
Nachtschicht gefährdet die Gesundheit - oder nicht? Die gesundheitlichen Probleme und Folgen für die rund 3,5 Mio. Beschäftigten in Deutschland, die ständig oder regelmäßig Nachtschicht arbeiten, sind nicht eindeutig zu bestimmen, lassen sich aber begrenzen.
Dass die Nachtschicht eine Belastung sein kann, liegt vor allem an der Verschiebung des biologischen Rhythmus.
Nachtschicht - wirklich gesundheitsschädlich?
Der menschliche Körper ist auf den Tag-Nacht-Rhythmus der Erde angewiesen. Licht-Dunkel-Signale lösen über Zellen im Auge hormonelle und nervale Signale im Körper aus. Dadurch wird die innere Uhr – und somit die Organe und das Gewebe – mit der Umwelt synchronisiert. Gerät die Synchronisation wiederholt oder dauerhaft außer Takt, kann das negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Schlafstörungen bzw. Schlafdefizite erhöhen das Unfallrisiko
Wer gegen den menschlichen Tag-Nacht-Rhythmus lebt, kann damit unterschiedlichste Beeinträchtigungen auslösen. Durch Schlafstörungen bzw. Schlafdefizite erhöht sich z. B. das Unfallrisiko, da sich die Reaktionszeit verschlechtert.
Bei Untersuchungen des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) an weiblichen Beschäftigten im Pflegedienst zeigte sich allerdings auch, dass vor allem die erste Nacht negative Auswirkungen auf die Reaktionsfähigkeit hat. Ab der zweiten Nachtschicht sind die Werte wieder nahezu identisch mit denen aus den Tagesschichten.
Arbeit in der Nachtschicht wahrscheinlich krebserregend
Im Vergleich mit nicht Schichtarbeitenden treten bei den Schichtdienstlern auch überdurchschnittlich oft Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen sowie Krebs auf. Für Prof. Dr. Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), gibt es eine relativ deutliche Assoziation zwischen Nachtarbeit und malignen Tumoren der Brust, der Prostata und des Darms. Ursache dafür könnte der veränderte Tag-Nacht-Rhythmus sein.
Gerade bei Krebs ist sich die Wissenschaft allerdings nicht einig: Ein internationales Expertengremium wertete sowohl Studien aus, die keinen Zusammenhang zwischen Nachtschichtarbeit und Krebs nachweisen als auch solche, die überzeugend die nächtliche Schichtarbeit als Risiko für eine Krebserkrankung darstellen. Letztlich kamen die Experten zum Ergebnis: Nachtschicht ist "wahrscheinlich für Menschen krebserregend". Allerdings können andere Erklärungen für die Erkrankungen nicht vollkommen ausgeschlossen werden.
Auswirkungen von Nachtschicht unterschiedlich
Wie gestört sich jemand durch Arbeiten „zur falschen Zeit“ fühlt, hängt davon ab, was für ein Chronotyp er ist. Der Frühtyp kann problemlos früh aufstehen. Dem Spättyp fällt dies dagegen schwer. Da er nachts gerne etwas länger wach bleibt, entwickelt er ein Schlafdefizit, wenn er für die Arbeit regelmäßig früh aufstehen muss. Die Chronotypen sollten bei der Schichtplanung möglichst berücksichtigt werden, denn dann ist das Risiko für Erkrankungen geringer.
Spielt das Alter eine Rolle?
Bisher nicht geklärt ist die Frage, ob es eine Altersgrenze gibt, bis zu der Schichtarbeit keine oder wenige negative Auswirkungen hat.
Schicht- bzw. Nachtarbeit können je nach Chronotyp und Alter unterschiedliche gesundheitliche Effekte haben. Deshalb gibt es kein optimales Schichtsystem für alle. Hinzu kommt, dass sich der Chronotyp im Verlauf des Lebens ändern kann.
Fazit zur Nachtarbeit: Welche Probleme gibt es wirklich?
Im Artikel "Warum Schichtarbeit nicht gleich Schichtarbeit ist" erläutern die Autoren des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, warum trotz zahlreicher Studien zwar zahlreiche negative gesundheitliche Effekte aufgedeckt wurden, man daraus aber keine endgültigen Schlussfolgerungen zu den Risiken von Schichtarbeit ziehen kann. Eines der Hauptprobleme sind unterschiedliche Definitionen zum Begriff Nachtschicht sowie das Problem, dass sich nicht alle notwendigen Details, wie z. B. die Rotationsrichtung, in Studien komplett abbilden lassen.
Die IPA-Forscher schreiben in ihrem Fazit, dass die Frage, ob Nacht- bzw. Schichtarbeit krank macht, bisher nicht eindeutig belegt ist, liegt an der Vielzahl der unterschiedlichen Schichtarbeitsformen ebenso, wie an den unvollständigen oder bedingt unzulänglichen Studien. Deshalb sei es für zukünftige Forschung sinnvoller die Frage zu beantworten: Welche Schichtarbeitsform ist für welchen Beschäftigten in welchem Lebensalter am besten geeignet?
Praktische Tipps: Mehr Gesundheit trotz Nachtarbeit
Wenn Schichtarbeit die Gesundheit belastet, ist es umso wichtiger, sie so zu organisieren, dass die Risiken gering sind. Doch welche Maßnahmen in Richtung Arbeitszeit und Arbeitsgestaltung helfen?
In der Praxis haben sich u. a. folgende Maßnahmen bewährt:
- Vorwärts rotierende Schichtpläne, denn die Reihenfolge Nacht-, Früh-, Spätschicht wird von den meisten Beschäftigten besser vertragen.
- Kurze Nachtschichtphasen mit ausreichend Pausen.
- Langfristige und verlässliche Einsatzplanung.
- Vermeiden unnötiger Nachtschichtarbeit, indem Tätigkeiten, die nicht zwingend in der Nacht erledigt werden müssen, im Tagdienst ausgeführt werden.
- Gleitzeit oder kürzere Arbeitszeiten wenn möglich auch beim Schichtsystem einplanen.
- Besondere Belastungen durch Freizeit statt durch Geld ausgleichen.
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