Auch wenn im Rahmen des Prüfkriteriums "Gleichstellung von Mann und Frau" bereits allgemein über die Gleichberechtigung von Menschen anderer Rasse bzw. ethnischer Herkunft, anderer Religion oder Weltanschauung gesprochen wurde, greife ich das Thema hier noch einmal auf, um darauf aufmerksam zu machen, dass es manchmal gar nicht um "Gleich"behandlung geht, sondern sogar eine Sonderbehandlung (im positiven Sinne) angebracht ist. Der Begriff "Gleichbehandlung" führt meines Erachtens häufig in die falsche Richtung. Besser wäre der Begriff "gerechte" oder "angemessene" Behandlung. Auch Frauen und Männer gleich zu behandeln, halte ich nicht immer für sinnvoll. Sie sind nun einmal unterschiedlich. Und Sie stimmen mir sicher zu, dass es nicht richtig wäre, eine "50-kg-Frau" aufzufordern, das 25-kg-Paket, das gerade im Weg ist, beiseite zu räumen, während ihr "100-kg-Kollege" daneben steht und zusieht. Ich weiß, es gibt auch 50-kg-Männer und 100-kg-Frauen, das ändert aber nichts an der Argumentation für faire Behandlung. Im Zuge der Erkenntnis, dass der Fachkräftemangel in Deutschland – unter anderem aus demografischen Gründen – weiter anwächst (das habe ich 2013 übrigens schon genau so geschrieben), kümmern sich nach und nach immer mehr Unternehmen um die Anwerbung ausländischer Mitarbeiter. Um diese wirklich für eine Einwanderung zu interessieren, bedarf es aber nicht nur finanzieller Anreize.

Die Integrationsbeauftragte[1] der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, sagte beim Frühjahrstreffen 2022 der Integrationsbeauftragten der Länder: "Im Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen starten wir einen Neuanfang in der Integrationspolitik. Wir wollen ein modernes Einwanderungsland sein. Das heißt auch, dass wir endlich Wege bieten aus der unerträglichen Ketten-Duldung für diejenigen, die bereits seit über 5 Jahren hier in Deutschland leben. Das betrifft über 100.000 Menschen. Sie sind inzwischen hier zu Hause, wollen sich einbringen, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. (…) Ein modernes Einwanderungsland braucht auch ein Staatsangehörigkeitsrecht auf der Höhe der Zeit. Wir müssen besser und schneller einbürgern. Und wir müssen es ermöglichen, dass Menschen mehr als nur eine Staatsangehörigkeit haben."[2]

In Wirtschaftsunternehmen werden die Bemühungen bei der Integration von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen sicher stark davon abhängen, wie wichtig die betreffenden Arbeitskräfte für das Unternehmen sind, inwiefern ihre möglicherweise in einem anderen Land erworbenen beruflichen Abschlüsse in Deutschland anerkannt werden, aber auch davon, wie viele Mitarbeitende aus anderen Kulturen bereits im Unternehmen arbeiten, die ein besonderes Verständnis für die Anfangsschwierigkeiten ihrer neuen Kollegen haben und dadurch bereitwilliger zur Integration beitragen, z. B. indem sie Patenschaften übernehmen.

Ein Musterbeispiel für eine gelungene Integration ist die Geschichte der (türkischen) "Gastarbeiter" in Deutschland nicht gerade. Allerdings war auch zunächst nicht geplant, dass sie dauerhaft in Deutschland bleiben, sondern es wurden eher Maßnahmen ergriffen, die es ihnen erleichtern sollten, ohne Schwierigkeiten in ihr Heimatland zurückzukehren. So wurden sie z. B. darin unterstützt, Kontakt zu ihren Familien in der Heimat zu halten und ihre Kinder wurden von Lehrern in der Muttersprache unterrichtet, um die nationale Identität zu erhalten. Zudem handelte es sich bei den Anfang der 1960er-Jahre "geholten" Arbeitskräften aus der Türkei nicht um hoch qualifizierte Fachkräfte, sondern es wurden Menschen gebraucht, die körperlich hart arbeiten konnten und auch dazu bereit waren.[3]

Man hat sich also weder in den Unternehmen noch gesamtgesellschaftlich wirklich um eine Integration bemüht. Dennoch sind viele der ehemaligen Migranten geblieben, haben ihre Familien nachgeholt und leben inzwischen in der dritten oder vierten Generation in Deutschland. Diese Kinder und Enkel sind heute in höher qualifizierten Berufen unterrepräsentiert. Sie haben offenbar weder von ihren Familien noch vom deutschen Staat die notwendige Unterstützung erhalten, um die gleichen Berufschancen wie ihre deutschen Altersgenossen ohne Migrationshintergrund zu erhalten.

Hätte man früher bewusst auf Integration gesetzt und für eine entsprechende (im Vergleich zu den Eltern) deutlich höhere Bildung der nachkommenden Generationen gesorgt, wäre der Fachkräftemangel möglicherweise nicht vorhanden. Es ist müßig, jetzt darüber zu diskutieren, aber aus Fehlern zu lernen, hat noch nie geschadet. Ein paar Schritte in die richtige Richtung sind bildungspolitisch erfolgt. Es reicht(e) aber offensichtlich nicht aus, um nun nicht doch auf Zuwanderung angewiesen zu sein. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 hat übrigens "einen moderaten positiven Zusammenhang zwischen kultureller Vielfalt und Innovation festgestellt."[4]

[1] Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration; Die Beauftragte der Bunde...

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