In vielen Unternehmen sucht man nach Möglichkeiten, das Reporting zu optimieren. Auch Robotic Process Automation (RPA), kurz Robotics, wird in diesem Zusammenhang diskutiert. Ist hiermit tatsächlich eine Effizienzsteigerung im Reporting möglich? Und wie begeistert man die Mitarbeiter für die neue Technologie?

Die Effizienz im Reporting muss gesteigert werden

Aktuell wird ein erheblicher Anteil der Controlling-Ressourcen in Unternehmen für das Reporting gebunden. Mit hohem Aufwand werden dabei unnötige, redundante oder nicht wertschöpfende Tätigkeiten ausgeführt. Es besteht daher ein beträchtlicher Bedarf, die Effizienz im Reporting zu steigern, nicht zuletzt aufgrund

  • des stetig steigenden Kostendrucks,
  • neuer digitaler Technologien und
  • einer veränderten Anspruchshaltung an das Controlling. 

Lohnt sich der Einsatz von Software-Robotern?

Intensiv diskutiert wird in diesem Zusammenhang das Thema Robotics oder auch Robotic Process Automation (RPA). Hierunter versteht man die selbstständige Ausführung wiederkehrender, regelbasierter und auf strukturierten Daten basierender Prozessschritte durch spezifisch programmierte Software-Roboter.

Umfangreiche Erfahrungen mit dieser Technologie hat die Allianz Suisse bereits gesammelt. Mit rund 3.600 Mitarbeitern, über einer Millionen Kunden und einem Umsatz von ca. 3,6 Mrd. Franken ist sie eine der größten Versicherungsgesellschaften in der Schweiz. Sie operiert in einer kompetitiven Branche, die nicht zuletzt aufgrund des Niedrigzinsumfelds und der anspruchsvollen Regulatorik vor großen Herausforderungen steht.

Daniel Turi, Leiter Finanzdatenmanagement der Allianz Suisse, beleuchtete in seinem Vortrag auf der Fachkonferenz Reporting & Analytics die Frage, inwiefern es in diesem herausfordernden Umfeld gelingen kann, durch Robotics die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die Mitarbeiter zu begeistern. 

Ziele und Beweggründe für Robotics

Die Annährung an RPA erfolgte bei der Allianz Suisse nicht als klassisches Projekt mit kalkuliertem Business Case, sondern evolutionär-experimentell. Im Frühjahr 2017 wurden erste Versuche im Finanzbereich gestartet, bei denen die manuelle Erstellung einzelner Reports von Software-Robotern übernommen wurde. Nachdem dem Management überzeugende Anwendungsfälle präsentiert werden konnten, erfolgte der offizielle Start für Robotics im Finanzressort im August 2017. Ausschlaggebend für die positive Entscheidung des Managements waren dabei zwei Argumente:

  1. Durch den Wegfall zeitraubender "click and wait"-Tätigkeiten im Reporting und in anderen Prozessen sind substantielle Effizienzsteigerungen möglich.
  2. Qualifizierte Mitarbeiter können durch Roboter von repetitiven und schlichtweg langweilenden Tätigkeiten befreit werden, um sie mit herausfordernden und wertstiftenden Aufgaben zu betrauen.

Mitarbeiter für Robotics begeistern 

Aufgrund der erzielten Erfolge im Finanzbereich erfolgte die Ausweitung von RPA auf die gesamte Allianz Suisse bereits Ende 2017. Daraufhin wurden umfassende Kommunikationsmaßnahmen gestartet, um Mitarbeiter nachhaltig für Robotics zu begeistern und RPA in der Organisation zu verankern. Die Intranet-Seite "Be Part of Robotics", auf der jeder Mitarbeiter Bedarf für Robotisierung melden kann, ist dabei nur eines der eindrücklichen Kommunikationsbeispiele, die Herr Turi anführte.

Mit ihren RPA-Aktivitäten ist die Schweizer Gesellschaft in der Allianz Gruppe inzwischen nicht mehr alleine: Um die Potentiale von Robotics zu nutzen, existieren mittlerweile globale RPA-Initiativen und Communities. Auch im Zielbild des Finanzbereichs der Allianz Gruppe schlägt sich Robotics bereits nieder: Dieses enthält "Efficient Finance Production" als Kernbestandteil. Übersetzt durch Herrn Turi bedeutet dies: "Alles was sinnvoll automatisierbar und robotisierbar ist, muss automatisiert und robotisiert werden". Nur dadurch, so der Robotics-Experte, werden die Voraussetzungen geschaffen, um den Fokus im Finanzbereich auf wertstiftende Analysen zu richten und die Zukunft des Unternehmens aktiv zu gestalten. 

Vorteile von Robotics

Wie Herr Turi erläuterte, können vielfältige operative und technologische Vorteile mit dem Einsatz von Robotics erzielt werden (vgl. Abbildung 2 der Bilderserie). 

  • Die schnellere und fehlerfreie Erledigung einfacher Aufgaben durch Roboter ist dabei nur ein Aspekt. 
  • Darüber hinaus sind Qualitätsverbesserungen der Prozesse erzielbar, da alle Arbeitsschritte bei der Robotisierung noch einmal überprüft werden. 
  • Weiterhin können Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit erhöht werden, da eine Entlastung von repetitiven Aufgaben erfolgt. 
  • Eng damit verbunden ist der Vorteil, dass qualifizierte Mitarbeiter mit den freien Kapazitäten für wertstiftende Tätigkeiten eingesetzt werden können.
  • Auf der technologischen Seite können die schnellen Entwicklungszeiten hervorgehoben werden, welche maßgeblich durch die Wiederverwendbarkeit der Software-Module getrieben sind. 
  • Weiterhin setzen Software-Roboter auf die bestehenden Systeme auf, ohne dass eine Modifikation der IT-Infrastruktur erfolgt. Eine agile und kostengünstige Entwicklung ist dadurch realisierbar.

Einbettung von Robotics in die ganzheitliche Prozessverbesserung

Um den größtmöglichen Nutzen aus Robotics zu ziehen, so der Fachexperte, ist der Einsatz im Rahmen der ganzheitlichen Prozessverbesserung zu betrachten. Das bedeutet, dass die gesamte Toolpalette zur Prozessoptimierung (e.g. BPR, Lean, RPA, System Development etc.) Beachtung finden sollte. Erfolgreiche Lösungen zeichnen sich vielfach durch den kombinierten Einsatz verschiedener Ansätze aus. Um sicherzustellen, dass diese ganzheitliche Betrachtung erfolgt, kommt bei der Allianz Suisse der "Circle of Robotics" zum Einsatz (vgl. Abbildung 3 der Bilderserie).

  1. Ausgangspunkt des Regelkreises ist dabei nicht etwa die Robotisierung, sondern die Eliminierung. Prozesse werden kritisch hinterfragt und gegebenenfalls ersatzlos gestrichen, womit weiterer Handlungsbedarf gänzlich entfällt. So kann im Reporting beispielsweise die Ausgangsfrage gestellt werden, welche Berichte vom Adressaten überhaupt benötigt werden. Reports, die darüber hinaus erstellt werden, sind Kandidaten für die Eliminierung.
  2. In einem zweiten Schritt sind die weiterhin bestehenden Prozesse zu optimieren, indem unnötige Schleifen, Schnittstellen und sonstige Komplexitätstreiber mithilfe von Prozessverbesserungs-Tools analysiert und beseitigt werden.
  3. An dritter Stelle steht die Automatisierung im System. Wie vom Fachexperten hervorgehoben, sollte alles, was im System funktionieren kann, auch im System automatisiert passieren. Robotics kann an dieser Stelle als "Challenging Tool" fungieren: RPA-Lösungen werden als Benchmark zu Systementwicklungen positioniert und als temporäre Zwischenlösung eingesetzt, wenn IT-Ressourcen für Systementwicklungen oder -wechsel erst später verfügbar sind.
  4. Somit schließt sich auch der Regelkreis zum vierten Punkt, der Robotisierung. Die übrigbleibenden, systemübergreifenden Prozesse, welche aufgrund ihres repetitiven Charakters geeignet erscheinen, werden voll robotisiert.

Cases für Robotics, Erfolgsfaktoren und Fallstricke

Auch einen Beispiel-Case hatte Herr Turi für die Konferenzteilnehmer parat: Für das Global Automotive und Distribution Reporting der Allianz Suisse mussten Daten manuell aus heterogenen Quellen gesammelt, aufbereitet, überprüft und an die Gruppe gemeldet werden. Dieser Gesamtprozess, der zuvor monatlich zwei Arbeitstage in Anspruch nahm, konnte durch Prozessoptimierung und anschließende Robotisierung auf 15 Minuten Arbeitsaufwand des Roboters reduziert werden. Die Botschaft des Fachexperten war dabei deutlich: Jegliche "click and wait"-Aufgaben im Reporting, die ohne signifikante Denkleistung ablaufen, sind nicht wertstiftend und sollten automatisiert und robotisiert werden. Ansonsten zehren sie Ressourcen auf, die alternativ für Analysen, Empfehlungen und Entscheidungen genutzt werden könnten.

Basierend auf den Erfahrungen in der Allianz Suisse konnte Herr Turi zum Abschluss noch einige Erfolgsfaktoren und Fallstricke von RPA-Projekten aufzeigen. Eine flexible und pragmatische Implementierungsweise ("nicht nur von Robotics reden") bei gleichzeitig klaren Governance-Vorgaben ("was dürfen Roboter") erscheinen dabei essentiell. Darüber hinaus sollte Robotics stets im Zusammenhang der Gesamt-Prozessoptimierung betrachtet werden. Eine proaktive Kommunikation der RPA-Möglichkeiten kann darüber hinaus die Öffnung der Mitarbeiter für Robotics fördern. Schließlich ist die dezentrale Verankerung von RPA im Unternehmen zielführend, um Engpässe bei der Abarbeitung der Cases zu vermeiden.

Zusammenfassend konnte der Robotics-Experte die Eingangsfrage damit klar beantworten: Robotics kann als wichtiger Effizienztreiber im Reporting und darüber hinaus fungieren. Gleichzeitig ist es möglich, Mitarbeiter mit RPA nachhaltig zu begeistern, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich durch den Einsatz von Robotern fordernden und wertstiftenden Aufgaben widmen können.

Hier geht's zur Bilderserie "Bilderserie: Robotics im Reporting"

Schlagworte zum Thema:  Reporting, Industrie 4.0, Berichtswesen, Analytics