Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe; Beschwerdefrist

 

Leitsatz (NV)

Anders als im Zivilprozeß ist im Steuerprozeß die Beschwerde gegen den die Prozeßkostenhilfe ablehnenden Beschluß des FG fristgebunden.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 142 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2, § 114 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) - Eheleute - wenden sich mit ihrer gemeinschaftlichen Beschwerde dagegen, daß das Finanzgericht (FG) es durch Beschluß vom 27. Januar 1987 abgelehnt hat, ihnen Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen für ihre Verpflichtungsklage gegen das Finanzamt (FA) wegen Erlasses von 8 867 DM Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen. Der Ablehnungsbeschluß des FG war den Beschwerdeführern am 17. Februar 1987 zugestellt worden. Ihre Beschwerde ging am 6. März 1987 beim FG ein. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt.

Die Geschäftsstelle des BFH hat die Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, daß die Frist zur Einlegung der Beschwerde mit Ablauf des 3. März 1987 geendet hatte und die Beschwerde sonach verspätet eingegangen sei; sie hat auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Daraufhin haben die Beschwerdeführer geltend gemacht, die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß des FG sei unbefristet. Denn die Zivilprozeßordnung (ZPO), auf deren Vorschriften § 142 FGO verweise, kenne ,,für die Beschwerde gegen den die Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß . . . keine Befristung". Rein ,,vorsorglich" werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Sie seien ohne Verschulden verhindert gewesen, die Beschwerdefrist einzuhalten, weil ,,aus dem Gesetz die Befristungsmöglichkeit nicht unmittelbar abgelesen werden" könne.

 

Entscheidungsgründe

Die gemeinschaftliche Beschwerde der Beschwerdeführer ist durch Beschluß zu verwerfen, weil sie unzulässig ist (§ 132, § 155 FGO i.V.m. § 574 ZPO). Unzulässig ist sie, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt worden ist (§ 129 Abs. 1 FGO). Die Frist für die Einlegung der Beschwerde endete mit Ablauf des 3. März 1987; die Beschwerde ist aber erst am 6. März 1987, also um drei Tage zu spät, beim FG eingegangen.

Anders als im Zivilprozeß ist im Steuerprozeß die Beschwerde gegen den die PKH ablehnenden Beschluß des FG fristgebunden. Die Vorschrift des § 142 Abs. 1 FGO steht dem nicht entgegen. Durch sie ist vorgeschrieben, daß die ,,Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe sinngemäß" gelten. Gemeint sind damit die Vorschriften der ZPO nur hinsichtlich der ,,Bewilligung" von PKH, nicht auch hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens in Sachen PKH (BFH-Beschluß vom 15. Dezember 1967 III B 13/66, BFHE 91, 300, 301, BStBl II 1968, 310, betreffend Armenrecht).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist kann den Beschwerdeführern nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden verhindert waren, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). ,,Ohne Verschulden verhindert", eine gesetzliche Frist (z.B. die Frist zur Einlegung der Beschwerde) einzuhalten, ist jemand nur dann, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat (BFH-Beschluß vom 28. Mai 1986 II R 68/84, BFH/NV 1987, 306). Diese Sorgfalt haben zwar die Beschwerdeführer selbst insofern beachtet, als sie einen Rechtsanwalt und Steuerberater bevollmächtigt haben, sie im Beschwerdeverfahren vor dem BFH zu vertreten, wie dies dem Gebot des Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs entsprach. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt und Steuerberater aber hat die gebotene Sorgfalt insofern nicht beachtet, als er den in der Rechtsmittelbelehrung enthaltenen Hinweis des FG über die Frist für die Einlegung der Beschwerde nicht befolgt hat, obwohl dieser dem Gesetz (§ 142 Abs. 1, § 129 Abs. 1 FGO) in seiner Auslegung durch den BFH entsprach: Der BFH hat in dem erwähnten Beschluß in BFHE 91, 300, 301, BStBl II 1968, 310 ausgesprochen, daß ,,gegen den das Armenrecht verweigernden Beschluß des Finanzgerichts . . . nur die fristgebundene Beschwerde nach den §§ 128 f. FGO gegeben" ist, und hat dies näher begründet. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Beschwerdeführer gleich (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 49

BFH/NV 1988, 659

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