Die Digitalisierungsstrategie wird bei STIHL konsequent aus der Unternehmensstrategie abgeleitet. Dr. Michael Zyder und Volker Schrödel erläutern das Vorgehen im Digitalisierungsprojekt. Bei der Maßnahmenpriorisierung erweisen sich die Kriterien „Market-Fit“ und „STIHL-Fit“ als äußerst hilfreich.

Digitalisierung bereits die zweite Welle der Disruption

Das schwäbische Familienunternehmen STIHL ist die Marke mit den weltweit meistverkauften Motorsägen. Für das Traditionsunternehmen sind neben den eigenen Kernkompetenzen sowie einer mitarbeiterorientierten Führungskultur ebenso Kontinuität und Nachhaltigkeit Grundlage für den Erfolg. Das hält die Schwaben nicht davon ab neue Wege zu gehen und sich selbst zu fragen, wie man weiterkommen und digital wachsen könne, erklärt Dr. Michael Zyder, Leiter Controlling Beteiligungen und Strategische Planung (rechts im Bild). Weiter führt er aus: „Wir kommen klassisch aus der Benzinwelt, Digitalisierung ist für uns eigentlich die zweite Welle der Disruption. Die erste Welle war für uns der Akku-Antrieb.“

Es gilt die „Digitalisierungslücke“ zu schließen

Der Druck zur Digitalisierung kommt von zwei Seiten.

  • Zum einen von den Kunden, die sich vernetzte Produkte und digitale Services wünschen.
  • Zum anderen durch direkte Wettbewerber und Unternehmen im erweiterten Umfeld, die bereits digital befähigte Produkte, Leistungen über Apps oder ganze Flottenmanagement-Systeme anbieten.

Da Preise von nicht digitalisierten Produkten in Zukunft fallen werden, gilt es eine mögliche „Digitalisierungslücke“ zu schließen. Andernfalls können Wachstumsziele in Zukunft kaum noch erreicht werden und Potentiale neuer Geschäftsmodelle blieben ungenutzt.

Die Champions League der Digitalisierung

Bei STIHL versteht man unter Digitalisierung die intelligente, interaktive Vernetzung von Daten, Dingen und Menschen. Dabei haben die Waiblinger für sich fünf Anwendungsfälle der Digitalisierung identifiziert (s. Abb. 1 in der Bilderserie):

  • Geschäftsmodelle,
  • Produkte,
  • die Kundeninteraktion,
  • die primäre Wertkette und
  • die sekundäre Wertkette.

„Geschäftsmodelle sind natürlich die Champions League der Digitalisierung“, scherzt Volker Schrödel, Bereichsleiter IT, erklärt aber auch was durch diese Anwendungsfälle erreicht werden soll: „Digitalisierung ist für uns ein Treiber, um Kundennutzen zu schaffen.“ Darüber hinaus sollen Prozessoptimierungen vorangetrieben werden. Letztlich soll die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum und wirtschaftlichem Erfolg bei STIHL leisten.

Die Unternehmensstrategie als Grundlage der Digitalisierungsstrategie

Der Umsetzung ging eine intensive Strategiearbeit, unterstützt durch die Strategieexperten von Horváth & Partners, voraus. Die Unternehmensstrategie diente dabei als Grundlage aller strategischen Fragestellungen rund um die Digitalisierung. Das „Digitalisierungskernteam“, bestehend aus STIHL Mitarbeitern unterschiedlicher Ressorts, durchlief einen integrierten Strategieprozess (Abb. 2 in der Bilderserie). In Workshops wurde zunächst die Ausgangslage analysiert sowie ein digitales Leitbild definiert. Im Rahmen der Kernelemente des digitalen Geschäftsmodells wurden Anwendungsfälle und Befähiger thematisch eingeordnet und genau beleuchtet. „Besonders die Impulse von außen durch Horváth & Partners waren wichtig, da wir uns im Vorfeld nicht ausführlich mit allen Facetten der Digitalisierung im Detail auseinander setzen konnten“, betont Dr. Zyder. Anschließend wurde geprüft, wo STIHL heute steht, Handlungsfelder definiert und konkrete Maßnahmen abgeleitet. Bei der Priorisierung der Maßnahmen halfen zwei wesentliche Dimensionen:

  • Beim „Market Fit“ wurden wirtschaftliches Potential, Markt- und technologisches Risiko sowie die Auswirkung auf den Wettbewerbsvorteil bewertet.
  • Der „STIHL Fit“ befasste sich anschließend mit der Bedeutung der Digitalisierungsstrategie, die  verfügbaren internen Kompetenzen und Resourcen und den Implementierungsaufwand.

Wie digitalisiert man eine Kettensäge?

Volker Schrödel zeigt auf wie die Digitalisierung die Arbeit bei STIHL verändert. Ein wesentliches Thema ist dabei das Virtual Engineering. Durch Computersimulationen werden Produkte und Komponenten nicht erst produziert und dann auf den Prüfstand gestellt, sondern können vorher bereits virtuell getestet werden. Das spart viel Zeit und Geld. Auch an der Kundeninteraktion wird gearbeitet. „Wir treffen bei unseren Fachhändlern auf sehr unterschiedliches IT-Know-How“, erklärt der Bereichsleiter IT. Die Händler sollen nun ebenfalls in die Digitalisierungsaktivitäten eingebunden werden und können nun neue Geräte in virtueller Umgebung erforschen. Das Projekt ‚STIHL Training goes Virtual Reality‘ ergänzt die klassischen Produktschulungen und soll Mitarbeitern Wissen rund um neue STIHL Produkte vermitteln. Im Zentrum aller Aktivitäten steht die Entwicklung der analogen Kettensäge zu einem vernetzten, digitalen Produkt-System. In naher Zukunft werden STIHL Produkte durch den „STIHL Connector“ mit dem Smartphone vernetzbar und können am Computer ausgewertet werden. Das ist die Basis für die Schaffung eines Eco-Systems mit digital befähigten Produkten, Mehrwert-Apps und kundenzentrierten Services.

Digitalisierung mit Gewissenhaftigkeit vs. Schnelligkeit vor Perfektion

Bei STIHL hat man sich fest vorgenommen in Zukunft noch konsequenter von der Kundenseite her zu denken. Dort wo es möglich ist, soll schneller auf den Markt gegangen werden, zum Beispiel bei digitalen Angeboten. Die Devise lautet Schnelligkeit vor Präzision und zugleich Digitalisieren mit Gewissenhaftigkeit. Ob dies ein Widerspruch ist, wird sich zeigen. Sicher ist aber: die Kraft digital zu wachsen hat man bei STIHL.

 

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