Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen an den Nachweis einer Prozeßvollmacht bei Zweifeln an der Befugnis zur Prozeßvertretung

 

Leitsatz (NV)

1. Bestehen Zweifel daran, ob von einer im Klageverfahren vorgelegten -- auch zur Einlegung von Rechtsmitteln ermächtigenden -- Vollmachtsurkunde berechtigterweise Gebrauch gemacht wurde, ist für das Rechtsmittelverfahren ein erneuter Nachweis erforderlich.

2. Eine lediglich unterschriebene und im übrigen nicht näher konkretisierte Prozeßvollmacht genügt auch dann, wenn sie einem Schriftsatz beigeheftet ist, nicht als Nachweis i. S. d. § 62 Abs. 3 FGO, wenn Zweifel bestehen, ob von Vollmachtsurkunden, die in früheren Verfahrensabschnitten vorgelegt worden sind, berechtigter Gebrauch gemacht worden ist.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

In dem Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 1983 hat das Finanzgericht (FG) das Ablehnungsgesuch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) vom 4. Dezember 1992 verworfen. Hiergegen erhob der Steuerberater mit Schriftsatz vom 3. Februar 1993 namens des Klägers die vorliegende Beschwerde.

Das FG hat das Verfahren wegen Einkommensteuer 1983 mit Beschluß vom 15. Februar 1993 mit der Begründung eingestellt, der Kläger habe zu Protokoll des Gerichts am 12. Januar 1993 die Klage zurückgenommen. Die Kosten hat es dem Steuerberater auferlegt, weil nach den unwidersprochenen Erklärungen des Klägers davon auszugehen sei, daß der Steuerberater zur Klageerhebung nicht ermächtigt worden sei, sondern ihm lediglich zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens überlassene Vollmachtsurkunden mißbräuchlich verwendet habe. Gegen den Einstellungsbeschluß erhob der Steuerberater namens des Klägers Beschwerde mit der Begründung, es fehle an einer wirksamen Klagerücknahme.

Nachdem der Steuerberater -- auch auf entsprechende Aufforderung der Geschäftsstelle -- keine Prozeßvollmacht für das Beschwerdeverfahren vorgelegt hatte, setzte der Vorsitzende des erkennenden Senats unter Hinweis auf die Zweifel an seiner Berechtigung zur Durchführung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens dem Steuerberater eine Frist zur Vorlage einer auf dieses Verfahren bezogenen Prozeßvollmacht bis zum 18. März 1994.

Mit Schriftsatz vom 9. März 1994 legte dieser eine Prozeßvollmacht vor, die die folgenden Besonderheiten aufweist:

-- In der linken oberen Ecke ist der Text "Name der/des Vollmachtgebers" aufgedruckt; eine entsprechende Angabe fehlt.

-- Ein Datum ist nicht angegeben.

-- Der allgemeine Teil hat folgenden Wortlaut:"

Ich/Wir bevollmächtige/n ... (Name, Anschrift und Telefonnummer des Steuerberaters) mich/uns in meinen/unseren Steuer- und Buchführungsangelegenheiten sowie in Sachen Minderung der Erwerbsfähigkeit vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden sowie Versorgungsämtern und Gesundheitsämtern zu vertreten, gerichtliche und außergerichtliche Rechtsbehelfe abzuschließen, sonstige verbindliche Erklärungen abzugeben und rechtsverbindliche Unterschrift zu leisten. Die Vollmacht gilt u. a. für das Festsetzungs- und Erhebungsverfahren der Finanzämter (Merker 21), für das Einheitswertverfahren sowie für das Steuerstrafverfahren."

-- Im Anschluß daran ist die Möglichkeit der Erteilung einer Untervollmacht, eine Empfangsvollmacht für festgesetzte Kosten sowie eine Zustellvollmacht eingeräumt.

-- Abschließend ergeht die Aufforderung, alle Rückfragen ausschließlich an den Bevollmächtigten zu richten.

-- Die in der rechten unteren Ecke für die Unterschrift des Vollmachtgebers vorgesehene Zeile weist eine Unterschrift mit dem Namen des Klägers auf.

Eine inhaltlich gleiche Vollmachtsurkunde hatte der Steuerberater im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht. Auf eine entsprechende Aufforderung des FG, eine Prozeßvollmacht vorzulegen, die den im Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Februar 1988 III R 180/82 (BFH/NV 1988, 509) bezeichneten Anforderungen entspricht, hat er eine weitere Vollmachtsurkunde nachgereicht, die sich von der zuvor beschriebenen Vollmacht dadurch unterschied, daß in einer von der Unterschrift verschiedenen Handschrift neben der Überschrift "Vollmacht" der Zusatz "für 2 K 328/86" und neben der Unterschrift das Datum "30. 6. 89" angebracht war.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil für das Beschwerdeverfahren keine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt worden ist.

1. Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muß eine ordnungsgemäße Vollmacht (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO) erkennen lassen, wer bevollmächtigt hat, wer bevollmächtigt ist und wozu bevollmächtigt wurde (z. B. BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 112/89, BFHE 164, 210, 212, BStBl II 1991, 726 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Prozeßvollmacht muß -- sofern keine Generalvollmacht vorliegt -- einen hinreichend konkreten Bezug auf das konkrete Verfahren haben, um dem Gericht eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Vollmacht auch tatsächlich die Prozeßführung abdeckt (z. B. BFH in BFH/NV 1988, 509, 510; in BFHE 164, 210, 213, BStBl II 1991, 726). Ob eine wirksame Prozeßvollmacht vorliegt, ist nach § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Genügt eine Vollmacht den beschriebenen Anforderungen nicht und wird der Mangel nicht oder nicht rechtzeitig behoben, ist der betreffende Rechtsbehelf wegen Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung unzulässig (vgl. z. B. BFH in BFH/NV 1988, 509, 510; BFH-Urteil vom 23. April 1992 IV R 42/90, BFHE 168, 203, 205, BStBl II 1992, 914 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 62 Anm. 37).

2. Grundsätzlich ist die Vorlage einer besonderen Prozeßvollmacht für ein Rechtsmittelverfahren nicht erforderlich, wenn die im Klageverfahren zum Nachweis der Bevollmächtigung vorgelegte Prozeßvollmacht auch zur Einlegung von Rechtsmitteln ermächtigt. Bestehen jedoch berechtigte Zweifel daran, ob eine für das Klageverfahren erteilte, auch entsprechende Rechtsmittelverfahren umfassende Prozeßvollmacht noch weiter besteht, so ist für das Rechtsmittelverfahren ein erneuter Nachweis erforderlich. Das gilt erst recht, wenn zwar für das Klageverfahren eine Vollmachtsurkunde vorgelegt worden ist, jedoch Zweifel daran bestehen, ob hiervon berechtigterweise Gebrauch gemacht worden ist.

So liegt es im Streitfall. Noch vor Erlaß des Einstellungsbeschlusses hatte der Vorsitzende des FG dem Steuerberater seinen Aktenvermerk, in dem die näheren Umstände der protokollierten Klagerücknahme, die Teilnahme eines Dolmetschers an dem Gespräch und dessen Inhalt geschildert waren, zur Stellungnahme übersandt. Der Steuerberater hat hierauf nicht reagiert, sondern erst nach Erhalt des Einstellungsbeschlusses die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht mit der Begründung, der Kläger sei durch den Vorsitzenden zu seiner Klagerücknahme und zu inhaltlich unzutreffenden Behauptungen "genötigt" worden. Unter diesen Umständen ist für den Nachweis der Vertretungsbefugnis für das Rechtsmittelverfahren die erneute Vorlage einer Vollmachtsurkunde erforderlich, die eindeutig und unmißverständlich erkennen läßt, daß der Steuerberater vom Kläger zur Weiterführung des Verfahrens ermächtigt ist.

3. Die vom Steuerberater vorgelegte Vollmachtsurkunde ist nicht geeignet, die Zweifel an dessen sachlich-rechtlicher Vertretungsbefugnis zu beseitigen. Die Prozeßvollmacht weist zwar eine Unterschrift mit dem Namen des Klägers und als Bevollmächtigten den Steuerberater aus. Sie enthält jedoch weder eine Aussage zum Gegenstand des Mandats noch ein Datum.

a) Allerdings anerkennt die Rechtsprechung sog. Blankovollmachten, in denen der Mandant dem Prozeßbevollmächtigten ein überlicherweise verwendetes und mit seiner Unterschrift versehenes Vollmachtsformular mit der internen Ermächtigung überläßt, daß dieser die notwendigen Angaben zur Konkretisierung der Vollmacht auf den konkreten Rechtsstreit selbst ergänzt (BFH-Urteile vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731; in BFHE 164, 210, 213, BStBl II 1991, 726). Unter diesen Voraussetzungen kann der Prozeßbevollmächtigte einen hinreichenden Bezug zum konkreten Verfahren grundsätzlich auch dadurch herstellen, daß er eine unvollständige Vollmachtsurkunde einem Schriftsatz beiheftet, der die in der Vollmachtsurkunde fehlenden Angaben enthält (BFHE 164, 210, 213, BStBl II 1991, 726; BFHE 168, 203, 206, BStBl II 1992, 914).

b) Indes ist nicht in jedem Fall einer unvollständigen, lediglich einem Schriftsatz beigehefteten Vollmacht von der tatsächlich bestehenden Ermächtigung des Bevollmächtigten zur Prozeßführung in diesem Verfahren auszugehen. Eine Vollmachtsurkunde, der -- wie im Streitfall -- wesentliche Angaben fehlen, genügt dann nicht als Nachweis i. S. des § 62 Abs. 3 FGO, wenn berechtigte Zweifel an der Berechtigung zur jeweiligen Prozeßführung bestehen (BFH in BFHE 164, 210, 214, BStBl II 1991, 726; in BFH/NV 1988, 509, und BFH-Urteil vom 15. November 1991 VI R 3/90, BFH/NV 1992, 608; vgl. auch BFH in BFHE 168, 203, 206, BStBl II 1992, 914, und BFH-Urteile vom 20. September 1991 III R 33/90, BFH/NV 1992, 520, und III R 118/89, BFH/NV 1992, 521).

Im Streitfall bestehen bereits Zweifel daran, ob der Steuerberater von Vollmachtsurkunden, die ihm in einem früheren Verfahrensabschnitt erteilt worden sind, berechtigten Gebrauch gemacht hat. Legt der als Prozeßbevollmächtigter aufgetretene Steuerberater unter diesen Umständen auf eine Aufforderung zur Vorlage einer konkret auf das Rechtsmittelverfahren bezogenen Vollmacht eine unvollständige Vollmachtsurkunde vor, ist diese nicht geeignet, zweifelsfrei die Vertretungsbefugnis nachzuweisen, auch dann nicht, wenn sie einem Schriftsatz beigeheftet ist, der die fehlenden Angaben enthält.

4. Die Entscheidung muß ungeachtet dessen, daß das Vorliegen einer Prozeßvollmacht nicht nachgewiesen wurde, gegen den angeblich vertretenen Kläger ergehen (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. Juli 1983 II B 68/82, BFHE 138, 529, 531, BStBl II 1983, 644 m. w. N.).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Steuerberater aufzuerlegen. Er hat die erfolglose Prozeßführung veranlaßt, ohne die Vertretungsmacht eindeutig und zweifelsfrei nachgewiesen zu haben (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschlüsse vom 19. April 1968 III B 85/67, BFHE 92, 173, BStBl II 1968, 473, und vom 11. Juli 1975 III R 124/74, BFHE 116, 110, BStBl II 1975, 714; Gräber/Koch, a.a.O., § 62 Rz. 67 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 42

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