Nachtarbeit gesünder gestalten

Fast fünf Millionen Beschäftigte in Deutschland sind in Nachtschichten eingesetzt. Nachtarbeit hat aber erhebliche gesundheitliche Risiken für die Arbeitnehmer. Unternehmen sollten daher bei der Ausgestaltung von Nachtarbeit die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Beschäftigten berücksichtigen. Wie lässt sich das umsetzen?

Arbeiten Menschen oft oder dauerhaft in Nachtschicht, kann es zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen kommen, warnen Gesundheitsexperten. Dass die Nachtarbeit eine Belastung sein kann, liegt vor allem an der Verschiebung des biologischen Rhythmus.

Gesundheitliche Folgen von Nachtarbeit – Nachteulen kommen besser zurecht

Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Störung des Magen-Darm-Traktes, erhöhte Nervosität und Reizbarkeit, eine Herabsetzung der Reaktions- und Leistungsfähigkeit, Depressionen, Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses und weitere gesundheitliche Störungen könne die Folgen sein. Diese Belastungen und Erkrankungen können wiederum die Unfallgefährdung während der Schichtarbeit erhöhen, teilweise sogar die Betroffenen mittel- und langfristig arbeitsunfähig machen.

Die gesundheitlichen Folgen betreffen alle Typen von Arbeitnehmern, also auch die unterschiedlichen Chronotypen. Als Chronotypen werden die Kategorien von Menschen bezeichnet, die aufgrund ihrer inneren biologischen Uhr physische Merkmale wie beispielsweise Hormonspiegel, Körpertemperatur, Schlaf- und Wachphasen und Leistungsvermögen zu unterschiedlichen Tageszeiten in unterschiedlicher Ausprägung besitzen. Allerdings leiden alle Chronotypen in Nachtschichten mehr oder weniger intensiv, „Nachteulen“ (in der chronobiologischen Terminologie „moderate oder extreme Spättypen“ genannt) kommen mit den Rahmenbedingungen von Nachtschichten aber in der Regel sehr viel besser zurecht als andere Chronotypen.

Gesetzliche Regelungen für Nachtarbeit

Berücksichtigen die Unternehmen bereits die gesundheitlichen Risiken ihrer in Nachtschichten eingesetzten Arbeitnehmer? Beim Faktor Alter müssen sie das bereits – aufgrund der Gesetzeslage. Jugendliche dürfen zum Beispiel nicht in einer Nachtschicht arbeiten, sondern lediglich bis 23 Uhr.

Zwar gibt es bis heute keine Altersgrenze nach oben, ab der Beschäftigte grundsätzlich nicht während einer Nachtarbeit eingesetzt werden können. Dafür sind Nachtarbeitnehmer berechtigt, sich vor Arbeitsbeginn und danach alle drei Jahre arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Ab dem 50. Lebensjahr steht ihm diese Untersuchung sogar einmal im Jahr zu. Stellt der Betriebsarzt dabei fest, dass die Nachtarbeit die Gesundheit des Mitarbeiters gefährdet, muss dieser die Möglichkeit bekommen, eine gleichartige Tätigkeit im Betrieb während des Tages zu übernehmen.

Unabhängig vom Alter gelten folgende Bestimmungen zur Nachtarbeit:

  • Dauert die Nachtarbeit mehr als 8 Stunden, muss die Mehrarbeit bereits innerhalb von vier Wochen ausgeglichen werden.
  • Als Ausgleich für geleistete Nachtarbeit hat das Unternehmen den Beschäftigten eine angemessene Zahl freier Tage oder einen Lohnzuschlag zu zahlen.
  • Die Nachtschichtarbeit muss nach gesicherten und aktuellen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltet werden.

Stoffwechselerkrankungen durch Nachtarbeit

Auch wenn viele negativen Effekte von Nachtarbeit noch nicht endgültig oder teilweise sogar überhaupt nicht wissenschaftlich belegt sind, so lassen sich zumindest für einige gesundheitliche Risiken schon etwas konkretere Aussagen machen. Beispiel: Stoffwechselerkrankungen wie das metabolische Syndrom.

Diese entstehen bei Nachtarbeit aufgrund einer Kombination mehrerer Faktoren. Nahrungsaufnahme zu Zeiten, in denen der Körper nicht auf Verdauung eingestellt ist, Schlafmangel sowie daraus folgende Störungen des Biorhythmus der Beschäftigten.

Es gibt bereits eine Reihe von Studien, die deutliche Hinweise dafür fanden, dass Schichtsysteme mit Nacht- und Spätschichtanteilen im Vergleich zu Tagarbeit ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung an Stoffwechselerkrankungen mit sich bringen. Aber selbst diese Studien haben die Datenlage für den unbestreitbaren engen Zusammenhang von Erkrankung und Nachtarbeit nicht so verändert, dass die gesamte Forschung davon überzeugt ist. So kann man bis heute selbst für diese Erkrankungen lediglich von deutlichen Anhaltspunkten für einen derartigen Zusammenhang sprechen.

Nachtarbeit gesünder gestalten - Individualität stärker berücksichtigen

Menschen reagieren je nach Alter, Vorerkrankungen und persönlichem Chronotyp ganz unterschiedlich auf Nachtarbeit. Daher gibt es auch kein Schichtsystem, das optimal für gesamte Belegschaften bzw. Nachtschichtteams ist. Vielmehr sollten Unternehmen verstärkt auf die Individualisierung der Schichtsysteme setzen. Betriebe sollten sich fragen, welche Schichtarbeitsform und welche Arbeitszeit für welchen Beschäftigten in welchem Lebensalter am besten geeignet sind. Und in der Tat gibt es bereits nicht wenige Unternehmen, die die individuellen Voraussetzungen ihrer Mitarbeiter bei der Schichteinteilung berücksichtigen und Schichtpläne entsprechend gestalten.

Gesundheitsempfehlungen für die Nachtarbeit

Gesundheitsexperten und Arbeitswissenschaftler empfehlen unter folgende präventive Maßnahmen:

  • Die Beschäftigten sollten maximal drei Nachtschichten in Folge arbeiten.
  • Auf eine Nachtschichtphase sollten mindestens 24 besser 48 Stunden Freizeit im Block folgen und Mehrbelastung bzw. Mehrarbeit durch Freizeit ausgeglichen werden.
  • Durch ein angepasstes Beleuchtungssystem sollte die Arbeit während der Nachtschicht erleichtert werden.
  • Weitere empfehlenswerte Maßnahmen sind „harmonische“ Teamzusammenstellungen, einladende und im Laufe der gesamten Nachtschicht geöffnete Pausenräume und das ausreichende Angebot von gesunden Snacks und Getränken.
  • Jegliche Präventivmaßnahmen zur Gesundheitsförderung sollten für eine bestimmte Zeit getestet und dann hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert werden.



Nachtarbeit ist nicht gleich Nachtarbeit

Obwohl die Arbeitsmediziner bei ihren Patienten Beeinträchtigungen diagnostizieren, fehlen bislang die klaren wissenschaftlichen Beweise für den direkten Zusammenhang zwischen Belastungen, Erkrankungen und Nachtarbeit – zumindest in den meisten Fällen. Darauf wiesen vor wenigen Jahren unter anderem Forscher des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in dem Beitrag „Warum Schichtarbeit nicht gleich Schichtarbeit ist“ hin, in der sie erläuterten, dass trotz zahlreicher Studien zwar zahlreiche negative gesundheitliche Effekte aufgedeckt wurden, man daraus aber keine endgültigen Schlussfolgerungen zu den Risiken von Schichtarbeit ziehen kann.

Generalisierende Schlussfolgerungen seien schon deshalb schwierig, weil Nachtarbeit nicht gleich Nachtarbeit ist. Dauernachtarbeit beispielsweise wirke sich auf die Gesundheit von Beschäftigten naturgemäß intensiver aus als nur zeitwillig ausgeführte Nachtarbeit. Weiterhin müssten die spezifischen Schichtarbeitsverhältnisse vor Ort im Betrieb berücksichtigen werden.

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