Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. Beantragt ein nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretener Antragsteller Prozeßkostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde, muß aufgrund der vom Antragsteller gegebenen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen geprüft werden, ob Zulassungsgründe i. S. v. § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.

2. Zur Frage, ob die Abzugsfähigkeit der Kosten einer Reise als Betriebsausgaben grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat.

3. Kein Verfahrensmangel i. S. v. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Unrichtigkeiten und Unklarheiten im Tatbestand des FG- Urteils, deren Berichtigung nach § 108 FGO beantragt werden kann.

4. Der Einwurf der Mitteilung über die Niederlegung des zu übergebenden Schriftstücks (§ 182 ZPO) in den Hausbriefkasten genügt für die Wirksamkeit der Ersatzzustellung, auch wenn der Zustellungsadressat unter der Anschrift seiner (nicht aufgegebenen) Wohnung einen Nachsendungsantrag gestellt hat.

5. Hinsichtlich der vor dem FG nicht benannten Beweismittel kann die Rüge mangelnder Sachaufklärung nur dann zum Erfolg führen, wenn sich dem FG die Beweiserhebung nach Lage der Akten und dem Ergebnis der Verhandlung aufdrängen mußte.

6. Bei Rechtsstreitigkeiten über die Einkommensteuer zusammenveranlagter Ehegatten bedarf es der Beiladung des jeweils anderen Ehegatten nicht.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, § 142 Abs. 1-2, §§ 76, 60 Abs. 3; ZPO §§ 114, 182

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 17.04.1989; Aktenzeichen 1 BvR 1568/88)

 

Tatbestand

Der Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) war im Streitjahr Rechtsanwalt und daneben als Schriftsteller tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er ,,Reisekosten nach New York (UN und Mandant)" in Höhe von 3 862 DM geltend. Den Verlauf der Reise erläuterte er gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) wie folgt: Er habe sich zunächst zu Gesprächen mit einer Mandantin, die er in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht B vertrete, und zu Bewerbungsgesprächen mit den Vereinten Nationen und der Ford- Foundation in New York aufgehalten. Anschließend habe er eine Rundreise unternommen, die nach Kanada, Ontario und Niagara geführt habe, um dort ein von ihm verfaßtes juristisches Fachbuch vorzustellen.

Das FA ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu.

Auch die nach erfolglosem Einspruchsverfahren dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) u. a. aus, der Antragsteller habe keinen Bezug der - im übrigen auch der Höhe nach nicht nachgewiesenen - Aufwendungen zu seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt deutlich machen können. Sowohl die Ausführungen zum Besuch seiner Mandantin als auch zu seiner Bewerbung wiesen Unstimmigkeiten auf. Angesichts der prozessualen Frage seien Erörterungen mit seiner Mandantin auch ersichtlich überflüssig gewesen. Der Antragsteller habe im übrigen weder angegeben, mit wem er, wann und wo er auf seiner Rundreise durch Kanada über die Vorstellung des von ihm verfaßten Buches verhandelt habe, noch ergäben sich aus dem bekannten Sachverhalt Anhaltspunkte dafür, daß das Aufsuchen bestimmter Orte in Kanada erforderlich oder eindeutig zweckmäßig gewesen sei, um die Verbreitung seines Buches zu fördern.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit Schreiben vom 25. November 1986 an den Bundesfinanzhof (BFH) beantragte der Antragsteller, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG zu gewähren. In seinem Schreiben führte er zur Begründung u. a. aus, die Rechtsverfolgung biete hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es handle sich um eine Sache von grundsätzlicher Bedeutung. Das FG habe außerdem mehrfach Verfahrensverstöße begangen, auf denen das Urteil beruhe.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf PKH ist nicht begründet. Er wird abgelehnt.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mitwillig erscheint.

Offenbleiben kann im Streitfall, ob dem Antragsteller gegen seine Ehefrau, die ein monatliches Einkommen von 1 260 DM bezieht, nach § 1360 a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses zusteht und er deshalb auf PKH nicht angewiesen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Juli 1984 VIII B 142/81, nicht veröffentlicht). Auch die Vermögensverhältnisse, insbesondere die mit 25 000 DM angegebenen Kredite, bedürfen keiner weiteren Erklärung.

Jedenfalls bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision - bei summarischer Prüfung (vgl. Beschluß des BFH vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Auch wenn der Senat den Rechsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen heranzieht (BFH-Beschluß vom 12. November 1987 V S 17/87, BFH / NV 1988, 264), ergibt sich, daß kein Zulassungsgrund i. S. v. § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

Die mit dem Abzug der Kosten der Reise als Betriebsausgaben im Streitfall verbundenen Rechtsfragen sind geklärt; sie haben keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Für den Abzug der Kosten einer Reise als Betriebsausgaben ist maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten veranlaßt sind und die Befriedigung privater Interessen, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70; Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, kommt es in erster Linie auf den Zweck dieser Reise an. Der betriebliche Zweck muß sich anhand objektiver Merkmale genügend klar feststellen lassen. Den Steuerpflichtigen trifft insoweit die Feststellungslast (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).

Das FG ist bei seiner Entscheidung auch weder von diesen Grundsätzen noch von anderen Entscheidungen des BFH abgewichen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Aufgrund der Würdigung der Umstände des Streitfalles hat es sich nicht von den behaupteten betrieblichen Zwecken der Reise überzeugen können. Dabei konnte es - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch das Fehlen der Erforderlichkeit und der Zweckmäßigkeit der Aufwendungen als Anzeichen dafür werten, daß die Aufwendungen aus außerbetrieblichen Erwägungen gemacht wurden (BFH-Urteil vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373).

Ob die Würdigung des Sachverhalts durch das FG als zwingend oder als zutreffend angesehen werden kann, ist im übrigen für das Vorliegen einer Abweichung ohne Bedeutung (BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211).

Auch für einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Kein Verfahrensmangel i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Unrichtigkeiten und Unklarheiten im Tatbestand des FG- Urteils, deren Berichtigung nach § 108 FGO beantragt werden kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 32). Auch nach der Ablehnung des entsprechenden vom Antragsteller gestellten Antrags können die Voraussetzungen des § 108 FGO nicht mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden (Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 108 Anm. 6). Das in diesem Zusammenhang vom Antragsteller ebenfalls gerügte Fehlen seiner Berufsbezeichnung im Urteil des FG ist nach Lage der Dinge nicht zu beanstanden. Davon abgesehen dient das Erfordernis dem Ausschluß von Zweifeln an der Identität der Beteiligten, die hier nicht bestehen (Gräber / von Groll, a.a.O., § 105 Anm. 8).

Auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht zu erkennen. Zwar ist sie dann gegeben, wenn gegen den nichterschienenen Beteiligten trotz Fehlens einer ordnungsgemäßen Ladung entschieden wird (Gräber / Ruban, a.a.O., § 119 Anm. 15, m.w.N.). Dies ist hier aber nicht der Fall.

Nach § 53 FGO war die Ladung des Antragstellers durch Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) zu bewirken. Das FG hat die nach § 2 VwZG mögliche Form der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gewählt (§ 3 VwZG). Gegenüber dem nach Auskunft der Anwaltskammer nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen Antragsteller konnte die vereinfachte Zustellung (§ 5 Abs. 2 VwZG) nicht in Betracht kommen.

Die Förmlichkeiten der im Streitfall erfolgten Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 3 Abs. 3 VwZG, § 182 ZPO) sind gewahrt. Die Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Postanstalt nach § 182 ZPO setzt u. a. voraus, daß ein Zustellungsversuch in der ,,Wohnung" des Zustellungsempfängers unternommen und dieser dort nicht angetroffen wird (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 20. August 1985 1 DB 35/85, BVerwGE 83, 40).

Nicht jede vorübergehende Abwesenheit, selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft als ,,Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Jedenfalls kann die ,,Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften auch bei längerer Abwesenheit erhalten bleiben, wenn die Rückkehr zu erwarten ist (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 18. September 1957 V ZR 209/55, Lindenmaier / Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 328 BGB Nr. 15). Davon konnte im Streitfall angesichts der vom Antragsteller vorgetragenen - behebbaren - Schäden an den sanitären Anlagen ausgegangen werden. Dies bestätigt auch die nunmehr dem Senat gegenüber abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in der der Antragsteller als Wohnanschrift erneut die damalige Zustelladresse angegeben hat.

Nach dem Urteil des BFH vom 4. Juni 1987 V R 131/86 (BFHE 150, 305, BStBl II 1988, 392) genügt der Einwurf der Mitteilung in den Hausbriefkasten des Zustellungsadressaten für die Wirksamkeit der Ersatzzustellung gemäß § 182 ZPO, auch wenn der Zustellungsadressat unter der Anschrift seiner (nicht aufgegebenen) Wohnung einen Nachsendungsantrag bei der Deutschen Bundespost gestellt hat (§ 58 Abs. 1 der Postordnung - PostO -), der sich nicht auf Postzustellungsaufträge bezieht (§ 39 PostO). Im Streitfall hat der Antragsteller aber auch schuldhaft die (ihm zugestellte) Ladung nicht beachtet und deshalb den Termin versäumt. Nach den vorliegenden Feststellungen des FG hat er das niedergelegte Schriftstück, das ihm - wie auf Antrag möglich - auf seine Kosten als gewöhnliche Sendung zugesandt werden sollte, wegen der angefallenen Nachgebühr nicht angenommen. Da dem Antragsteller somit Gelegenheit zum Vorbringen in der mündlichen Verhandlung gegeben worden ist, kommt es nicht darauf an, ob der Vorsitzende einen (erneuten) Erörterungstermin möglicherweise entgegen seiner Zusage nicht angesetzt hat. Davon abgesehen war der Antragsteller zum Erörterungstermin am 1. November 1985 trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht erschienen.

Da das rechtliche Gehör im Gerichtsverfahren durch den vom Antragsteller benannten Art. 6 Abs. 1 der Menschen- rechtskonvention keine Weiterungen erhält (vgl. Maunz / Dürig / Herzog, Grundgesetz, Art. 103 Anm. 97), kann auch insoweit ein Verstoß nicht in Betracht kommen.

Hinsichtlich der im finanzgerichtlichen Verfahren nicht benannten - nunmehr vom Antragsteller erstmals bezeichneten - Beweismittel könnte die - insoweit in Betracht kommende - Rüge mangelnder Sachaufklärung nur dann zum Erfolg führen, wenn sich dem FG die Beweiserhebung nach Lage der Akten und dem Ergebnis der Verhandlung aufdrängen mußte (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 76 FGO Tz. 7). Für die vom Antragsteller bezeichneten Zeugen und sonstigen Unterlagen trifft dies eindeutig nicht zu. Entgegen seiner Darstellung hat der Antragsteller auch die Akten des Senators für Justiz nicht als Beweismittel benannt. In seiner Klageschrift - dem einzigen im Klageverfahren an das FG gerichteten Schriftsatz - hat er lediglich bestimmte - vom FG auch beigezogene - Akten des Landgerichts B angegeben.

Schließlich kann das Unterlassen der Beiladung der Ehefrau ebenfalls nicht als Verfahrensverstoß geltend gemacht werden. Bei zusammenveranlagten Ehegatten bedarf es nach der Rechtsprechung des BFH der Beiladung des jeweils anderen Ehegatten nicht (vgl. Beschluß vom 20. Januar 1972 I B 51/68, BFHE 104, 45, BStBl II 1972, 287).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416007

BFH/NV 1989, 384

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