Literatur: Vogel, DStR 1990, 191; Woring, DStZ 1993, 359

Da die Berufstätigkeit "Anlass" der Aufwendungen sein muss (Rz. 11ff.), können nach der Pensionierung regelmäßig nur noch nachträgliche Werbungskosten anfallen (Rz. 32), nicht dagegen laufende Werbungskosten. Ist die Berufstätigkeit aufgegeben, ist es praktisch kaum denkbar, dass noch Werbungskosten, die nicht nachträgliche Werbungskosten sind, durch diese (aufgegebene) Berufstätigkeit veranlasst sind.[1] Allerdings ist das Veranlassungsprinzip nicht so zu verstehen, dass ohne den Aufwand die Einnahmen nicht erzielt würden; es genügt ein objektiver, durch die Zielrichtung der Aufwendungen hergestellter Bezug zu der (früheren) Berufstätigkeit. Daher können insbesondere nach der Aufgabe bzw. dem Wechsel der Tätigkeit noch Werbungskosten entstehen (Übergangskosten), z. B. Aufwendungen zur Einarbeitung eines Nachfolgers (Fahrtkosten, Kosten der Abwicklung anhängiger Fälle[2] usw.).

Sonderfälle in diesem Bereich sind solche, in denen der Stpfl. nicht nur übergangsweise, sondern auf Dauer nach der Pensionierung in seinem Tätigkeitsbereich noch tätig ist, ohne dadurch zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Beispiele sind etwa ein entpflichteter Hochschullehrer (Professor), der weiterhin Vorlesungen hält, Doktoranden betreut, usw., ein Geistlicher (Pfarrer, Pastor, Priester), der nach der Pensionierung noch seelsorgerisch etc. tätig ist, oder ein Arzt, der nach der Pensionierung bestimmte Patienten, zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht, weiter betreut, oder ein pensionierter Angestellter, der seinem Arbeitgeber weiterhin unentgeltlich zu bestimmten Beratungen zur Verfügung steht.[3] In allen diesen Fällen wird der Stpfl. weiterhin in seinem Tätigkeitsbereich tätig, ohne dass hierdurch zusätzliche Einnahmen erzielt werden.[4] M. E. sind die mit dieser Tätigkeit verbundenen Aufwendungen (z. B. Fahrtaufwendungen) Werbungskosten, weil sich die Tätigkeit als ein üblicher und ggf. sogar erwarteter Reflex der früheren aktiven Tätigkeit darstellt. Zu den Besonderheiten der aktiven Tätigkeit (etwa aufgrund der dadurch gewonnenen Vertrauensstellung, des gewonnenen Wissens etc.) gehört eine gewisse weitere Tätigkeit nach der Pensionierung. Diese Tätigkeit ist daher objektiv durch die frühere aktive Berufstätigkeit veranlasst und kann als Reflex nicht von ihr getrennt werden, etwa nicht als neue, selbstständige Tätigkeit eingeordnet werden.[5]

Der BFH [6] hat für einen entpflichteten Professor jedoch den Werbungskostenabzug abgelehnt, weil die (freiwillige) Tätigkeit keine Gegenleistung für den Bezug der Einnahmen (Ruhegeld) darstellte. Weiter hat der BFH es aber als unbillig angesehen, den Werbungskostenabzug zu untersagen, soweit die Aufwendungen durch die freiwillige Lehrtätigkeit entstanden sind, wenn diese Aufwendungen nicht in Missverhältnis zu dem Umfang der Lehrtätigkeit stehen. Er hält deshalb insoweit einen Billigkeitserlass für erforderlich. Wenn dadurch das gleiche Ergebnis erreicht wird wie bei einer Anerkennung der Werbungskosten, kann diese Lösung systematisch doch nicht überzeugen. Statt den Weg über einen Billigkeitserlass zu wählen, wäre eine entsprechende Interpretation des Begriffs der Werbungskosten, anknüpfend an die Veranlassung durch die bisherige Berufstätigkeit, besser.

Anders liegt der Fall jedoch bei einem Wissenschaftler, der nach der Pensionierung weiterhin forschend auf seinem Wissensgebiet tätig ist, ohne dass Veröffentlichungen (und damit Einnahmen) angestrebt werden. Eine solche Forschungstätigkeit ist nicht mehr ein bloßer Reflex der vorherigen aktiven Tätigkeit, sondern eine aus dem persönlichen Interesse begründete selbstständige Tätigkeit, die, mangels Einnahmen bzw. mangels Gewinnerzielungsabsicht, als Liebhaberei einzuordnen ist (§ 2 EStG Rz. 75ff.).[7]

[1] FG Rheinland-Pfalz v. 25.1.1995, 1 K 1108/94, EFG 1995, 512 für einen auf Dauer arbeitsunfähigen Arbeitnehmer.
[3] Niedersächsisches FG v. 8.6.1993, III 211/91, EFG 1994, 141 für einen Pfarrer bei Weiterführung eines kirchlichen Amts.
[6] BFH v. 9.11.1993, VI R 24/93, BStBl II 1994, 238; ebenso FG Berlin v. 20.2.1980, II 315/79, EFG 1980, 388 für einen Pfarrer; FG Hamburg v. 20.2.1986, V 140/84, EFG 1986, 555; Hessisches FG v. 25.9.1990, 9 K 9285/85, EFG 1991, 75 für einen entpflichteten Professor.

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