Mobilitätsbudget: Interview mit Wolf-Johannes Windisch

Mobilitätsbudgets werden als Alternative zum Dienstwagen immer beliebter. Im Interview erklärt Wolf-Johannes Windisch von LOFINO, wie das Konzept die betriebliche Mobilität verändern kann und welchen Beitrag es zur Förderung nachhaltiger Mobilität leistet. Erfahren Sie, welche Gestaltungsmöglichkeiten Unternehmen haben und welche Vorteile der Ansatz bieten kann.

Der klassische Dienstwagen steht aufgrund seiner Umweltauswirkungen zunehmend in der Kritik. Als Alternative rückt das Mobilitätsbudget in den Fokus. Damit können Unternehmen ihren Mitarbeitenden ein monatliches Budget für dienstliche und private Fahrten zur Verfügung stellen. Diese Leistung ermöglicht es den Mitarbeitenden, aus einem breiten Angebot an Verkehrsmitteln zu wählen und die Ausgaben unkompliziert über eine App mit dem Arbeitgeber abzurechnen. Ein Mobilitätsbudget kann somit als nachhaltigere Alternative oder Ergänzung zum Dienstwagen dienen. Je nachdem, welche Verkehrsmittel letztendlich genutzt werden, sind die Auswirkungen auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit jedoch unterschiedlich. Wir sprachen mit Wolf-Johannes Windisch von LOFINO darüber, wie das Mobilitätsbudget funktioniert und welche Vorteile es für Unternehmen, Mitarbeitende und Umwelt bieten kann:

Herr Windisch, Einsteigern im Nachhaltigkeitsmanagement wird häufig geraten, sich an den Themen Fuhrpark und Kantine nicht die Finger zu verbrennen. Ist der Firmenwagen heute wirklich noch so ein emotionales Thema?

Wolf-Johannes Windisch: Ich glaube, es ist ein emotionales Thema, aber es wird oft falsch gedacht. In den meisten Firmen wird den Dienstwagenberechtigten gesagt, dass sie sich ein Fahrzeug bis zu einer Leasingrate von zum Beispiel 800 Euro konfigurieren können. Es gibt keine Möglichkeit, ein kleineres Auto zu nehmen und das gesparte Geld anderweitig zu verwenden. Das führt dazu, dass die Menschen das Budget ausreizen und sich ein größeres Auto nehmen, als sie es eigentlich brauchen. Das ist meiner Meinung nach ein Denkfehler.

Und Sie wollen den Leuten nun ihr heiligs Blechle wegnehmen?

Nein, gar nicht wegnehmen. Wir wollen nur dafür sorgen, dass ein Umdenken stattfindet. Ein Beispiel: Wenn man den Mitarbeitenden mit Dienstwagenberechtigung ein Mobilitätsbudget von 800 Euro gibt, können sie selbst entscheiden, wie sie es nutzen. Viele nehmen dann lieber ein kleineres Auto und nutzen das restliche Budget für ein anderes Mobilitätsangebot, zum Beispiel eine Bahncard. So kann man eine Veränderung erreichen, ohne den Leuten den Dienstwagen wegzunehmen.

Man kann eine Veränderung erreichen, ohne den Leuten den Dienstwagen wegzunehmen.

Dafür gibt es den Begriff „Dienstwagen-Downsizing“. Findet das in der Praxis tatsächlich statt?

Je mehr Optionen zur Verfügung stehen, desto häufiger findet es auch statt. Wir haben Kunden, die genau aus diesem Grund auf uns zukommen. Weil sie bereits einen großen Fuhrpark haben, nicht weiter expandieren wollten und der Meinung sind, das muss in Zukunft anders laufen. Stattdessen wollen sie downsizen und nachhaltigere Mobilität fördern.

Funktionsweise des Mobilitätsbudgets

Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Wie funktioniert das Konzept des Mobilitätsbudgets?

Mit einem Mobilitätsbudget können Unternehmen ihren Mitarbeitenden ohne großen Aufwand ganz unterschiedliche Mobilitätsleistungen anbieten. Die Mitarbeitenden beziehen eine Leistung und reichen eine Quittung ein, die Abrechnung erfolgt im Hintergrund in einer App. Wie das lohnbuchhalterisch organisiert wird, entscheidet jedes Unternehmen selbst. Man kann das Budget zum Beispiel über eine Gehaltsumwandlung realisieren, was bei Dienstwagen häufig der Fall ist. Oder man kann es als Firmenzuschuss gestalten. Hier ist eine Beratung wichtig, um grundsätzliche steuerliche Fragen zu klären. Beispielsweise müssen die verschiedenen Mobilitätsformen sauber abgerechnet werden, um steuerliche Vorteile zu nutzen. Unternehmen müssen aber auch darüber nachdenken, wie sie Mobilität fördern und gleichzeitig nachhaltiger gestalten können. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Optionen wie Flugreisen oder das Tanken des eigenen Autos nicht subventioniert werden. Ein Mobilitätsbudget sorgt, wenn es gut gemacht ist, dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Mobilitätsverhalten überdenken und anders mobil werden.

Ist es die Aufgabe von Unternehmen, ihre Mitarbeitenden in Richtung nachhaltiger Mobilität zu erziehen? Dies hat auch Auswirkungen auf deren private Mobilität.

Ob das die Aufgabe der Unternehmen ist, müssen sie selbst entscheiden. Aber es ist wichtig, dass sich Unternehmen mit dem Thema auseinandersetzen. Zum einen ist es 2023 einfach nicht mehr akzeptabel, den Planeten auszubeuten. Zum anderen gibt es immer mehr Richtlinien, die Unternehmen zwingen, sich mit den Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt auseinanderzusetzen. Das Pendelverhalten der Mitarbeitenden gehört in eine Emissionsbilanz, Unternehmen sollten hier also einen Überblick haben.

Das Pendelverhalten der Mitarbeitenden gehört in eine Emissionsbilanz, Unternehmen sollten hier also einen Überblick haben.

Ist die nachhaltigste Mobilität nicht ohnehin die, die gar nicht erst stattfindet?

Mit dieser Frage beschäftigen wir uns immer wieder. Wir bieten Unternehmen nicht nur eine Plattform zur Abwicklung des Mobilitätsbudgets, sondern eine Benefit-Plattform. Auf dieser gibt es auch Optionen, die der Mobilitätsvermeidung dienen, wie etwa das Fördern der Homeoffice-Ausstattung von Mitarbeitenden. Das ist allerdings eine strategische Abwägung des jeweiligen Unternehmens: Will es Homeoffice beziehungsweise hybrides Arbeiten anbieten oder seine Mitarbeitenden vor Ort haben?

Mobilitätsverhalten in Stadt und Land

Wie verändern sich die Mobilitätsbedürfnisse Ihrer Beobachtung nach?

Hier müssen wir zwischen urbanen und ländlichen Räumen unterscheiden. Menschen, die in diesen beiden Welten leben, haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Die Trendforschung zeigt jedoch, dass viele Menschen ihr Mobilitätsverhalten überdenken und nachhaltiger gestalten möchten. Es fehlen ihnen aber oft die Möglichkeiten und richtigen Anreize dafür.

Hat das Mobilitätsbudget außerhalb von Ballungsräumen bereits Fuß gefasst und eine Daseinsberechtigung?

Nein und ja: Es hat noch nicht wirklich Fuß gefasst, aber es hat definitiv eine Daseinsberechtigung. Es ist wichtig, Lösungen zu finden, die den individuellen Bedürfnissen in ländlichen Gebieten gerecht werden. Der Individualverkehr wird hier weiterhin eine große Rolle spielen. Unternehmen müssen darüber nachdenken, wie sie Mobilität in diesen Regionen verbessern können. Zum Beispiel könnten Auto-Abos für Elektrofahrzeuge eine Alternative sein. Die Menschen könnten dann ausprobieren, ob diese Form der Mobilität für sie funktioniert und der Schritt weg vom Verbrennungsmotor wäre nicht mehr so groß. Das Mobilitätsbudget ermöglicht es Unternehmen, verschiedene Mobilitätsdienstleistungen anzubieten. Es kann dazu beitragen, dass Unternehmen und Mitarbeitende steuerliche Vorteile nutzen und gleichzeitig einen Beitrag zur Emissionsminderung leisten.

Vielen Dank für das Gespräch!