Studien zu Pflege und Arbeitsschutz

Mobilität und KI in der ambulanten Pflege


Mobilität und KI in der ambulanten Pflege

Die rund sechs Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen sind oft außergewöhnlichen Gefährdungen ausgesetzt, besonders in der ambulanten Pflege. Zwei Studien der BAuA beleuchten zentrale Aspekte, die für den Arbeitsschutz jetzt und künftig entscheidend sind.

Pflegekräfte in der ambulanten Versorgung erfahren während ihrer Arbeit häufig eine noch stärkere Belastung als ihre Kolleginnen und Kollegen in der stationären Pflege. Dies liegt vor allem an Faktoren, welche die Arbeitnehmer in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nicht oder zumindest deutlich weniger haben: Ambulante Pflegekräfte arbeiten allein und ohne die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, haben engen, oft konfliktreichen Kontakt mit den Angehörigen der zu versorgenden Person, arbeiten in ergonomisch nicht optimierten Umgebungen und stehen stets unter Zeitdruck, wenn sie von einem Termin zum nächsten fahren.

BAuA-Forschungsprojekte

Hinzu kommt, dass die ambulanten Pflegedienste sich hinsichtlich ihrer Spezialisierungen, Trägerschaften und Größen stark unterscheiden, was die Findung von umfassenden Pauschallösungen noch schwerer macht als in der stationären Pflege. Was konkret die Herausforderungen der modernen ambulanten Pflege sind, wo die größten Probleme liegen und welche Maßnahmen, Technologien und Verfahren die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern helfen, das ist Forschungsgegenstand der Fachgruppe „Arbeitsgestaltung bei personenbezogenen Dienstleistungen“ am Dresdner Standort der BAuA.

Vor-Ort-Beobachtungen

Eines der aktuellen Forschungsprojekte der Fachgruppe widmete sich der Frage, wie sich die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte objektiv am besten beurteilen lassen. Denn nur wenn die konkreten Arbeitsumstände bekannt sind, so die Forscher, ließen sich auch zielgerichtete Lösungsansätze formulieren. Das hierfür bislang in der einschlägigen Forschung verwendete Analyseinstrument sind Fragebögen, in welchen die Beschäftigten Auskunft über ihre Tätigkeiten und Ansichten geben. Das sei nach Ansicht der BauA-Wissenschaftler aber nicht ausreichend, denn Fragebögen gäben lediglich subjektive Wahrnehmungen wieder. Um ein genaueres Bild zu erhalten, haben die Forscher einen anderen Weg gewählt. Zwischen März 2023 und September 2024 begleiteten sie Pfleger in 52 Arbeitsschichten und beobachteten, welche Tätigkeiten konkret wie oft und wie lange durchgeführt wurden.

Mobilität entscheidender Faktor

Das Ergebnis zeigte: Ungefähr ein Viertel der beobachteten Arbeitszeit entfiel auf reine Fahrzeit zum und vom Klienten bzw. der betreuten Person. Die Dresdner Wissenschaftler schlossen daraus, dass das Thema Mobilität noch stärker im Fokus des Arbeitsschutzes rücken müsse. Dabei sei neben dem Auto auch der öffentliche Nahverkehr zu berücksichtigen, denn längst nicht alle Arbeitnehmer erreichen ihren Arbeitsplatz mit dem eigenen PKW oder dem Wagen ihrer Organisation. Ansatzpunkte für Verbesserungen seien reichlich vorhanden, darunter auch Lösungswege, welche die beobachteten Pfleger und Pflegerinnen selbst vorschlugen. Dazu gehörten der Gebrauch von Routenplaner und Fahr-Apps, um den Zeitdruck zu verhindern, genauso wie regelmäßige Fahrtrainings durch den Arbeitgeber, die helfen sollen, „stressfreier“ durch den Straßenverkehr zu kommen.

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in die Pflege. Damit verbinden sich nicht nur Hoffnungen auf eine noch bessere Versorgung der Menschen, sondern auch für eine Optimierung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte. Das Dresdner BAuA-Forschungsteam hat daher in einer zweiten Studie die 59 wichtigsten wissenschaftlichen Artikel und Arbeiten zur Nutzung von KI in der Pflege analysiert, vom Krankenhauseinsatz bis hin zur ambulanten Pflege. Dabei konnten in Hinsicht auf die Optimierung von pflegerischen Leistungen und Arbeitsbedingungen durch KI insbesondere folgende für das Pflegemanagement relevanten Tätigkeits- und Therapiebereiche identifiziert werden, in denen ein besonders starker Entwicklungsschub für KI in der nahen Zukunft zu erwarten ist:

  • Gesundheitsdatenanalyse: KI analysiert Gesundheitsdaten zur Ableitung individueller Empfehlungen und Anpassung von Pflegeplanung und Personaleinsatz.
  • Sturzprävention: Sensoren erkennen Gangauffälligkeiten und schlagen bei Sturzgefahr frühzeitig Alarm.
  • Telepflege: Vitalparameter werden per Tablet überwacht, Hausbesuche können somit entfallen oder sind nicht mehr so häufig notwendig.
  • Sozial-assistive Roboter: Roboter animieren Menschen mit Demenz zu Gesprächen und helfen bei der Tagesstruktur.
  • Pflegedokumentation: KI kann die Pflegedokumentation verbessern und Arbeitsabläufe standardisieren. So haben Pflegekräfte mehr Zeit für andere Aufgaben und eine noch individuellere Betreuung.

Risiken kalkulieren

Die Dresdner BAuA-Forscher warnen aber vor einer zu naiven Haltung bei der Einführung von KI, denn besondere Herausforderungen und sogar Gefahren seien nicht von der Hand zu weisen. KI sollte zu hohe Anforderungen verringern helfen, nicht diese durch eine dominante und eventuell sogar schwer zu kontrollierende Technologie sogar noch weiter verstärken. Das gehe nur, wenn Menschen die Technologie kontrollieren und nicht umgekehrt die Technologie die Menschen. Speziell für das Pflegemanagement bedeute das: Ob KI den Arbeitsdruck verringert oder erhöht, hängt davon ab, wie sie in den Pflegealltag integriert wird. Arbeitsorganisatorische Risiken sollten durch eine spezialisierte Gefährdungsbeurteilung frühzeitig erkannt und mit technischen sowie betrieblichen Maßnahmen verringert oder ausgeschlossen werden.


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