6.1 Abzudeckende Zeithorizonte

 

Rz. 102

Im Hinblick auf die Berichtszeiträume, die von der Nachhaltigkeitsberichterstattung abzudecken sind, hält ESRS 1 zunächst fest, dass die Nachhaltigkeitserklärung denselben Berichtszeitraum umfasst, auf den sich auch die Finanzberichterstattung, d. h. der Abschluss bezieht (ESRS 1.73). Dies ist insofern konsequent, als diese Nachhaltigkeitserklärung gem. CSRD verpflichtender Teil des Lageberichts ist und damit in die Finanzberichterstattung eingebettet ist.[1]

 

Rz. 103

Freilich kann diese Forderung zumindest in den ersten Jahren einer Berichtspflicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein. Oftmals liegen in der Praxis einzelne Daten, die für die Berichterstattung erforderlich sind, erst zu einem Zeitpunkt nach dem Berichtsstichtag vor; dies insbes. dann, wenn ein Unternehmen auf Datenzulieferungen von Geschäftspartnern angewiesen ist (z. B. Energieverbräuche, Emissionen, Daten i. V. m. Sachverhalten, die entlang der Wertschöpfungskette materialisieren). Sofern diese Daten nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, um in die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgenommen zu werden, hat ein Unternehmen Schätzungen vorzunehmen (Rz 26). Auf diesen Umstand ist in der Berichterstattung gem. ESRS 2 BP-2 (gem. den einschlägigen Ausführungen des ESRS 1 zu Schätzungen) hinzuweisen; darüber hinaus müssen entsprechende Maßnahmen initiiert werden, damit die Datenbedarfe in kommenden Nachhaltigkeitserklärungen abgedeckt werden können. In Folgejahren sind ggf. Anpassungen der Vorjahreswerte erforderlich, wenn anstelle der Schätzungen die maßgeblichen Ist-Daten vorliegen (Rz 112).

 

Rz. 104

ESRS 1 enthält im Zusammenhang mit den Darstellungen zu den Berichtszeiträumen Definitionen der zukunftsgerichteten Zeithorizonte, die durch die Begriffe "kurzfristig", "mittelfristig" und "langfristig" adressiert werden:

  • Kurzfristige Zeithorizonte entsprechen dem Zeitraum, den ein Unternehmen seiner Finanzberichterstattung zugrunde legt (ESRS 1.77(a)). D. h., es ist von einem Geschäftsjahr auszugehen.
  • Mittelfristige Zeithorizonte beziehen sich auf Zeiträume, die länger als die kurzfristigen Zeithorizonte gem. ESRS 1.77(a) sind und bis zu fünf Jahre umfassen können (ESRS 1.77(b)).
  • Langfristige Zeithorizonte beziehen sich auf alle Zeiträume, die fünf Jahre übersteigen (ESRS 1.77(c)).

Sofern einzelne andere ESRS abweichende Vorgaben zu diesen zukunftsgerichteten Intervallen haben, so gehen diese den allgemeinen Definitionen von ESRS 1 vor (ESRS 1.79).

 
Wichtig

Für die Analyse langfristiger Zeithorizonte wird es aus pragmatischen Gründen erforderlich sein, ebenso einen max. Zeitraum für die Betrachtung festzulegen. Diese Festlegung wird auf die Besonderheiten des betrachteten Nachhaltigkeitsaspekts Bedacht nehmen müssen. Pauschale Festlegungen etwa auf Zeiträume von "max. zehn Jahren" werden demgegenüber wenig sachgerecht sein. Augenscheinlich wird dies etwa für das Beispiel der Klimaberichterstattung gem. ESRS E1, wofür bereits die relevanten politischen Rahmenbedingungen in der EU eine Betrachtung von Zeiträumen nahelegen, die bis in das Jahr 2050 reichen.

Diese lt. ESRS 1 zu berücksichtigenden Zeiträume gehen über die Betrachtungszeiträume hinaus, die der traditionellen Finanzberichterstattung (z. B. bei der Risikoberichterstattung im Lagebericht), aber ebenso dem daran knüpfenden (finanziellen) Risikomanagement zugrunde liegen. Um die Konsistenz der im Unternehmen eingesetzten Systeme zu wahren, sind daher Erweiterungen an den bisher eingesetzten Systemen und Prozessen vonnöten bzw. ist auch eine Erweiterung dieser anzudenken.

 

Rz. 104a

Maßgeblich ist im Zusammenhang mit der Wesentlichkeitsanalyse, ob eine Auswirkung, Chance oder Risiko in einem Zeitraum eintritt. Diesfalls kann sie bei der Wesentlichkeitsanalyse identifiziert und anschließend bewertet werden. Nicht erforderlich ist es demgegenüber, dass sie auch über einen oder mehrere dieser Zeiträume hindurch wirkt, bzw. zu bewerten, wie lange sie anhält. Diese unterschiedliche zeitliche Dauer kann ein Unternehmen allerdings in Folge bei der Bewertung der Schwere in seiner Wesentlichkeitsanalyse berücksichtigen.

Werden langfristige Auswirkungen, Risiken und Chancen bewertet, so muss die Schwere selbst kumulativ verstanden werden: D.h., nicht die Schwere einer Auswirkung, die (z. B.) im fünften Jahr eintritt, ist für die Bewertung relevant, sondern die bis dahin gesamthaft eingetretenen Auswirkungen (bemessen nach Ausmaß, Umfang und Unabänderlichkeit). Auch bei der Bewertung einer Auswirkung, die heute eintritt, sind in diesem Sinne die Folgen in späteren Jahren mit in die Bewertung aufzunehmen.

 

Rz. 104b

Den Anforderungen von ESRS 1 lässt sich nicht entnehmen, dass eine Abstufung in der Bedeutung unterschiedlicher Betrachtungszeiträume vorgesehen wäre. D.h., erst langfristig eintretende Auswirkungen sind grds. gleichbedeutend wie solche Auswirkungen, die sich bereits kurzfristig manifestieren. Allerdings bietet ESRS 1 im Zusammenhang mit der Wesentlichkeitsanalyse u. E. Gestaltungsspielrau...

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