Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe, Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (NV)

Zur Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde, für deren Durchführung die Beteiligte selbst einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt hat.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm die Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) als Duldungsschuldnerin für Steuerschulden ihres Ehemannes aus bestandskräftigen Duldungsbescheiden in Anspruch. In diesem Zusammenhang wurden auf Antrag des FA vom ... insgesamt vier Sicherungshypotheken auf Grundstücke der Klägerin eingetragen. Auf Antrag des FA vom ... wurde auch die Zwangsverwaltung in eines der Grundstücke der Klägerin angeordnet. Die gegen die Anträge gerichteten Beschwerden der Klägerin blieben erfolglos (Beschwerdeentscheidung vom ... Oktober 1983). Mit Urteil vom ... Dezember 1988 hob das Finanzgericht (FG) die Eintragungsanträge sowie den Antrag des FA auf Anordnung der Zwangsverwaltung auf. Auf die dagegen gerichtete Revision des FA hin verwies der Bundesfinanzhof (BFH) die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FA stellte nunmehr der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde vom ... Juli 1991 die Eintragungsanträge und den Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung zu. Die Antragstellerin legte daraufhin am ... August 1991 gegen die Eintragungsanträge und den Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung erneut Be schwerde ein. Das FG wies mit Urteil vom ... September 1991 die Klage gegen die Be schwerdeentscheidung vom ... Oktober 1983 als unbegründet zurück, weil der Mangel der Zustellung durch die im zweiten Rechtsgang an die Antragstellerin erfolgte Zustellung der Anträge geheilt worden sei.

Im März 1992 erteilte das FA der Antragstellerin eine löschungsfähige Quittung über die streitigen Sicherungshypotheken, weil die den Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen des FA zwischenzeitlich erloschen waren. Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragte das FA die Aufhebung der Zwangsverwaltung über das Grundstück der Antragstellerin; daraufhin wurde das Zwangsverwaltungsverfahren vom Amtsgericht aufgehoben.

Mit Beschwerdeentscheidung vom ... November 1992 verwarf die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde der Antragstellerin vom ... August 1991 als unzulässig. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage, mit der sie sich gegen die aus den beim FG mit Urteilen vom ... Dezember 1988 und ... September 1991 entstandenen Kosten wandte. Soweit diese Urteile nicht mehr angegriffen werden können, machte sie geltend, die Verfahren seien nach § 578 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wieder aufzurollen. Sie beantragte, "die Beschwerdeentscheidung der OFD vom ... und den Verwaltungsakt vom ... Juli 1991 sowie im einzelnen bezeichnete Urteile gem. § 578 ZPO aufzuheben".

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH fehle das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Vollstreckungsmaßnahme abgeschlossen sei. Auch im Streitfall sei die Vollstreckung durch Erteilung löschungsfähiger Quittungen und die Rücknahme des Antrags auf Anordnung der Zwangsverwaltung beendet. Ein Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund i. S. der §§ 578, 579 ZPO sei nicht schlüssig dargelegt worden.

Die Antragstellerin beantragt, ihr zum Zweke der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihr einen Rechtsanwalt beizuordnen. Mit Schreiben vom ... bittet sie in Ergänzung ihres Antrages auch um Gewährung von PKH für einen Antrag auf einstweilige Anordnung, der sich gegen eine beabsichtigte Pfändung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß der Gerichtskassen ... richten soll.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Gewährung von PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der Ergänzungsantrag ist unzulässig.

1. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß die Antragstellerin sich nicht durch eine der in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs genannten Personen hat vertreten lassen und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr fristgemäß unter Wahrung des in dieser Vorschrift festgelegten Vertretungszwangs eingelegt werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. März 1992 VII S 52/91, BFH/NV 1993, 118, und vom 5. Mai 1992 VII S 13/92, BFH/NV 1993, 262).

2. Die Bewilligung von PKH setzt aber u. a. voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 114 ZPO). Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der von der Antragstellerin angekündigten Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG nicht gegeben. Die beantragte PKH kann daher nicht bewilligt werden.

Für die Entscheidung kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin selbst zumindest in laienhafter Weise das Vorliegen der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Nichtzulassungsbeschwerde darlegen oder bezeichnen muß oder ob an die nicht vertretene mittellose Antragstellerin solche Begründungsanforderungen nicht gestellt werden dürfen und die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde anhand der Vorentscheidung und des Protokolls über die mündliche Verhandlung zu überprüfen sind (vgl. dazu im einzelnen BFH/NV 1993, 262). Gründe für die Zulassung der Revision, die in § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO abschließend genannt sind, ergeben sich hier weder aus der Begründung der Antragstellerin zu ihrem PKH-Antrag noch aus der Vorentscheidung in Verbindung mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wäre nicht schon dann gegeben, wenn die Vorentscheidung fehlerhaft wäre. Voraussetzung für die Zulassung der Revision aufgrund von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist vielmehr, daß die Entscheidung durch den BFH im Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts liegt (vgl. z. B. BFH- Beschlüsse vom 16. Oktober 1986 V B 64/86, BFHE 148, 10, BStBl II 1987, 95; und vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924). Weder aus der Begründung der Antragstellerin zu ihrem PKH-Antrag noch sonst ist ersichtlich, daß der Rechtssache im Streitfall eine solche Bedeutung zukommen könnte. Das gilt hinsichtlich des vom FG wegen Beendigung der Vollstreckung verneinten Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD sowie für die vom FG vermißte schlüssige Darlegung eines Nichtigkeits- bzw. Restitutionsgrundes bezüglich der im Klageantrag bezeichneten Urteile.

Soweit sich die Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil vom ... Februar 1989 wendet, ist ebenfalls eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Dieses Vorbringen kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil es sich nicht auf den Streitfall bezieht, in dem es nicht um eine Wiederaufnahme dieses früheren Verfahrens ging. Im Streitfall war die gerichtliche Überprüfung vielmehr in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung auf die Frage beschränkt, ob hinsichtlich bestimmter genau bezeichneter anderer Urteile von der Antragstellerin Nichtigkeits- bzw. Restitutionsgründe dargetan worden sind.

Es ist ferner nicht ersichtlich, daß und inwieweit dem Urteil des FG ein Rechtssatz zugrunde liegt, der mit einer ebenfalls tragenden Erwägung einer Entscheidung des BFH oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht übereinstimmt. Nur dann wäre nämlich eine zur Zulassung der Revision führende Divergenz i. S. des § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO ordnungsgemäß bezeichnet. Aus der von der Antragstellerin vorgelegten Liste einzelner Urteile läßt sich jedenfalls eine Divergenz im oben genannten Sinne nicht entnehmen.

Schließlich sind für den Senat auch keine Verfahrensfehler i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erkennbar.

3. Der Ergänzungsantrag auf Gewährung von PKH für einen Antrag auf einstweilige Anordnung ist unzulässig, weil der BFH dafür nicht zuständig ist. Nach § 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 1 ZPO ist der Antrag auf Gewährung von PKH bei dem Prozeßgericht zu stellen. Als solches kommt bei einer erstrebten einstweiligen Anordnung gegen eine Pfändung aus dem Kostenansatz der Gerichtskasse nur das FG in Betracht (§ 114 Abs. 2 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420521

BFH/NV 1995, 636

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge