Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

Zu den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf grundsätzliche Bedeutung, Divergenz und Verfahrensmängel (hier: Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör) und deren Bedeutung für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3, § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 295

 

Gründe

Dem Antragsteller kann für seine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem dieses seine Klage gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) abgewiesen hat, die beantragte Prozeßkostenhilfe (PKH) nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Der Antragsteller hat Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 115 Abs. 2 Nrn.1 bis 3 FGO) nicht in der nach § 115 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO vorgeschriebenen Form und Frist dargelegt. Es ist deshalb für die Entscheidung über den Antrag auf PKH davon auszugehen, daß die Nichtzulassungsbeschwerde nach der für das PKH-Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung nicht entsprechend den für ihre Zulässigkeit erforderlichen Voraussetzungen erhoben und begründet worden ist.

Der Antragsteller stützt seine Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel.

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr.1 FGO) ist in der von dem früheren Prozeßbevollmächtigten gefertigten Beschwerdeschrift damit begründet worden, daß die Vorentscheidung gegen geltendes Recht verstoße. Das FG hätte bei Zugrundelegung der im Urteilszeitpunkt noch bestehenden Steuerschulden und Säumniszuschläge zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht mehr vorlägen. Diese Begründung, die allein auf die Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung abstellt, entspricht nicht den formellen Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde aufstellt. Denn der Antragsteller hat weder die maßgebliche Rechtsfrage, der er grundsätzliche Bedeutung beimißt, noch ihre über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende (allgemeine) Bedeutung dargelegt (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr.155).

2. Soweit die Beschwerde auf eine Abweichung des FG-Urteils von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. November 1984 V R 146/83 (BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370) gestützt wird (§ 115 Abs. 2 Nr.2 FGO), fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Bezeichnung der Divergenz (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu muß der Beschwerdeführer dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit dem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen die einander gegenübergestellten abstrakten Rechtssätze im Urteil des FG und in der Divergenzentscheidung des BFH so genau bezeichnet werden, daß eine Abweichung erkennbar wird (Klein/ Ruban, a.a.O., Rdnr. 162, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte). Der Antragsteller hat derartige voneinander abweichende abstrakte Rechtssätze im FG-Urteil und in der Divergenzentscheidung nicht dargelegt. Nach seiner Auffassung beruft sich das FG hinsichtlich des Bestehenbleibens von Säumniszuschlägen trotz des Gegenstandsloswerdens von Vorauszahlungsbescheiden durch die nachfolgende Veranlagung zu Unrecht auf § 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 und auf das zitierte BFH-Urteil, weil im Streitfall die Steuervorauszahlungsbescheide nichtig gewesen seien. Dieses Vorbringen vermag schon deshalb eine Divergenz nicht zu begründen, weil der BFH in dem bezeichneten Urteil nicht zu den Rechtsfolgen nichtiger Bescheide entschieden hat und auch das FG nicht von der Nichtigkeit der Vorauszahlungsbescheide ausgegangen ist.

3. a) Als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr.3 FGO) wird mit der Beschwerdeschrift mangelnde Sachaufklärung (§ 76 FGO) durch das FG gerügt. Der Antragsteller trägt vor, das FG hätte zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich des Verlangens der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gelangen müssen, wenn es einen aktuellen Kontoauszug über seine Rückstände beim Finanzamt (FA) angefordert und ausgewertet hätte. Unter Berücksichtigung der inzwischen ergangenen Einkommensteuerbescheide und Einspruchsentscheidungen ergäben sich erheblich geringere Steuerschulden als die bereits vom FA gepfändeten Geldbeträge.

Zur ordnungsgemäßen Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§§ 76, 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) gehört neben der genauen Bezeichnung der vom Beschwerdeführer angebotenen, aber nicht erhobenen Beweismittel - da es sich um einen verzichtbaren Mangel handelt (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZO) - auch der Vortrag des Beschwerdeführers, daß er den Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt hat. Wird mangelnde Sachaufklärung mit der Begründung gerügt, das FG habe auch ohne Beweisantritt von Amts wegen aufklären müssen, so ist für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge die genaue Angabe der Beweismittel erforderlich, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm auch ohne Antrag als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (Klein/Ruban, a.a.O., Rdnrn.170 und 171). Der Antragsteller hat nicht behauptet, daß das FG hinsichtlich der Höhe der noch bestehenden Steuerrückstände von ihm angebotene Beweise nicht erhoben hat. Es fehlen auch Angaben darüber, ob dem FG eine Veränderung der Sachlage (Änderung der Steuerfestsetzungen, Tilgungen) gegenüber den vollstreckbaren Steuerschulden, mit denen das FA die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung begründet hatte, bekannt war, so daß es Anlaß hatte, von sich aus der Frage nachzugehen, ob die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung noch vorlagen. Ferner hat der Antragsteller nicht vorgetragen, daß er in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Höhe der Rückstände die fehlende Sachaufklärung gerügt hat und daß nicht ein Verlust des Rügerechts nach § 295 ZPO eingetreten ist. Die Tatsachen, aus denen sich der gerügte Verfahrensmangel ergeben soll, sind somit nicht in der gesetzlich gebotenen Form bezeichnet worden (vgl. auch § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Schließlich ist auch in der Beschwerdeschrift nicht schlüssig vorgetragen worden, daß die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Denn darin sind noch offene Steuerbeträge benannt, deren Summe die angeblichen Geldpfändungen des FA erheblich übersteigen. Daß der Antragsteller die Abrechnungen, Mahnungen und Kontoauszüge des FA angefochten hat bzw. als fehlerhaft bezeichnet, vermag eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG nicht zu begründen.

Im übrigen hat das FG - wie in seinem Urteil angedeutet (,,Säumniszuschläge, die nach einer aktuellen Aufstellung des Beklagten immer noch über . . . DM ausmachen") und der Antragsteller nunmehr einräumt - auf Grund einer in der mündlichen Verhandlung vom FA vorgelegten Aufstellung über die Rückstände nach dem Stand vom selben Tage entschieden. Daraus folgt, daß der vom Antragsteller erhobene Vorwurf der mangelnden Sachaufklärung auch der Sache nach nicht gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller das der Entscheidung zugrunde liegende Beweismittel für geeignet und ausreichend hält und ob er die Beweiswürdigung des FG teilt.

b) Im Hinblick auf die dem FG-Urteil zugrunde gelegte Aufstellung über die Rückstände, die dem Gericht vom FA in der mündlichen Verhandlung überreicht worden ist, rügt der Antragsteller eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO). Er trägt vor, von der Existenz dieser Aufstellung habe er erst auf Grund der Beschwerdeerwiderung des FA Kenntnis erlangt, so daß er sich dazu in der mündlichen Verhandlung nicht habe äußern können. Es sei ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden, zu den die Entscheidung tragenden Steuerrückständen Einwände i.S. des § 258 AO 1977 vorzutragen.

Der Antragsteller kann sich im Verfahren über den PKH-Antrag auf die Verletzung rechtlichen Gehörs nicht mehr berufen, da im Zeitpunkt der Geltendmachung dieser Verfahrensrüge die für die Nichtzulassungsbeschwerde geltende Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils bereits abgelaufen war. In der innerhalb der Beschwerdefrist von dem früheren Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers eingereichten und gefertigten Beschwerdeschrift ist die Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht erhoben und auch ein dahin gehender Sachverhalt nicht angedeutet worden. Das mag darauf zurückzuführen sein, daß der Antragsteller von der Berücksichtigung der Rückstandsaufstellung nach dem Stande . . . in der angefochtenen Entscheidung erst durch die Beschwerdeerwiderung des FA positive Kenntnis erlangt hat. Wie oben ausgeführt, ergibt sich aber aus dem Urteil des FG, daß dieses seiner Entscheidung eine ,,aktuelle Aufstellung" des FA über die Rückstände zugrunde gelegt hat. Der frühere Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers hätte, wenn ihm oder dem Antragsteller eine derartige Aufstellung, die nach den weiteren Ausführungen im Urteil noch Säumniszuschläge von über . . . DM auswies, nicht bekannt war, innerhalb der für die Einlegung und Begründung geltenden Monatsfrist (§ 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rz.55) ggf. vorsorglich die Verletzung rechtlichen Gehörs rügen müssen. Er hätte dann - wie es die später bestellten, jetzigen Prozeßbevollmächtigten getan haben - im Wege der Akteneinsicht den Sachverhalt klären und die Beschwerdebegründung insoweit ergänzen können.

Da die Bewilligung der PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde u.a. davon abhängt, ob die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, kann nach Ablauf der Beschwerdefrist im PKH-Verfahren nicht erstmals ein (neuer) Verfahrensmangel geltend gemacht werden. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde konnte - anders als die Frist zur Stellungnahme zum PKH-Antrag - nicht verlängert werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz.52 und 56).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen Versäumung der Beschwerdefrist kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) nach seiner positiven Kenntnis von der Berücksichtigung der Rückstandsaufstellung . . . auf Grund der ihm übersandten Beschwerdeerwiderung des FA weder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt hat.

Im übrigen gehört zu einer schlüssigen Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§§ 115 Abs. 3 Satz 3, 120 Abs. 2 Satz 2 FGO), daß der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (Urteil des Senats vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355; Klein/Ruban, a.a.O., Rdnr.167). Diesen Anforderungen genügt auch die (verspätete) Verfahrensrüge der neuen Prozeßbevollmächtigten nicht. Denn deren Schriftsatz . . . enthält keine substantiierten Darlegungen dazu, inwieweit die dem Antragsteller und den Prozeßbevollmächtigten nunmehr bekannte Rückstandsaufstellung . . . nicht den Tatsachen entspricht. Der Hinweis auf ein anhängiges Erlaßverfahren betrifft mit den Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer . . . nur einen Bruchteil der in der Aufstellung des FA nach dem Stande . . . ausgewiesenen Gesamtrückstände, so daß er - bei rechtzeitiger Geltendmachung - auf die Entscheidung des FG über die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung keinen Einfluß hätte haben können.

Der PKH-Antrag war somit mangels Erfolgsaussicht der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde abzulehnen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 262

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