Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hauptsacheverfahren bei unvollständigem PKH-Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels kann einem mittellosen Beteiligten nicht gewährt werden, wenn er zwar innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozeßkostenhilfe beantragt, aber nicht die Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat. Das Verschulden am verspäteten Einreichen des Erklärungsvordrucks wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß keine Belehrung darüber erfolgt ist, daß die Erklärung sowie die entsprechenden Belege innerhalb der Rechtsmittelfrist einzureichen sind.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 56 Abs. 1, § 142; ZPO §§ 114, 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 30.08.1991; Aktenzeichen 2 BvR 995/91)

 

Tatbestand

I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) … vom 12. Oktober 1990, mit dem das FG seine Klage auf Feststellung, das Hauptzollamt (HZA) … sei nicht befugt, als Vollstreckungsorgan für das …gericht aus der Kostenrechnung … in Höhe von … DM gegen ihn zu vollstrecken, abgewiesen und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) verneint hat. Der Antragsteller hat innerhalb der Frist für die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (Ablauf: 17. Dezember 1990) den Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt und selbst Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Mit am 19. Februar 1991 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schreiben hat er die am 12. Februar 1991 unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag auf Gewährung von PKH für die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist abzulehnen. Für die beabsichtigte Rechtsverfolgung besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung –ZPO–).

Die vom Antragsteller eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Antragsteller sich bei deren Einlegung nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen hat. Bereits die Einlegung und nicht etwa erst die Begründung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision unterliegt dem Vertretungszwang (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs –BFHEntlG–). Darauf ist in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils auch hingewiesen worden.

Die gesetzlich geforderte Erfolgsaussicht der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung kann auch nicht damit begründet werden, es sei damit zu rechnen, daß dem Antragsteller nach Bewilligung der PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens durch einen dazu befugten Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gewährt werde. Denn im Streitfall kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Wer wegen Mittellosigkeit zur fristgerechten Einlegung eines Rechtsmittels unter Wahrung des Vertretungszwangs nicht in der Lage ist, kann zwar grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen. Voraussetzung ist aber, daß er alles in seinen Kräften Stehende getan hat, um das der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels entgegenstehende Hindernis zu beheben (vgl. Senatsbeschluß vom 22. November 1977 VII S 5-6, 9/77, BFHE 123, 436, BStBl II 1978, 72). Soweit er fehlende eigene Mittel durch PKH ersetzen will, gehört dazu, daß er spätestens am letzten Tag der Rechtsmittelfrist in solcher Weise um die Bewilligung der PKH nachsucht, daß er –von seinem Standpunkt aus gesehen– damit rechnen kann, ihm werde PKH bewilligt werden. Dies erfordert, daß er seinem Antrag die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt hat (ständige Rechtsprechung: vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. Juli 1985 VII S 4-5/85, BFH/NV 1985, 47; vom 5. Mai 1989 VII S 11/89, BFH/NV 1989, 802; vom 4.September 1990 VII S 11/90, nicht veröffentlicht –NV–; vom 7. September 1990 VII S 18/90, NV; BFH-Beschluß vom 23. Mai 1990 VIII S 5-8/89, BFH/NV 1990, 316).

Im Streitfall hat der Antragsteller die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, über deren Beginn und Dauer er in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils belehrt worden war, eingereicht. Er hat in seinem Schreiben vom 15. Februar 1991, mit dem er die am 12. Februar 1991 –also ebenfalls erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist– unterzeichnete Erklärung nachgereicht hat, keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen Versäumung der Frist zur Einreichung der Erklärung sowie der erforderlichen Belege beantragt und auch keine Tatsache oder sonstigen Umstände vorgetragen, die die Versäumung der Frist als unverschuldet erscheinen lassen könnten. Derartige Gesichtspunkte sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere wird das Verschulden an der Fristversäumnis für die Einreichung des Erklärungsvordrucks nicht dadurch ausgeschlossen, daß keine Belehrung darüber erfolgt ist, daß die Erklärung i.S. von § 117 Abs. 2 und 4 ZPO sowie die entsprechenden Belege innerhalb der Rechtsmittelfrist einzureichen sind (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 1983 1 BvR 277/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 33).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1934960

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