Wenn es um Veränderung geht, denken die meisten Menschen daran, was anders gemacht werden soll. Dies tun Führungskräfte auch. Im Mittelpunkt stehen sachliche Überlegungen oder Maßnahmen. Dagegen wird nicht betrachtet, was es braucht, damit Mitarbeiter Veränderungen erfolgreich umsetzen. Vielmehr gibt es obendrein falsche Annahmen, wie Veränderung funktioniert. Change-Verantwortliche sollten daher bei Veränderungsprozessen den Blick dafür öffnen, was die Veränderung bisheriger Verhaltensweisen und Gewohnheiten aus Sicht der Veränderungspsychologie und der Neurowissenschaften bedeutet.

Hirnforscher wie Gerald Hüther lehren uns, dass eine Gewohnheit in unserem Gehirn als eine gut ausgebaute Nervenverbindung angelegt ist.[1] Sozusagen eine Datenautobahn. Anfangs sind es kleine "Nervenwege", die sich durch Erfahrungen ausbilden. Je häufiger diese Verschaltungen aktiviert werden, umso fester etablieren sie sich. Es entstehen also "allmählich feste Straßen und schließlich sogar breite Autobahnen". Wenn man nun eine alte Gewohnheit ablegen und ein neues Verhalten aufbauen möchte, ist das wie beim Bau echter Autobahnen. Es braucht Zeit und Arbeit, um eine neue Trasse zu bauen. Je länger solche Routinen bestehen und je tiefer sie bei uns verankert sind, umso anspruchsvoller ist dies meistens.

Im Alltag fällt es daher den meisten Menschen schwer, vom "alten" auf den "neuen" Weg umzuschalten. Mal gelingt es, dann auch wieder nicht. Beispiel "nachhaltiger einzukaufen": Man will Plastikmüll vermeiden und dann hat man doch wieder den Plastik-Blister mit den Cocktailtomaten in den Einkaufswagen getan – weil sie schöner aussahen oder weil man nicht daran gedacht hat.

Wenn es um die Veränderung von gewohnten Verhaltensmustern geht, passieren verschiedene Denkfehler, die es zu vermeiden gilt. Zum einen überschätzen wir die Rolle der Motivation für eine Veränderung, sagt Psychologieprofessorin Wendy Wood. Die Autorin spricht vom "Mythos, dass eine Verhaltensänderung nicht mehr erfordert als einen festen Vorsatz und die Willenskraft, ihn umzusetzen". Für echte dauerhafte Veränderungen reiche Willenskraft nicht aus, so die Autorin. Denn diese passieren nicht auf einen Schlag und bilden sich erst dadurch aus, indem Menschen bestimmte neue Handlungen oft wiederholen.[2]

Motivation und Entschlossenheit sind eine wichtige Basis für Veränderung. Greif weist mit seinem erweiterten Rubikon Modell auf, welche psychologischen Prozesse für die Änderung von Gewohnheiten maßgeblich sind. Wesentlich sind auch volitionale Kompetenzen und damit spezielle Selbstregulationsstrategien, um genügend lange einen Vorsatz zu verfolgen, bis sich eine neue Gewohnheit etabliert hat. Er verweist auf Befunde in der Coaching-Forschung, wonach es im Durchschnitt 66 Tage dauert, bis sich neue Denk- und Verhaltensweisen ganz gut stabilisiert haben. Dabei schwankt diese Zahl je nach Person und Verhaltensgewohnheit mal nach oben, mal nach unten.[3]

Doch diese Zusammenhänge haben Führungskräfte bei Change-Prozessen selten im Blick. Stattdessen agieren sie mit Erwartungen, die die Psychologie-Professoren Janet Polivy und C. Peter Herman als False-Hope-Syndrom beschreiben.[4] Damit verbunden sind 4 unrealistische Erwartungshaltungen, wie Veränderung funktioniert. Sie betreffen das Ausmaß einer gewünschten Veränderung, das Tempo und die Leichtigkeit, mit der wir diese schaffen und die damit verbundenen Effekte. Jeder dürfte dieses False-Hope-Syndrom schon einmal bei sich selbst erlebt haben, als er sich zu Silvester gute Vorsätze für das neue Jahr vorgenommen hat. Man nimmt sich vor abzunehmen und sieht ein Diätmittel, was einem verspricht, in 7 Tagen 7 kg abzunehmen. Man kauft es, weil es so schön einfach und schnell machbar klingt und "tolle" Effekte verspricht. Doch das Versprechen trifft nicht ein und die Enttäuschung ist groß.

Folglich ist es wichtig, diese False-Hope-Mechanismen bei den Veränderungsbestrebungen zur Nachhaltigkeit von vornherein zu vermeiden. Entscheidend ist, realistisch an notwendige Veränderungen heranzugehen und sich klarzuwerden, was Veränderung aus Sicht des Gehirns bedeutet. Damit ist nicht nur verbunden, "Datenautobahnen" zu verändern, sondern auch "Schwerstarbeit". Roth und Ryba machen deutlich, dass Veränderung aus Sicht des Gehirns stoffwechselphysiologisch nicht wirklich erstrebenswert ist. Es braucht einen sehr triftigen Grund mit einem hohen Belohnungswert. Dieser sollte am besten intrinsisch sein, also eine innere Freude bereiten. Materielle Belohnungen in Form von Geld und Privilegien nutzen sich schnell ab und auch soziale Belohnungen wie Lob, Macht, Bindung und Anerkennung verlieren mit zunehmender Häufigkeit schnell ihre Wirkung.[5]

Und damit schließt sich der Kreis zu den o. g. Gedanken. Nachhaltigkeit darf kein Feigenblatt sein. Nur wenn es gelingt, eine innere Motivation zur Veränderung aufzubauen, weil die Veränderung Sinn stiftet, gibt es eine realistische Chance, auch die gesteckten Veränderungsziele gut zu erreichen. Und wenn...

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