Nachhaltigkeitscontrolling

Wie gelingt der Nachhaltigkeit der Sprung von der Wahrnehmung als Hemmnis zum ganzheitlichen Wettbewerbsvorteil? Prof. Jekel zeigt, wie Unternehmen bei der Vorortung der eigenen Nachhaltigkeit vorgehen können, Best Practices der Nachhaltigkeitsberichte Orientierung geben und wie die eigene Planung begonnen werden kann.

Das Sommermusical aus den 1960er Jahren My Fair Lady von Frederick Loewe und Alan Jay Lerner mit dem lustigen Zitat

Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh(e)n (...)

ist nicht totzukriegen:

  1. Es hat eine sehr gute Story,
  2. originelle und witzige Dialoge und
  3. klassische Schlager zum Mitträllern.

Der Film hat neben acht Oscars und weiteren Filmpreisen mit einem Budget von Mio. $ 17 insgesamt Mio. $ 72 eingespielt. Aus ökonomischer Sicht ein voller Erfolg. Aus Controlling-Sicht bewerten wir sicherlich das Zitat aus heutiger Sicht ein wenig kritischer und fragen uns vielleicht:

  • Hatte der Autor Farbwahrnehmungsprobleme, denn blühen Blumen überhaupt grün?
  • Oder kannte der Autor sich nicht mit Pflanzen aus?
  • Hat der Übersetzer irgendwie etwas seltsam übersetzt oder keinen besseren Reim gefunden?
  • Oder war der Autor einfach letztlich besonders schlau, indem er uns einen Grund nannte, den wir gar nicht wirklich hören wollen?

Nachhaltigkeit: Kostenfaktor oder Chance?

Zumindest können wohl gute grüne Geschichten und humorige grüne Dialoge – auch wenn sie komisch sind – einen ökonomisch langanhaltenden Erfolg bringen. Woran mag das liegen? 2021 fand hierzu ein Interview mit Tina Teucher statt, einer Nachhaltigkeitsexpertin.

Wir diskutierten: Wer zahlt letztlich die Blümchen? Oder kann es auch ganz anders laufen, indem ein grünes Produkt vielleicht schon ein besseres Image verkörpert und quasi ein gutes Gewissen gleich mitverkauft? Rechtfertigt ein ökologisch hergestelltes Produkt somit auch gleichzeitig einen höheren Preis? Wenn zudem soziale Standards sogar freiwillig von einer Organisation eingehalten werden, sind wir dann auch bereit, diese extra zu bezahlen, da wir uns sozialer und besser fühlen? Oder spart ein Unternehmen sogar ein, indem es Kunden und Mitarbeitende zum nachhaltigen Mitmachen motiviert? Tina Teucher und die Autorin fragten sich, wieso Nachhaltigkeits-Controlling in Organisationen allerdings immer noch etwas sperrig behandelt wird? Was läuft beim Buzz-Begriff Nachhaltigkeit im Vergleich zu unserem My Fair Lady-Musical noch nicht so gut?  Liegt es vielleicht am Begriff Nachhaltigkeit, dass mancher ihn als NACH-teil oder HALT liest? Was sind die wirklichen Hemmnisse in Organisationen?

Checklisten zur Verortung der eigenen Nachhaltigkeit

Hier können Checklisten helfen, damit Unternehmen sich noch besser hinsichtlich der Nachhaltigkeit verorten können. Abbildung 1 zeigt ein Auszug aus einer beispielhaften Checkliste für mehr Nachhaltigkeit im Büro, die ausgewählte Themen vorstellt. Die vollständige Tabelle mit den 10 Themen finden Sie im CM LIVE DOWNLOAD. Doch ich empfehle, nicht diese "fertige Liste" zu nehmen, sondern diese eigenständig mit dem Team zu erstellen, damit es "Ihre Liste" wird. Bei unserem Beispiel bekommen die Nachhaltigkeitsaspekte ökonomisch, sozial und ökologisch jeweils ein ‚X‘, wenn das Thema eine der Nachhaltigkeitsdimensionen erfüllt. Das Feld bleibt leer, wenn es nicht erfüllt wird. Aus statistischer Sicht bleiben Felder normalerweise nicht leer. Aus psychologischer Sicht empfehle ich es dennoch, denn dann ist der Schritt zum "X" bereits etwas leichter – es bedarf keiner Löschung eines Feldes, sondern man kann gleich ein "X" notieren.

Nachhaltigkeits-Checkliste mit zehn ausgewählten Büroorganisations-Themen

Die Checkliste zeigt, wie Nachhaltigkeit beispielhaft auch im Büroalltag zum Leben erweckt werden kann: Themen können nicht mehr, anders oder auch neu gemacht werden. Kosten können gespart werden. Neue Ideen können generiert werden, die andere Vorgehensweisen erlauben. Gestartet wird mit einer nachhaltigen Strategie über Rohstoffe, Energien, Geräte, Getränke und Essen, Dienstreisen, Arbeitsbedingungen, Umwelt und einer abschließenden Bewertung.

Checkliste nach Unternehmensform auswählen

Tina Teucher empfiehlt weitere Checklisten für internationale Unternehmen und Großunternehmen, für Mittelständler und für Investoren.

  • Checklisten für internationale Unternehmen und Großunternehmen sind z.B. bei der Global Reporting Initiative (GRI) zu finden. Dort wird der Ablauf mit den Stakeholdern und der Wesentlichkeitsanalyse dargelegt.
  • In Deutschland gibt es den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Seit 2021 rücken nachhaltige Finanzprodukte in den Mittelpunkt: Eine gute Strukturierungshilfe bietet die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) an.

Nachhaltigkeitsbericht Best Practices

Wer sind Unternehmen mit top Nachhaltigkeitsberichten? Welche Unternehmen wurden für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung sogar ausgezeichnet? Regelmäßig werden z.B. von dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und Future e. V. (gefördert von dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales) Nachhaltigkeitsberichte bewertet und gerankt. Dies ist eine wahre Inspirationsquelle für hervorragende Berichte. Hier lohnt es sich, den Nachhaltigkeitsbericht beispielsweise in der Rubrik der Großunternehmen von BMW Group zu betrachten: Besonders gelobt wurde bei der BMW Group die systematische Darstellung von Managementansätzen, Zielen, Maßnahmen und Ergebnissen über die Breite der Themenfelder. Die Maßnahmen wurden auch häufig durch Kennzahlen belegt und zeigen zudem Auswirkungen auf das gesellschaftliche Umfeld. Bei einem Nachhaltigkeitsbericht beispielsweise eines KMUs, hier memo AG, ein Versandhandel, wird aufgezeigt, wie die Klimaauswirkungen sich auf die Logistik auswirken und zeigt insbesondere soziale und ökologische Standards in der Lieferkette auf. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen inkl. Mitarbeiterzufriedenheit sind wesentliche Leistungsindikatoren, die zudem offengelegt werden.

Wie geht es weiter?

 Wenn Organisationen klimaneutral, klimafreundlich oder CO₂ -neutral werden wollen, dann erfordert es ein Umdenken. Spätestens dann gehört das Thema auch in die Hände von Controllern, die klimaneutrale Aspekte ebenfalls professionell planen, informieren, koordinieren und kontrollieren. Noch gibt es keine ganzheitlichen Grundlagen, was diese Begriffe konkret bedeuten, welche Anforderungen gelten, wer diese kontrolliert.

Wie starten wir?

Wie immer: Einfach mit einem guten Plan klein anfangen und dann diesen Plan auch immer weiter optimieren. Schritt für Schritt wird daraus – mit Einbeziehung der Stakeholder z.B. durch Umfragen – ein richtig großer nachhaltiger Plan, der letztlich einen langanhaltenden Wettbewerbsvorteil sichert. Und immer an die psychologischen Effekte denken, dass ein grüner Slogan, der beherzigt und gelebt wird wie „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühn ...“ Ihre gelebte Nachhaltigkeit auch unterstützt. Dann ist Nachhaltigkeit nicht nur bunte Blümchen streuen, sondern wird zu einem ganzheitlichen Wettbewerbsvorteil.

To Go’s:

  • Nachhaltigkeit beinhaltet ökonomische, soziale und ökologische Aspekte,
  • Checklisten helfen bei der Verortung der eigenen Nachhaltigkeit und
  • ... Controlling rockt Ihre Woche!

Letzte Controlling rockt! Kolumnen:

Der Artikel erschien erstmals im Controller Magazin 1/2022

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Jens Freiberg / Andrea Bruckner

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