Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen Entscheidung des FG über Aussetzung der Vollziehung nur auf Zulassung des FG hin gegeben

 

Leitsatz (NV)

1. Gegen den Beschluß eines FG wegen Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde an den BFH nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des BFH nur zu, wenn sie das FG in dem Beschluß zugelassen hat.

2. Wenn für eine solche Zulassung § 115 Abs. 2 FGO entsprechend gilt, so besagt dies nur, daß die in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Kriterien für eine solche Zulassung maßgeblich sind.

3. Die Entscheidung über die Zulassung selbst ist jedoch in die ausschließliche Zuständigkeit des FG gestellt. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung eines Rechtsmittels ist für den Fall der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung im Gesetz nicht vorgesehen.

4. Legt ein Antragsteller trotz fehlender Zulassung Beschwerde ein und erledigt sich während des Beschwerdeverfahrens die Hauptsache infolge Nachgebens des FA, so müssen die Kosten des Verfahrens dennoch dem Antragsteller auferlegt werden, weil sein Rechtsmittel unzulässig gewesen ist.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; FGO § 69 Abs. 2-3, § 115 Abs. 2, § 138 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Das Finanzgericht (FG) hatte durch Beschluß vom 30. Januar 1989 den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 1984 und die des Gewerbesteuermeßbetragsbescheids 1984 teilweise auszusetzen, abgelehnt. Die Beschwerde dagegen hat es in seiner Entscheidung nicht zugelassen.

In der Hauptsache ist streitig, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden darf, wenn der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin die Klageschrift nicht vor Ablauf der Klagefrist unterschrieben hat. Das FG hatte wegen Fehlens einer Unterschrift unter der Klageschrift keine ordnungsmäßige Klage angenommen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines persönlichen, den § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausschließenden Verschuldens des Prozeßbevollmächtigten abgelehnt.

Mit ihrer Beschwerde begehrte die Antragstellerin ursprünglich, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) hat während des Beschwerdeverfahrens durch Verfügung vom 6.April 1989 die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 1984 und des Gewerbesteuermeßbetragsbescheids 1984 ausgesetzt. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beteiligten beantragen, jeweils dem Gegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Der Rechtsstreit ist erledigt. Die Beteiligten haben ihn übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

2. Der Senat hat nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung ist gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen (Beschluß des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 3.Februar 1976 VII B 27/74, BFHE 118, 139, BStBl II 1976, 381). Danach waren die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen. Ihr Rechtsmittel konnte keinen Erfolg haben. Es war unzulässig.

Gemäß Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 3. Dezember 1987 (BGBl I 1987, 2442, BStBl I 1987, 800) steht den Beteiligten die Beschwerde gegen den Beschluß eines FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für eine solche Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend.

Die Auslegung der Vorschrift, für die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126) in erster Linie der im Wortlaut zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, ergibt, daß eine Beschwerde gegen Entscheidungen des FG im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO an die Zulassung in der finanzgerichtlichen Entscheidung gebunden ist. Der Hinweis auf § 115 Abs. 2 FGO besagt lediglich, daß die dort unter Nrn. 1 bis 3 genannten Kriterien für eine solche Zulassung maßgebend sind. Die Entscheidung über die Zulassung selbst ist jedoch in die ausschließliche Zuständigkeit des FG gestellt. Denn eine Beschwerde wegen der Nichtzulassung eines Rechtsmittels ist für Fälle der Aussetzung der Vollziehung im Gesetz nicht vorgesehen. Das ergibt sich aus Art. 1 Nr. 3 Satz 2 BFHEntlG, der ausdrücklich nur § 115 Abs. 1 FGO, nicht aber auch Abs. 3 anführt (vgl. Beschlüsse des BFH vom 22. Januar 1976 V B 91/75, BFHE 117, 531, BStBl II 1976, 241, und vom 23. Januar 1976 VI B 144/75, BFHE 117, 440, BStBl II 1976, 120).

Bei dieser Rechtslage wäre es unbillig, die Finanzbehörde auch nur mit einem kleinen Teil der Kosten zu belasten. Die Antragstellerin und ihr Prozeßbevollmächtigter hätten die besonderen Vorschriften für Rechtsmittel gegen einen Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO in Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG kennen müssen. Unter diesen Umständen ist unbeachtlich, aus welchen Gründen das FA die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide letztlich doch noch ausgesetzt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416563

BFH/NV 1990, 447

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