Entscheidungsstichwort (Thema)

Nacherhebung der GrESt trotz Kenntnis aller entscheidungswesentlichen Umstände

 

Leitsatz (NV)

Die Frage, ob das Finanzamt die Grunderwerbsteuer nach vorangegangener vorläufiger Steuerbefreiung nach den früheren landesrechtlichen GrESt-Gesetzen nacherheben darf bzw. der Anlauf der Festsetzungsfrist auch dann gehemmt ist, wenn das FA bereits im Zeitpunkt der Gewährung der vorläufigen Steuerbefreiung aufgrund der ihm bekannten entscheidungswesentlichen Umständen zu dem Ergebnis hätte kommen können, daß die Voraussetzungen für die beantragte Steuerbefreiung nicht vorliegen, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der BFH hat sich in einer Vielzahl von Entscheidungen mit diesem Fragenkomplex umfassend und abschließend befaßt.

 

Normenkette

GrEStGNW § 16a S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) kann keinen Erfolg haben.

1. Die vom Kläger für allgemein klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Steuer nach vorangegangener vorläufiger Steuerbefreiung nacherheben dürfe bzw. der Anlauf der Festsetzungsverjährungsfrist gehemmt sei, wenn das FA bereits im Zeitpunkt der Gewährung der vorläufigen Steuerbefreiung aufgrund der ihm bekannten entscheidungswesentlichen Umstände zu dem Ergebnis hätte kommen können, daß die Voraussetzungen für die beantragte Steuerbefreiung nicht vorliegen, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in einer Vielzahl von Entscheidungen mit diesem Fragenkomplex umfassend und abschließend befaßt. Der vorliegende Streitfall wirft keine weiteren klärungsbedürftigen Fragen auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteile vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609; vom 13. Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374; vom 11. Juli 1985 II R 106/82, BFHE 144, 169, BStBl II 1985, 593, und vom 22. Juli 1987 II R 92/85, BFH/NV 1988, 664) hat die materiell vorläufige Steuerbefreiung zur Folge, daß das FA während der Überwachungsfrist von fünf Jahren ohne jede Einschränkung die Frage prüfen darf und muß, ob die Voraussetzungen für eine materiell endgültige Steuerbefreiung mit der Fertigstellung des Bauvorhabens erfüllt worden sind. Dies gilt selbst dann, wenn die materiell vorläufige Befreiung fehlerhaft war (Urteil in BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374, und Urteil in BFH/NV 1988, 664, 665) und das FA bei sorgfältiger Überprüfung hätte feststellen können, daß die Voraussetzungen für eine materiell vorläufige Steuerbefreiung nicht vorlagen. An diesen Grundsätzen hat der BFH bislang ohne jede Einschränkung festgehalten (vgl. Beschluß vom 18. Dezember 1991 II B 91/91, BFH/NV 1992, 771; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. März 1987 II R 72/84, BFH/NV 1988, 595, 596). Der Senat hat mit dieser Rechtsprechung berücksichtigt, daß im Laufe der Zeit die im Zusammenhang mit Grundstückskaufverträgen abgeschlossenen Vertragswerke immer umfangreicher und komplizierter geworden sind, so daß der Sachverhalt vor seiner Verwirklichung im Rahmen der Entscheidung über die materiell vorläufige Steuerbefreiung grunderwerbsteuerrechtlich nicht abschließend beurteilt werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Juli 1987 II B 31/87, BFH/NV 1989, 45). Hinzu kommt, daß unabhängig von dem Vertragswerk auch dem tatsächlichen Ablauf, der Ingangsetzung und Durchführung der Baumaßnahme eine Rolle zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 10. September 1986 II R 9/84, BFH/NV 1987, 737). Damit ist die vom Kläger für grundsätzlich gehaltene Frage geklärt. Auf den Umfang der Kenntnisse des FA im Zeitpunkt der Gewährung der vorläufigen Steuerbefreiung kommt es deshalb nicht an. Selbst wenn dem FA in diesem Zeitpunkt alle entscheidungserheblichen Umstände bekannt sind, ist das FA dadurch nicht gehindert, die Steuer nachzuerheben.

Die Kenntnis des Vertragswerkes steht nach der Rechtsprechung des Senats auch der Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsverjährungsfrist nach § 16a Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Nordrhein-Westfalen nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 1987 II R 138/84, BFH/NV 1988, 327, 328). Die besonderen Umstände des Verfahrens II B 91/91 (vgl. BFH/NV 1992, 771 unter 2.) liegen nach den Feststellungen des FG nicht vor. Im übrigen könnte diese Rechtsfrage im Rahmen eines nach Zulassung der Revision möglichen Revisionsverfahrens nicht geklärt werden, da diese im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Denn durch die vorläufige Freistellung wird die Entstehung der Grunderwerbsteuer auch dann grundsätzlich bis zur Fertigstellung des Bauvorhabens hinausgeschoben, wenn das FA bei gründlicher Prüfung der eingereichten Verträge hätte erkennen können, daß eine Steuerbefreiung nicht in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1990 II R 41/87, BFH/NV 1991, 702). Da im Streitfall das Gebäude erst 1983 fertiggestellt wurde, konnte die nachzuerhebende Steuer auch erst im Jahre 1983 entstehen, so daß unter Zugrundelegung der regelmäßigen Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung durch das FA (1987) noch nicht abgelaufen war.

Die vom Kläger angesprochenen Urteile vom 20. Dezember 1982 II R 31/88 (BStBl II 1990, 234) und vom 12. Juni 1991 II B 151/90 (BFH/NV 1992, 556) berühren den vom Kläger für grundsätzlich gehaltenen Fragenkomplex nicht. In beiden Fällen geht es nicht um die Nacherhebung von Grunderwerbsteuer nach vorangegangener vorläufiger Freistellung.

Soweit der Kläger auf Widersprüchlichkeiten in der Auffassung der Finanzverwaltung bzw. auf unterschiedliche Entscheidungen des FG hinweist, vermag dies angesichts der gefestigten Rechtsprechung des BFH keine grundsätzliche Bedeutung zu begründen.

2. Hinsichtlich der behaupteten Divergenz und der geltend gemachten Verfahrensmängel ist die Beschwerde unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung entspricht.

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 407

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