Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbbauzinsen bei Vermögensteuerhauptveranlagung

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; BewG 1974 § 16

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bestellte 1968 für die Dauer von 99 Jahren zugunsten Dritter Erbbaurechte an Grundstücken, die sich in seinem Privatvermögen befinden. Bei der Vermögensteuerhauptveranlagung auf den 1.Januar 1974 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den Anspruch auf den Erbbauzins beim sonstigen Vermögen mit dem Kapitalwert an. Diesen hatte das FA auf der Grundlage des ungekürzten Jahreswertes unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 111 Nr.9 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt. Die auf dem Erbbauzinsanspruch beruhende Vermögensteuer konnte der Kläger aus den Erträgen bestreiten, die ihm ―nach Abzug der Einkommensteuerschuld― von den vereinnahmten Erbbauzinsen verblieben waren.

Der Einspruch, mit dem der Kläger die Begrenzung des Jahreswertes entsprechend der Regelung des § 16 Abs.2 BewG 1965 begehrte, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Wertermittlung des FA sei nicht zu beanstanden. Denn § 16 Abs.2 BewG 1965 ―eingeführt als § 17a Abs.2 BewG 1934 durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10.August 1963 (ÄndG-BewG 1963), BGBl I 1963, 676, BStBl I 1963, 608―, der eine Begrenzung des Jahreswertes von Erbbauzinsen auf den achtzehnten Teil des steuerlichen Wertes des erbbaubelasteten Grundstücks vorgesehen habe, sei zum streitigen Veranlagungszeitpunkt in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ersatzlos aufgehoben worden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art.20 Abs.3, 28 Abs.1 des Grundgesetzes ―GG―), des Gleichheitssatzes (Art.3 Abs.1 GG) sowie der Eigentumsgarantie (Art.14 GG). Er macht geltend, ab dem 1.Januar 1974 treffe Erbbauzinsberechtigte eine übermäßige Abgabenpflicht. Diese beruhe zum einen auf der Doppelbelastung der Erbbauzinsen mit Einkommen- und Vermögensteuer. Zum anderen sei der Abzug der Vermögensteuer bei den Sonderausgaben (§ 10 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) nicht mehr möglich. Die Streichung des § 16 Abs.2 BewG 1965 treffe ihn (den Kläger) auch deswegen besonders hart, weil er im berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand der durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10.August 1963 geschaffenen Rechtslage bei der Kalkulation der Erbbauzinsen die steuerliche Entlastung berücksichtigt und auf Überwälzungsklauseln verzichtet habe. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete es, ihm die Vergünstigung des § 16 Abs.2 BewG 1965 auch über das Jahr 1973 hinaus zu erhalten. Sowohl unter dem Gesichtspunkt der echten als auch der unechten Rückwirkung belastender Gesetze müsse das Interesse der Allgemeinheit insoweit zurückstehen. Das Willkürverbot stehe der schematischen Schlechterstellung aller Erbbauzinsberechtigten, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, ebenfalls entgegen.

Der Kläger beantragt, den Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs auf null DM festzusetzen und die Vermögensteuer entsprechend zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht haben FA und FG den Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs auf der Grundlage des nichtbegrenzten Jahreswerts ermittelt und nur eine Ermäßigung nach § 111 Nr.9 BewG zugelassen.

1. Der Kläger unterlag am 1.Januar 1974 mit seinem Gesamtvermögen der Vermögensteuer (vgl. § 1 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 4 Abs.1 Nr.1 des Vermögensteuergesetzes ―VStG―). Das Recht auf den Erbbauzins war nach § 114 i.V.m. § 92 Abs.5 und § 110 Abs.1 Nr.4 BewG beim sonstigen Vermögen zu erfassen und mit dem Kapitalwert gemäß § 13 Abs.1 i.V.m. § 15 Abs.3 BewG zu bewerten.Eine Begrenzung des Jahreswerts von Erbbauzinsen auf den achtzehnten Teil des steuerlichen Werts des erbbaubelasteten Grundstücks kommt ab dem streitigen Stichtag nicht mehr in Betracht, weil § 16 Abs.2 BewG 1965 durch Art.2 Nr.5 i.V.m. Nr.30 und Art.10 § 2 des Vermögensteuerreformgesetzes (VStRG) vom 17.April 1974 (BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233) mit Wirkung vom 1.Januar 1974 ersatzlos aufgehoben wurde.

2. Der Senat hält die vom Kläger beanstandete Neuregelung auch insoweit für verfassungsmäßig, als sie Erbbaurechtsverhältnisse betrifft, die während der Geltungsdauer von § 17a Abs.2 BewG 1934 bzw. § 16 Abs.2 BewG 1965 begründet wurden. Zu diesem Ergebnis ist auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem nichtveröffentlichten Beschluß vom 9.September 1981 2 BvR 876/81 gekommen.

a) Das Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3, 28 Abs.1 GG), das auch den Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einschließt, ist nicht verletzt.

aa) Bei Anwendung der Grundsätze, die das BVerfG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von rückwirkenden belastenden Gesetzen entwickelt hat (vgl. den Beschluß vom 20.Juni 1978 2 BvR 71/76, BVerfGE 48, 403, 413 f., mit weiteren Nachweisen), ergibt sich für den Streitfall, daß dem Vermögensteuerreformgesetz vom 17.April 1974 echte Rückwirkung zukommt. Denn die Streichung des § 16 Abs.2 BewG 1965 zum 1.Januar 1974 bewirkte zuungunsten des Klägers eine beträchtliche Erhöhung des Wertansatzes von wiederkehrenden Leistungen, die wegen des bei der Vermögensteuer geltenden Stichtagsprinzips (vgl. §§ 5, 15 VStG) in diesem Hauptveranlagungszeitpunkt bereits mit einem niedrigeren Wert festgestanden hatten. Gleichwohl konnte der Kläger nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 10.März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 287 sowie vom 12.Juli 1978 2 BvR 704/77, HFR 1978, 498), der sich der Senat anschließt, zum 1.Januar 1974 insoweit schon deshalb keinen Vertrauensschutz beanspruchen, weil der Bundestag am 13.Dezember 1973, also vor diesem Stichtag, das Vermögensteuerreformgesetz 1974 einschließlich der den § 16 Abs.2 BewG 1965 streichenden Norm in zweiter und dritter Lesung angenommen hatte (vgl. Bundesanzeiger ―BAnz― Nr.236 vom 18.Dezember 1973 S.8; Deutscher Bundestag, 7.Wahlperiode, Stenographischer Bericht zur 71.Sitzung vom 13.Dezember 1973 S.4382 und Bundesrats-Drucksache 760/73 S.11).

bb) Es trifft zu, daß sich die vermögensteuerlichen Auswirkungen der Gesetzesänderung nicht auf den 1.Januar 1974 und den daran anschließenden Veranlagungszeitraum beschränken. Auch an späteren Veranlagungszeitpunkten ergibt sich für den Kläger bei gleicher Sachlage eine höhere steuerliche Belastung als während der Geltungsdauer des § 17a Abs.2 BewG 1934 und des § 16 Abs.2 BewG 1965. Dem Kläger kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß das Vermögensteuerreformgesetz 1974 insoweit ebenfalls echte Rückwirkung entfalte. Denn es gestaltete nicht etwa den im Jahre 1968 eingegangenen Vertrag nachträglich um. Vielmehr knüpfte es an das noch in Abwicklung befindliche, gegenwärtige Erbbaurechtsverhältnis andere vermögensteuerrechtliche Folgen ausschließlich für die Zukunft, wenn man vom Hauptveranlagungszeitpunkt 1.Januar 1974 absieht. Auf diesen Tatbestand finden die zur unechten Rückwirkung aufgestellten Grundsätze Anwendung (vgl. dazu BVerfG-Beschluß vom 13.März 1979 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, mit weiteren Nachweisen). Ein belastendes Gesetz mit unechter Rückwirkung ist nur dann verfassungswidrig, wenn aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der geltenden Rechtslage der Vorrang vor dem Wohl der Allgemeinheit zukommt. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, daß der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 17a Abs.2 BewG 1934 für Grundstückseigentümer einen Anreiz zur Ausgabe von Erbbaurechten schaffen wollte (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Bundestages, Bundestags-Drucksache IV/1365). Andererseits eröffnete der BVerfG-Beschluß vom 26.Januar 1971 2 BvL 2/68 (BVerfGE 30, 129, BStBl II 1971, 359), wonach § 17a Abs.2 BewG 1934 (§ 16 Abs.2 BewG 1965) nur für den Erbbauverpflichteten eine Wertbegrenzung vorsah, während dem Erbbauberechtigten der volle Schuldenabzug zuerkannt wurde, vor allem verbundenen Unternehmen die Möglichkeit zu systemwidriger Steuerersparnis. Durch die Streichung des § 16 Abs.2 BewG 1965 sollte hier Abhilfe geschaffen und zusätzlich die Gleichstellung der Erbbauzinsen mit anderen obligatorischen, zeitlich begrenzten wiederkehrenden Leistungen bewirkt werden (vgl. Bundestags-Drucksache VI/3418 S.99, Bundesrats-Drucksache 140/72 S.99). Gegenüber diesen gewichtigen gesetzgeberischen Anliegen kann das Interesse des Klägers an dem Fortbestand der für ihn günstigen Rechtslage keinen Vorrang beanspruchen. Im übrigen hält der Senat auch die Erwägung der Vorinstanz für zutreffend, daß sich dem Kläger schon wegen der langen Laufzeit der hier vereinbarten Erbbaurechte hätten Zweifel aufdrängen müssen, ob die Steuerrechtslage 99 Jahre unverändert fortbestehen werde.

cc) Bei dieser der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsauffassung kann der Senat offenlassen, ob die dem Vermögensteuerreformgesetz vom 17.April 1974 beigegebene Rückwirkung auch wegen möglicher Unklarheit der vorher bestehenden Rechtslage verfassungsmäßig ist.

b) Entgegen der klägerischen Auffassung verstößt die schematische Gleichbehandlung aller Erbbaurechtsverhältnisse durch das Vermögensteuerreformgesetz 1974 nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, der auch das Gebot beinhaltet, Ungleiches seiner Ungleichheit entsprechend verschieden zu behandeln. Aus Art.3 Abs.1 GG ergibt sich ein den Gesetzgeber bindendes Willkürverbot bei der Gestaltung der vielfältigen Lebenssachverhalte (vgl. BVerfG-Beschluß vom 6.Oktober 1970 2 BvL 17/68, BVerfGE 29, 148, 153). Steuergesetze, die stets eine Vielzahl von Vorgängen des Wirtschaftslebens regeln, müssen, um praktikabel zu sein, typisieren. Eine gewisse ungleiche wirtschaftliche Auswirkung auf die einzelnen Steuerschuldner und ihre Wettbewerbslage ist deshalb als unvermeidbar hinzunehmen (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 20.Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12, BStBl III 1967, 7, und vom 15.Oktober 1980 1 BvR 912/80, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Bewertungsgesetz 1965, § 69, Rechtsspruch 4). Der Gesetzgeber hat sich bei der Aufhebung des § 16 Abs.2 BewG 1965 für eine praktikable typisierende Lösung der mit dieser Vorschrift verbundenen Probleme entschieden und sich dabei im Rahmen seines Dispositionsspielraums gehalten. Unterschiedliche Regelungen für Erbbaurechte je nach dem Zeitpunkt ihrer Bestellung waren wegen der wechselvollen Handhabung der Bewertung des Erbbauzinses und der vielfältigen Möglichkeiten, die Erbbaurechtsverträge ―auch im Hinblick auf Überwälzungsklauseln― zu gestalten, nicht zwingend geboten (vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10.Oktober 1975 VI R 19/75, BFHE 117, 72, BStBl II 1976, 69).

c) Es liegt auch kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vor. Gegenüber der Auferlegung von Geldleistungspflichten kann sich der Betroffene nicht mit Erfolg auf Art.14 GG berufen, soweit diese ihn nicht übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 9.März 1971 2 BvR 326/69 u.a., BVerfGE 30, 250, 271 f., und in StRK, Bewertungsgesetz 1965, § 69, Rechtsspruch 4). In Anbetracht der Höhe der jährlichen Erbbauzinsen und des Wertes der mit den Erbbaurechten belasteten Grundstücke ist bei der durch den Erbbauzins verursachten steuerlichen Belastung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers hinreichend Rücksicht genommen.

Der Senat teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die doppelte steuerliche Erfassung der Erbbauzinsen durch Einkommensteuer (vgl.§ 21 Abs.1 Nr.1 EStG) und Vermögensteuer (vgl. § 92 Abs.5 i.V.m. § 110 Abs.1 Nr.4 BewG). Denn die Vermögensteuer in ihrer überkommenen Bedeutung zielt gerade darauf ab, das sog. fundierte, d.h. auf Besitz ―wie etwa Grundvermögen― gegründete Einkommen, wegen dessen ―im Vergleich zum Arbeitseinkommen― größerer Steuerkraft zu einer ergänzenden Steuer heranzuziehen (vgl. dazu die Materialien zum Preußischen Ergänzungssteuergesetz vom 14.Juli 1893, Nr.6 S.21). Ob die deutsche Vermögensteuer moderner Prägung ―zumindest im Grundsätzlichen― noch eine Ergänzungsfunktion zur Einkommensteuer hat (vgl. dazu das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen, Heft 17 S.634 Tz.70) oder ob sie jetzt eine vom Ertrag unabhängige Steuer ist (vgl. BVerfG-Beschluß vom 27.Oktober 1975 1 BvR 82/73, Neue Juristische Wochenschrift 1976 S.101), kann im Streitfalle unentschieden bleiben. Denn der Kläger konnte die auf dem Erbbauzinsanspruch beruhende Vermögensteuer aus den ihm daraus zufließenden Erträgen bestreiten. Die grundsätzliche Rechtsfrage, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfange ein Eingriff der Vermögensteuer in die Vermögenssubstanz hinzunehmen sei, bedarf hier deswegen keiner näheren Erörterung (vgl. hierzu Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7.Aufl., Einführung zum Vermögensteuergesetz, Anm.17 ff.).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1421939

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