CSDDD und die Herausforderungen für die Lieferkette
Nach Inkrafttreten der EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtlinie bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht zu überführen. Bis Juli 2027 gelten die Regelungen für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von 1,5 Milliarden Euro, ab Juli 2028 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und 900 Millionen Euro Nettoumsatz und schließlich ab Juli 2029 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Nettoumsatz.
Die durch die Regelungen der CSDDD direkt betroffenen (großen) Unternehmen sind häufig bereits durch andere Gesetze (LkSG, CSRD, EU Taxonomie, EUDR) zur Berichterstattung verpflichtet und haben entsprechende Managementsysteme zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits eingerichtet oder bauen diese gerade auf. Unsere Erfahrungen aus der Projektarbeit von adelphi / phiyond zeigen jedoch: Viele der indirekt betroffenen Zulieferbetriebe, die außerhalb der EU und oftmals im globalen Süden niedergelassen sind, betreten Neuland bei der Umsetzung von Maßnahmen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Erkenntnisse aus Forschung und Beratung zu Sorgfaltspflichten in verschiedenen Branchen (zum Beispiel Textil und Mode, Automobil, Bergbau) zeigen, dass der Großteil von ihnen kaum auf die neuen Anforderungen und den Perspektivwechsel von stakeholders (Anspruchsgruppen) auf rightsholders (Rechteinhabende) vorbereitet ist. Zulieferbetriebe im globalen Süden, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), verfügen häufig nicht über die notwendigen Kapazitäten, menschenrechtliche und ökologische Risiken systematisch zu erkennen und zu beheben. Darüber hinaus ist das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung (shared responsibility) zwischen einkaufenden und produzierenden Unternehmen in den von menschenrechtlichen und Umweltauswirkungen besonders betroffenen Branchen zum Beispiel bisher kaum verankert. Es ist daher davon auszugehen, dass die von der CSDDD betroffenen Unternehmen, die auf robuste Nachhaltigkeitsdaten der Lieferkette angewiesen sind, große Schwierigkeiten haben werden, die Lieferkettenrichtlinie im Rahmen des bestehenden Geschäftsmodells wirkungsvoll umzusetzen.
Große Unterschiede bei den Zulieferbetrieben
In vielen Produktionsländern fehlt häufig ein funktionales regulatorisches Umfeld, das die jeweiligen Schlüsselindustrien an internationale Nachhaltigkeitsanforderungen nicht nur in Bezug auf Leistungsindikatoren, sondern auch auf die dafür notwendigen Prozesse und Systeme heranführt. Die Unterschiede zwischen den oft unzureichenden nationalen Gesetzen bzw. deren mangelhafte Durchsetzung aufgrund fehlender oder dysfunktionaler Aufsichtsbehörden und der zunehmend verbindlichen Sorgfaltspflichtengesetzgebung innerhalb wie außerhalb der EU, sind groß. Nur wenige große nationale Vorreiterunternehmen in einer ansonsten KMU-dominierten Zulieferbasis beispielsweise der Textil- und Bekleidungsindustrie nutzen entsprechende Systeme (Management, Datenaustausch, Berichterstattung), obwohl dies auch im eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse wäre. Kleinere und mittlere Zulieferer hingegen verfügen in der Regel nicht über die personellen und finanziellen Ressourcen, um entsprechende Kapazitäten aufzubauen. Freiwillige Nachhaltigkeitsinitiativen und -standards stehen spätestens seit dem Monitoring des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) im Ruf, lediglich Anforderungen abzuhaken, ohne dass dies zu substanziellen Verbesserungen bei den Zulieferbetrieben und insbesondere den Rechteinhabenden führt. Statt an den Ursachen anzusetzen, binden große Zulieferfirmen kleinere Betriebe häufig über Unteraufträge in globale Lieferketten ein. Mangelnde Transparenz in der Lieferkette über die Produktionsbedingungen verschleiert oft das tatsächliche Ausmaß der Menschenrechts- und Umweltverletzungen.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie zwingt berichtspflichtige Unternehmen nun, das Prinzip der Sorgfaltspflicht in die Unternehmensführung einzubauen und mögliche negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu ermitteln und abzustellen. Damit verbunden ist aber die Befürchtung, dass große Unternehmen ihre Produkte nur noch aus „sicheren Quellen“ beziehen und sich der notwendigen, aber mühsamen Auseinandersetzung mit kleineren Zulieferern entziehen (Wuttke et al. 2022). Dies hätte erhebliche Konsequenzen für die Zulieferstruktur in vielen Produktionsländern der Textil- und Bekleidungsindustrie (zum Beispiel Pakistan, Bangladesch, Kambodscha), die größtenteils aus KMU besteht. Darüber hinaus geht die Sorge um, dass Lieferant:innen auf den Kosten zur Anpassung der Systeme sitzen bleiben, ohne dafür entsprechend über höhere Preise entschädigt zu werden. Beides sind unbeabsichtigte, aber nicht unwahrscheinliche Effekte der CSDDD, sofern nicht entsprechende Lösungen für die drängenden Fragen entwickelt werden.
Wer trägt die Kosten für Abhilfemaßnahmen?
Nach dem klassischen Compliance-Ansatz waren Lieferant:innen bislang vorrangig damit beschäftigt, die Vorgaben der Kunden in Bezug auf Arbeits- und Umweltstandards (zum Beispiel Code of Conduct, Zertifizierungen) zu erfüllen. Im Fast-Fashion-Geschäftsmodell beispielsweise sind niedrige Produktions- und Lohnkosten bei entsprechender Qualität das Maß aller Dinge. Interne und unabhängige Audits dienen den Unternehmen, die Produktionsbedingungen in den Zulieferbetrieben in regelmäßigen Abständen zu prüfen. Durch das Subcontracting, das unter dem gegenwärtigen Preis- und Wettbewerbsdruck trotz anderslautender Vereinbarungen üblich ist, geraten die Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt weiter aus dem Blickfeld. Während in einigen Bereichen beispielsweise der Textil- und Bekleidungsindustrie durchaus positive Entwicklungen zu verzeichnen sind (zum Beispiel Arbeits- und Gesundheitsschutz), wurden bei kritischen Themen wie Versammlungsfreiheit oder existenzsichernde Löhne kaum Fortschritte erzielt. Für Investitionen in umweltfreundliche Technologien, Anlagen und Prozesse fehlt es in vielen Fällen an Kapital. Maßnahmenpläne aus Audits werden daher selten vollumfänglich umgesetzt, da dies zum einen für das Bestehen des Audits nicht immer notwendig ist und zum anderen die Zulieferer mit den Folgekosten häufig allein gelassen werden. Anreizsysteme existieren bislang kaum oder verbinden zu wenig eine leistungsabhängige Vergütung mit konkreten Nachhaltigkeitsanforderungen. Auch die in der Regel stark diversifizierte Kundenstruktur ihrer Lieferant:innen bietet berichtspflichtigen Unternehmen wenig Anreiz, in die vorgelagerte Lieferkette zu investieren. Lediglich Schlüssellieferant:innen mit bestimmten Artikeln oder großen Volumina kommen in den Genuss gezielter Unterstützungsmaßnahmen, wie Schulungen oder Fachberatung zu bestimmten Anlagen oder Prozessen. Das wirft die Frage auf, wie zeitgemäß das aktuelle Geschäftsmodell noch ist und welche Anreizsysteme sinnvoll sind, um die Kooperation zwischen einkaufenden und produzierenden Unternehmen im Sinne des CSDDD zu stärken.
Was muss sich ändern?
Die unternehmerische Sorgfaltspflicht nach CSDDD setzt ein anderes Miteinander zwischen einkaufenden und produzierenden Unternehmen voraus. Berichtspflichtige Unternehmen müssen die Risiken entlang ihrer Lieferkette aktiv managen. Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind entscheidend, um Erkenntnisse über etwaige Menschenrechts- oder Umweltrisiken zu gewinnen. Unternehmen müssen daher ihre gesamte Wertschöpfungskette proaktiv überprüfen und ihre Lieferant:innen dazu anhalten, die Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Neben personellen und finanziellen Ressourcen sowie Fachwissen erfordert dies passende technische Lösungen für die Analyse, das Management und die Dokumentation der Risiken. Digitale Systeme sind ein erster wichtiger Schritt, um sich einen Überblick über die Herausforderungen zu verschaffen, reichen jedoch nicht aus. Je nach Land, Industrie und Material ergeben sich kontextspezifische Lösungen, für die lokale Akteur:innen konsultiert und eingebunden werden müssen (meaningful stakeholder engagement).
Eine enge und kontinuierliche Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den berichtspflichtigen einkaufenden Unternehmen einerseits und den Waren- und Datenlieferant:innen andererseits ist entscheidend für die Qualitätssicherung von Produkten und Daten. Daten müssen gezielt gesammelt, analysiert, aufbereitet und über geeignete, interoperable Systeme zur Verfügung gestellt werden, damit alle relevanten Stakeholder die richtigen Schlüsse ziehen können. In der Praxis funktioniert dies besonders gut, wenn die Vertragspartner sich kennen und einander vertrauen. Langjährige Kooperationen sind nichts Neues in der Textil- und Bekleidungsindustrie; nur werden sie zu selten und eben nicht flächendeckend eingesetzt. Die Verfügbarkeit von billigen und flexiblen Lieferant:innen hält das dominante Fast-Fashion Geschäftsmodell aufrecht. Die CSDDD verlangt aber, dass Vertragspartner:innen dem Prinzip der gemeinsamen Verantwortung nachkommen und Risiken nicht einfach auf vorgelagerte Akteure abgewälzt werden können. Dies bedeutet eine Abkehr vom kompetitiven, preisgetriebenen Geschäftsmodell, das ein unausgewogenes Machtgefüge zwischen einkaufenden und produzierenden Unternehmen fördert, hin zu einem kooperativeren Ansatz mit einer gerechteren Verteilung von Kosten und Nutzen. Anreizsysteme zwischen den Parteien gelten dabei als wichtiges Instrument, um positive Veränderungen in den Lieferketten zu erzielen und nachhaltiges Handeln zu fördern. Sie werden bislang allerdings selten genutzt. Dabei lassen sich Verträge verantwortungsvoll (shared responsibility) gestalten und mit entsprechenden Nachhaltigkeitszielen verknüpfen, wie die Mustervertragsklauseln des Responsible Contracting Project oder des The Chancery Lane Project belegen.
Welche Unterstützung braucht die Lieferkette?
Um die CSDDD wirkungsvoll umzusetzen, müssen gemeinschaftlich Lösungen mit den Akteuren der Lieferkette erarbeitet werden. Berichtspflichtige Unternehmen stehen dabei in der Verantwortung, angemessene Unterstützung beim Kapazitätsaufbau zu leisten. Lieferant:innen, zumal KMU, sind auf aktive Unterstützung bei der Umsetzung des Sorgfaltspflichtenprozesses angewiesen, da sie weder über die personellen noch finanziellen Ressourcen verfügen. Toolkits, Handbücher, Schulungen und ein engmaschiges Monitoring sind geeignete Instrumente, um die Geschäftspartner an die neuen Anforderungen heranzuführen. Audits und Zertifizierungen wird ebenfalls eine unterstützende Rolle bei der Ermittlung von negativen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit zugeschrieben. Gleichwohl bleibt ungeklärt, wie die Kosten beim Einsatz dieser Instrumente angemessen verteilt werden können (siehe Strasser et al. 2024). Nachhaltiges Lieferkettenmanagement ist mit Aufwand verbunden, zahlt sich aber aus, sobald Risiken minimiert und das entsprechende Datenmaterial in angemessener Qualität zur Verfügung gestellt werden können. Damit ist der Nutzen für berichtspflichtige Unternehmen klar. Doch auch Lieferant:innen fordern einen angemessenen Ertrag für ihre Nachhaltigkeitsleistungen, der sich nicht im Zugang zu den Märkten der EU erschöpft.
Wirkungsvolle Anreizsysteme müssen verstärkt leistungsbasiert und nachhaltigkeitsbezogen vorgehen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Ob dies über Preisprämien, Abnahmevereinbarungen oder andere kollaborative Ansätze erfolgt, müssen die Vertragspartner:innen selbst aushandeln. All das wird jedoch nur gelingen, wenn Herausforderungen vor Ort nicht mehr ausschließlich als lokale Probleme wahrgenommen werden. Die CSDDD zeigt, dass menschenrechtliche und Umweltrisiken systemische Ursachen haben und daher entsprechende Lösungen verlangen, die alle relevanten Akteursgruppen entlang der Lieferkette, insbesondere zuliefernde Unternehmen, Arbeiter:innen oder lokale Communities, einbeziehen. Nachhaltigkeits- und Multi-Stakeholder-Initiativen können einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie entsprechende Unterstützungssysteme zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten bereitstellen, die Rechteinhabende stärken. Fest steht jedoch: Initiativen setzen Handlungsschwerpunkte, keine Initiative kann allen Anforderungen der CSDDD gerecht werden. Es ist im Sinne der CSDDD auch nicht möglich, die Verantwortung für die unternehmerische Sorgfaltspflicht an solche Initiativen zu delegieren. Unternehmen müssen deshalb aktiv die Stakeholder-Landschaft in ihrer Lieferkette screenen und gemeinsam mit ihren Geschäftspartner:innen in der Lieferkette ein Maßnahmenpaket schnüren, mit dem Menschenrechtsverletzungen und negative Umweltauswirkungen wirksam unterbunden werden. Das verbessert nicht nur die Lage der Rechteinhabenden, sondern führt mittel- bis langfristig auch zu erheblichen Kosteneinsparungen für die Unternehmen und stärkt zudem die Resilienz der Lieferkette.
Unternehmen sind daher gut beraten, die nächsten zwei Jahre zu nutzen und Maßnahmen eng abgestimmt mit den Geschäftspartner:innen in der Lieferkette zu ergreifen.
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Literatur:
- Strasser, Joseph; Bibiana Garcia, Carolin Grüning, Chung Tran, Kristiina Martin, Jürgen Hannak, Josephine Jüde, Michelle Becker, Janina Grabs and Joerg Hofstetter 2024: Cost allocation and incentive mechanisms for environmental, climate protection and resource conservation along global supply chains – Analysis of the cotton, tin, natural rubber, coffee and iron ore supply chains. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt (UBA)
- Wuttke, Tobias; Lise Smit, Asmita Parshotam, Alejandra Ancheita, Abu Meridian 2022: Human Rights and Environmental Due Diligence in Global Value Chains: Perspectives from the Global South. Research Division Africa and Middle East/Research Network Sustainable Global Supply Chains, Working Paper 2022/Nr. 2, August 2022, 29 Pages
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