Die digitale Revolution: Ein Phänomen mit Ansage
Viele Unternehmen sind gefangen in den Paradigmen der vergangenen Jahrzehnte. Zwar wird mit zahlreichen Initiativen auf den digitalen Wandel reagiert, doch ein roter Faden ist oft nicht erkennbar. Dr. Oliver Greiner, Strategieexperte und Partner bei Horváth & Partners, gibt Impulse zur Digitalisierungsstrategie und zeigt auf, dass sich diese aus der Unternehmensstrategie ableitet und deren Aufbau folgen muss (S. Abb. 1 in der Bilderserie). Dabei gilt das Grundprinzip: Wir müssen auch im Rahmen der Digitalisierung konsequent vom Kunden her denken.
Der digitale Durchbruch gelang mit dem Internet, durch mobile Anwendungen sind die Menschen jederzeit und überall mit der ganzen Welt vernetzt (S. Abb. 2 in der Bilderserie). „Wir leben heute in einer Zeit, in der das Außergewöhnliche zum Gewöhnlichen wird“, so Dr. Greiner, der diese Zeit mit Digitaler Allgegenwärtigkeit umschreibt.
Ein Universum an neuen Möglichkeiten
Die fünf grundsätzlichen Anwendungsfälle der Digitalisierung bringen unzählige Möglichkeiten mit sich. Konkret handelt es sich um die Digitalisierung von Geschäftsmodellen, von Produkt- und Serviceangeboten, der Kundeninteraktion sowie der primären und sekundären Wertkette.
Auffallend ist dabei der Boom disruptiver Geschäftsmodelle:
- Plattformanbieter besetzen die Kundenschnittstelle und drängen sich zwischen Hersteller und Kunde.
- Sharing- und Eco-System-Models stiften immer mehr Kunden zusätzlichen Nutzen.
- Viele physische Produkte werden durch digitale Lösungen ersetzt.
- Software ermöglicht es, verschiedene Geräte zu verbinden und zusätzliche Funktionen zu nutzen.
Das Internet verändert die bestehende Kundeninteraktion. So verzichtet Tesla beispielsweise auf ein eigenes Händlernetz und beschränkt sich stattdessen ausschließlich auf den Online-Vertrieb.
Unternehmen müssen sich die Frage stellen, wo sie bei diesen Anwendungsbereichen gerade stehen und welche für ihre Branche von größter Relevanz sind. Keine einfache Aufgabe: Oftmals entstehen neue Produktideen in Startups, die bisher unbefriedigte Kundenbedürfnisse bedienen. Etablierte Unternehmen müssen überlegen, wie diese Innovationen in die eigene Organisation geholt werden können.
Auch in der digitalen Allgegenwärtigkeit bestimmen die Kunden den Erfolg
Die Erfahrungen, die man als privater Nutzer mit digitalen Unternehmen macht - von Amazon über Facebook bis hin zu Holiday Check - übertragen sich zunehmend auf den B2B-Bereich. Der Kunde erwartet eine an seine Bedürfnisse angepasste Interaktion. Egal, ob B2C oder B2B, Kunden werden real digital.
Bei der Ableitung von Digitalisierungsthemen gilt es also, dass konsequent vom Kunden her gedacht werden muss. Ansätze wie Customer Journey oder Customer Experience weisen in die richtige Richtung. Ihre Anwendung fällt aber vielen Unternehmen unbewusst schwer: Was nützt z.B. die beste Kundenbetreuung in einer Niederlassung, wenn der Kunde im Kern gar nicht in die Niederlassung will?
Nur ein integrierter Strategieprozess sichert Stringenz in der Strategiearbeit
Doch gerade weil die Digitalisierung unzählige Möglichkeiten bietet, gilt es den strategischen Kurzschluss zu vermeiden. In vielen Unternehmen wird an unterschiedlichen Stellen, teilweise unkoordiniert und unstrukturiert, an Initiativen gearbeitet. Strategen müssen sich fragen, ob es den digitalen Flickenteppich auch in ihrem Unternehmen gibt und nach welchen Prinzipien agiert werden soll, um zukünftig erfolgreich zu sein. Die digitale Agenda stellt Grundsatzfragen, die entschieden werden müssen. Wichtig ist, dass die digitale Revolution institutionalisiert wird: Unternehmen benötigen eine Strategie, um den Herausforderungen der digitalen Allgegenwärtigkeit zu begegnen. Diese Digitalisierungsstrategie muss sich aus der Unternehmensstrategie ableiten und deren Aufbau folgen. Nur wer weiß wo er gerade steht, seine Anwendungsfälle strukturiert und eine stringente Digitalisierungsstrategie verfolgt, kann dem Flickenteppich den Kampf ansagen und somit real digital werden.