Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

Wenn ein nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretener Antragsteller Prozeßkostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, muß aufgrund der vom Antragsteller gegebenen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen geprüft werden, ob Zulassungsgründe i. S. von § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, § 142 Abs. 1-2; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) setzte gegen den seinerzeit als Architekt tätigen Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) Umsatzsteuer für 1969 bis 1979 nach Erklärung (1969, 1972 bis 1974), auf einen Änderungsantrag des Antragstellers (1970), nach den Angaben des Antragstellers (1971), im Einvernehmen mit ihm (1976 und 1977) und aufgrund von Einsprüchen (1978 und 1979) fest. Die Umsatzsteuerbescheide 1969 bis 1979 sind unanfechtbar geworden. Bei einer Schlußbesprechung im Rahmen einer Betriebsprüfung der Jahre 1980 bis 1983 im September 1985 überreichte der Antragsteller dem Betriebsprüfer sog. Nachberechnungen zu den Umsatzsteuerbescheiden 1969 bis 1979, die das Datum des 1. März 1985 trugen. Er errechnete darin Steuererstattungen, mit denen er gegen Ansprüche auf Steuernachzahlungen aufgrund der Betriebsprüfung aufrechnen wollte. Das FA behandelte die Nachberechnungen als Anträge auf Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide für 1969 bis 1979. Es lehnte die Anträge durch Bescheid vom 1. Oktober 1985 ab. Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung u. a. aus, den Antragsteller treffe ein grobes Verschulden daran, daß Tatsachen und Beweismittel erst nachträglich bekannt geworden seien (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das erwähnte finanzgerichtliche Verfahren durch Beiordnung eines Bevollmächtigten hat das FG durch Beschluß vom 30. April 1987 wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.

In einem am 26. Juni 1987 bei dem FG eingegangenen Schreiben legt der Antragsteller Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision gegen das ihm am 27. Mai 1987 zugestellte Urteil des FG ein und bittet, dafür Sorge zu tragen, ,,daß mir daselbst Prozeßkostenhilfe gewährt" werde. In dem Schreiben führt er zur Begründung u. a. aus, die Steuerfestsetzungen seien unrichtig. Erst nach dem Beginn der Vollstreckung habe er sämtliche Steuererklärungen unter Auswertungen von Rechnungen, Belegen und eingegangenen Zahlungen überarbeitet. Wegen der ,,strittigen, angeblichen Fristversäumnis" verweist der Antragsteller auf Ausführungen in einer Beschwerde, die sich auf Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1980 bis 1983 bezieht.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat geht davon aus, daß der Antragsteller keine Beschwerde gegen die Ablehnung seines Prozeßkostenhilfegesuchs durch das FG eingelegt, sondern einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG vom 30. April 1987 II 78/86 K gestellt hat. Dieser Antrag ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Eine Beschwerde gegen den Beschluß des FG über die Ablehnung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren vor dem FG wäre unzulässig, weil der Kläger sie erst am 26. Juni 1987, damit nicht innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), eingelegt hat. Die Beschwerdefrist begann mit der Zustellung des Beschlusses am 27. Mai 1987 (§ 129 Abs. 1, § 54 Abs. 2 FGO, § 221 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 187 Abs. 2, § 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

2. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist jedoch nicht begründet. Er wird abgelehnt.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG Bremen bietet bei summarischer Prüfung (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auch wenn der Senat den Rechtsstandpunkt des im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht durch einen Bevollmächtigten vertretenen Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 12. Februar 1965 V ER 224/64, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1965, 1293; Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 20. November 1953 IV ZB 83/53, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 118 ZPO Nr. 8) heranzieht (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526), ergibt sich, daß kein Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die mit dem Antrag auf Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 im Streitfall verbundenen Rechtsfragen (Begriff und Umfang des Verschuldens) sind höchstrichterlich geklärt. Danach kann grobes Verschulden dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Angaben macht (BFH-Urteile vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 29. Juni 1984 VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693) oder seiner Erklärungspflicht nicht nachkommt (BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120). An die tatsächlichen Feststellungen des FG, daß der Steuerpflichtige grob fahrlässig gehandelt hat, ist der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161). Danach hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Das FG ist bei seiner Entscheidung auch nicht von Entscheidungen des BFH abgewichen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ist ebenfalls nicht erkennbar.

3. Für das Antragsverfahrens war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415443

BFH/NV 1988, 264

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