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Akuter Handlungsbedarf für zukunftsfähige Kostenrechnung

Die Kostenrechnung ist in den meisten Unternehmen deutlich schlechter als die Controllerinnen und Controller glauben. Prof. Dr. Jürgen Weber zeigt auf, wie das Instrument zukunftsfähig gemacht werden kann.

Was gibt es über die Kostenrechnung noch Neues zu sagen? Sie ist in den meisten Unternehmen Standard und wird für eine Vielzahl von Zwecken benötigt. Sie ist die „Spinne im Netz“ der Controlling-Instrumente. Kein Manager stellt sie in Frage oder will gar auf die Kostenrechnung verzichten. Aber keiner weiß, wie gut sie wirklich ist.

Die Kostenrechnung ist schlechter als ihr Ruf

Die Kostenrechnung wird in der Regel nur wenig hinterfragt. Es findet keine laufende Qualitätsprüfung statt, wie sie für das externe Rechnungswesen üblich ist. Bei genauerem Hinsehen gibt es an der Qualität der Kostenrechnung erhebliche Zweifel, wie drei Stichworte zeigen.

  1. Stichwort Variantenkalkulation: Die Kostenrechnung rechnet Varianten i.d.R. nur ihre direkten Kosten zu, nicht aber die mit ihnen verbundenen Gemeinkosten, die aber ganz erheblich sind.
  2. Stichwort Kosten der Supply Chain: Diese werden zumeist nur in Ausschnitten genau erfasst. Auch hier gehen Kostenunterschiede in den pauschalen Zuordnungen von Gemeinkosten verloren.
  3. Stichwort Dynamik: Die Kostenrechnung rechnet stark mit Durchschnittswerten. Heute werden aber Varianzen immer bedeutsamer. Insgesamt besteht damit ein Handlungsbedarf, der aber in der Komplexität der bestehenden Systeme nur den wenigsten sichtbar wird. Der Veränderungsdruck ist zudem deshalb akut, weil mit SAP S/4HANA eine grundlegende Veränderung der im deutschsprachigen Raum dominierenden ERP-Basis der Kostenrechnung ins Haus steht.

Wann ist eine Kostenrechnung wirklich zukunftsfähig?

Der in den meisten Unternehmen bestehende erhebliche Handlungsbedarf wird dann deutlich, wenn die Herausforderungen betrachtet werden, denen sich die Kostenrechnung aktuell und in Zukunft stellen muss. Sie standen im Mittelpunkt des Vortrags auf der WHU Campus for Controlling Week 2021 und sind in der folgenden Abbildung zusammengefasst. Einige sind eher genereller Natur – wie etwa die Ausrichtung auf die sich verändernden Geschäftsmodelle oder der wachsende Dienstleistungsanteil an der Wertschöpfung der Unternehmen –, andere auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen zurückzuführen, die sich mit den Schlagworten „VUCA“ und „Digitalisierung“ beschreiben lassen. In Summe besteht ein erheblicher Handlungsdruck, der Veränderungen der Kostenrechnung unabdingbar macht.

Eine Kostenrechnung ist dann zukunftsfähig...

  • ...wenn sie auf das Geschäftsmodell des Unternehmens ausgerichtet ist.
  • ...wenn sie sich ändernde Kostenschwerpunkte berücksichtigt.
  • ...wenn sie der Individualisierung der Produkte gerecht wird.
  • ...wenn sie die gestiegene Unsicherheit bewältigt.
  • ...wenn sie sich an Veränderungen der Steuerung anpasst.
  • ...wenn sie die durch die Digitalisierung geschaffene Möglichkeiten nutzt.
  • ...wenn sie der technologischen Entwicklung der ERP-Systeme folgt.

Wie kommt man zu einer zukunftsfähigen Kostenrechnung?

Um zu einer zukunftsfähigen Kostenrechnung zu kommen, bedarf es eines langen Weges, der professionell gestaltet werden sollte. Fünf Schritte sind zu gehen:

Problembewusstsein schaffen: Das Management ist mit der Kostenrechnung zumeist zufrieden, auch deshalb, weil es die Schwächen des Instruments nicht erkennt. Oftmals gilt das auch für Controller. Der beste Weg, Veränderungen anzustoßen, besteht deshalb aktuell darin, auf den SAP S/4 HANA-Zug aufzuspringen und die IFRS-Harmonisierung zu nutzen.

Grundsätzliche Perspektive für die Kostenrechnung entwickeln: Hierzu gehören der Mut zu einer Vision, der Wille, sich nicht nur von den neuen technischen Möglichkeiten treiben zu lassen, und die Erkenntnis, dass die Veränderung nur als strategisches Projekt erfolgreich sein kann.

Analyse der aktuellen und zukünftigen Rechnungszwecke: Der wichtigste Punkt hierbei ist es zu erkennen, dass die Kostenrechnung nicht zwangsläufig „die Spinne im Netz“ sein muss, sondern es für alle Zwecke der Kostenrechnung alternative Instrumente gibt, die zum Teil sogar deutlich besser geeignet sind. Das Titelbild macht dies deutlich (entnommen aus Weber 2021, S. 118).

Planung konkreter Veränderungen: Eine Vision allein reicht nicht aus, auch wenn sie noch so schön ist. Einzelne Schritte sind erforderlich, um aus einer Vision gewünschte Realität zu schaffen. Kurze, einfache Schritte für schnelle Erfolge sind ebenso erforderlich wie Schritte mit „Leuchtturmcharakter“ und Schrittfolgen mit „Dauerlaufcharakter“ für „Kärrnerthemen“ wie die Gewährleistung einer hinreichenden Datenqualität.

Organisation der Veränderung als Change Management: Kostenrechnung ist eine allseits verstandene betriebswirtschaftliche Sprache. Deutliche Veränderungen schaffen deshalb bei Managern und Controllern Unsicherheit und verursachen potenziell auch Ängste. „Nebenbei“ wird die Einführung einer neuen Kostenrechnung deshalb nicht funktionieren.

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Zukunftsfähige Kostenrechnung in der Unternehmenssteuerung

Analysen, Strategien, Lösungen

Jürgen Weber

Was sind die Stärken und Schwächen der Kostenrechnung? Wie wirkt sich die Digitalisierung auf das erprobte Controllingwerkzeug aus? Antworten und eine neue Perspektive auf die Kostenrechnung gibt Ihnen dieses Buch.

ISBN: 978-3-648-15525-7 / Bestell-Nr.: E11210
Auflage: 1. Auflage 2021 / Umfang: 312 Seiten / Preis: 69,95 EUR

Erhältlich im  Haufe Online Shop oder im Buchhandel.

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