Der Markt für Lieferdienste war in den vergangenen Jahren durch eine große Wettbewerbsstreuung gekennzeichnet. Jörg Gerbig und die Mitbegründer von Lieferando.de haben dies grundlegend geändert und den Liefermarkt in Deutschland revolutioniert.

Gründungsgeschichte

Während seiner Zeit als Investmentbanker in London und New York bestellte Jörg Gerbig berufsbedingt häufig abends Essen und stellte sich dabei die Frage, warum es solche ein breites Angebot nicht auch in Deutschland gibt. Diese Idee weiterverfolgend, gründete er 2009 mit zwei weiteren Freunden das Unternehmen Lieferando.de in Berlin. Seine Motivation: „Ich stand vor der Wahl mein Leben lang Banker zu sein, aber ich wollte es wenigstens einmal probiert haben ein Unternehmen zu gründen.“ Die Plattform sollte gemäß des Marktplatzmodells verschiedene Restaurants und Kunden zusammenbringen.

In der Anfangsphase des Start-Ups war insbesondere der Einsatz der Gründer gefragt. Restaurants mussten akquiriert, Kundenservice geleistet und bei Engpässen auch die Bestellungen selbst ausgefahren werden. Die Kundenakquise stellte sich vor allem in der Anfangszeit des Marktplatzmodells als sehr kostspielig heraus. Durch verschiedene Marketingaktionen versuchten die Gründer ihre Plattform bekannt zu machen. Dies bedeutete eine hohe Vorfinanzierung. Doch die Netzwerkeffekte bauten sich nach und nach auf und das Unternehmen kann seinen Kunden heute mehr als 11.000 Lieferdienste in Deutschland anbieten. Dies bedeutet die größte Auswahl an Restaurants auf einer Plattform in Deutschland.

Zu den Risiken des Unternehmens zeigt sich Jörg Gerbig gelassen: „Es ist schwer möglich, unser Modell zu durchbrechen. Unser Geschäft wird über die Zeit zu einem „Winner-Takes-It-All“-Geschäft.“ Seit dem Jahr 2014 gehört Lieferando.de zur Holding der niederländischen Takeaway.com-Gesellschaft, die bereits im Lieferservice-Markt unter anderem in den Niederlanden und Belgien sehr erfolgreich war. Zusammen konnten sie ihre Kundenbasis auf 9 Millionen Kunden in 10 Ländern erweitern, denen ein Angebot von ca. 30.000 Restaurants zur Verfügung steht.

Ungefähr 70% der Bestellungen gehen bei Takeaway.com über sogenannte Mobile Devices ein, also Smartphone oder Tablets. Jörg Gerbig sieht hierbei vor allem in der Nutzung von Voice Bestellungen über Amazons Alexa oder Apples Siri ein sehr hohes Potenzial. Allerdings kommt er nicht umhin zu bemerken, dass die Digitalisierung in Deutschland weit weniger fortgeschritten ist als in vielen anderen Ländern. Eine geringere Nutzung von Mobilgeräten zur Bestellung und auch eine gewisse Skepsis gegenüber neuer, digitaler Geschäftsmodelle sind in Deutschland noch immer zu spüren.

Die drei Marketing Phasen - Go Big or Go Home!

1. Kunden-Lifetime-Value in der Akquise

Das Thema Customer-Relationship-Management ist für Gerbig essentiell: In der Anfangszeit wurde besonders auf die Kundenakquisitionskosten und den jeweiligen Kunden-Lifetime-Value geachtet. So sind beispielsweise Kunden, die gezielt über die App bestellen, besonders wertvoll für Lieferando.de, da die Wiederbestell-wahrscheinlichkeit hier besonders hoch ist.

2. Marktdurchdringung durch Provokation

Im zweiten Schritt wurde den Gründern klar, dass das Unternehmen auch durch Massenmedien Aufmerksamkeit erregen sollte, um eine breitere Kundenbasis anzusprechen. So begannen die Gründer mit typischen „Startup-Spots“ ihre Ziele Performance und Abverkauf zu verfolgen. Es folgten einige provokante und Aufsehen erregende Plakatwerbungen, wie beispielsweise der Slogan „Wir Rinder vom Bahnhof Zoo“, welcher über dem Berliner Bahnhof Zoo prangte.

3. Ausbau der Brand

Der aktuelle Fokus der Marketingmaßnahmen von Lieferando.de liegt vor allem auf der Bildung einer Marke und eines Wiedererkennungswerts. Das Bestellen von Essen ist meist impulsgetrieben und spontan. Lieferando.de muss also das Erste sein, das den Kunden in den Sinn kommt, wenn sie an Essensbestellungen denken. Somit sind die Werbespots am wirksamsten, die am längsten in den Köpfen der Kunden bleiben. Das Team um Gerbig setzt hierbei insbesondere auf das Thema Empowerment der Kunden. Durch Lieferando.de sind sie freier, flexibler und unabhängiger, da sie nicht kochen müssen und sich trotzdem vielfältig ernähren können.

Die Bemühungen tragen bereits Früchte. Lieferando.de ist die Nummer eins mit der höchsten Top of Mind Brand Awareness in Deutschland und ist somit der Konkurrenz wie Lieferheld oder Pizza.de deutlich voraus.

Neben dem beeindruckenden Wachstum im Kerngeschäft ist Lieferando.de nach der Deutschen Post der zweitgrößte Logistikanbieter. Den Gründern wird sicherlich etwas einfallen, auch diese Chance für sich zu nutzen.

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Dr. Maximilian Rupprecht