsmaßnahmen verhängt worden sind, für die nachträgliche Geltendmachung von Entschuldigunggründen nicht nur der Rechtsbehelf der nachträglichen Entschuldigung bei dem FG (§ 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO), sondern auch die Beschwerde an den Bundesfinanzhof -- BFH -- (§ 380 Abs. 3 ZPO) zur Verfügung steht (BFH-Beschlüsse vom 12. Juni 1969 V B 6/69, BFHE 96, 17, BStBl II 1969, 526, und vom 10. November 1987 V B 66/85, BFH/NV 1988, 388, m. w. N. der Rechtsprechung).

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Nichtabhilfebeschluß des FG bereits deswegen fehlerhaft ist, weil er nicht die Begründung enthält, die jedenfalls in Anbetracht eines neuen Vorbringens erforderlich sein könnte. Ob unter dieser Voraussetzung eine Nichtabhilfeentscheidung begründet werden muß, ist in der Literatur umstritten (bejahend Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 130 FGO Tz. 14, 18; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 130 Rdnr. 7; zu § 571 ZPO; Stein/Jonas/Grunsky, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 21. Aufl. 1994, § 571 Rdnr. 6, jeweils m. w. N.; zweifelnd Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 130 FGO Rdnr. 12). Der VII. Senat des BFH hat beiläufig ausgeführt, ein Nichtabhilfebeschluß bedürfe keiner Begründung (BFH-Beschluß vom 30. November 1976 VII B 1/75, BFHE 120, 460, BStBl II 1977, 164). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluß vom 3. Juli 1987 2 StR 213/87 (BGHSt 34, 392) zu § 306 der Strafprozeßordnung (StPO) ausgeführt, anläßlich der Entscheidung über eine Beschwerde gegen einen bislang nicht begründeten Beschluß müsse sich das Vordergericht mit rechtlich erheblichem Beschwerdevorbringen befassen, seine Überlegungen in einem begründeten Beschluß (§ 360 Abs. 2 StPO) darlegen und dadurch das Beschwerdegericht in die Lage versetzen, die angefochtene Maßnahme zu überprüfen (vgl. auch BGH-Beschluß vom 25. Februar 1992 1 StR 4/92, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2169).

Jedenfalls hat der Beschwerdeführer einen Entschuldigungsgrund schlüssig dargelegt. Eine genügende Entschuldigung liegt bei solchen Umständen vor, die das Ausbleiben eines Zeugen nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Ein solcher Umstand ist insbesondere die eigene Erkrankung (Beschlüsse in BFH/NV 1988, 388, und vom 17. Juni 1992 II B 217/91, BFH/NV 1993, 479). Zur Prüfung der Frage, ob der vom Beschwerdeführer vorgetragene Entschuldigungsgrund in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, wird die Sache an das FG zurückverwiesen. Eine Zurückverweisung ist wegen der Sachnähe des FG zu etwa zu erhebenden Beweisen zweckmäßig.

Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht zu treffen (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes). Die Entscheidung darüber, ob die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen sind (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Januar 1986 IX B 5/85, BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270), wird in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421398

BFH/NV 1996, 697

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