1 Grundlagen

1.1 Aktuelle Rechtslage gem. NFRD

1.1.1 Inhaltliche Prüfpflicht

 

Rz. 1

Große Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen öffentlichen Interesses mit durchschnittlich mehr als 500 Beschäftigten, die ihren Sitz in EU-Mitgliedstaaten haben, sind derzeit gem. der RL 2014/95/EU[1] (kurz NFRD) verpflichtet, Informationen im Zusammenhang mit fünf Mindestbelangen der Nachhaltigkeit offenzulegen.[2] Zu diesen Mindestbelangen gehören Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange als auch die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Den EU-Mitgliedstaaten stand es in der Umsetzung der NFRD in nationales Recht frei, neben der Inklusion einer nichtfinanziellen Erklärung als Teil des (Konzern-)Lageberichts die Offenlegung der notwendigen Informationen zu den Mindestbelangen in einem gesonderten (konsolidierten) nichtfinanziellen Bericht zu gestatten.[3] Sowohl Österreich[4] als auch Deutschland[5] haben von diesem Wahlrecht der Offenlegung mittels (konsolidierter) nichtfinanzieller Erklärung bzw. gesondertem (konsolidierten) nichtfinanziellen Bericht Gebrauch gemacht.

 

Rz. 2

Im Zuge der nationalen Umsetzung der NFRD – Richtlinien sind in nationales Recht umzusetzen, nur Verordnungen sind unmittelbar gültig (§ 1 Rz 15) – mussten EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaft das Vorliegen einer (konsolidierten) nichtfinanziellen Erklärung bzw. eines gesonderten (konsolidierten) nichtfinanziellen Berichts überprüfen.[6] Wie in Österreich in § 269 Abs. 3 S. 2 UGB normiert, handelt es sich bei der Prüfung seitens des Abschlussprüfers um eine "Existenzprüfung".[7] Analog hierzu versteht sich die in § 317 Abs. 2 S. 4 HGB verankerte "Existenzprüfung" in Deutschland. Hiervon umfasst ist die Überprüfung des Abschlussprüfers, ob eine (konsolidierte) nichtfinanzielle Erklärung bzw. ein gesonderter (konsolidierter) nichtfinanzieller Bericht aufgestellt wurde. In ihrem Umfang ist die "Existenzprüfung" der (konsolidierten) nichtfinanziellen Erklärung bzw. des gesonderten (konsolidierten) nichtfinanziellen Berichts somit vergleichbar zu jener der Prüfung des Corporate Governance Berichts[8] bzw. der Erklärung zur Unternehmensführung[9], eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt ist nicht obligatorisch.

 

Rz. 3

Ferner hervorzuheben ist das Fachgutachten des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Wirtschaftstreuhänder[10] über die Prüfung des Lageberichts[11] als auch der IDW Prüfungshinweis (IDW PH 9.350.2)[12]. Erläutert wird, dass über eine "Existenzprüfung" hinausgehend die in der (konsolidierten) nichtfinanziellen Erklärung bzw. dem gesonderten (konsolidierten) nichtfinanziellen Bericht offengelegten Informationen als sonstige Informationen einzustufen sind und demnach ISA [DE] 720 (Revised) seitens des Abschlussprüfers auf ihren Einklang mit den zu prüfenden Informationen des berichtspflichtigen Unternehmens zu würdigen ist.[13]

 

Rz. 4

Zusätzlich hatten die EU-Mitgliedstaaten gem. NFRD die Wahlmöglichkeit, eine externe inhaltliche Prüfung der innerhalb der (konsolidierten) nichtfinanziellen Erklärung bzw. des gesonderten (konsolidierten) nichtfinanziellen Berichts offengelegten nichtfinanziellen Informationen vorzuschreiben.[14] Dieses Wahlrecht hat weder Österreich noch Deutschland im Zuge der nationalen Umsetzung der NFRD genutzt.

 

Rz. 5

Hiervon unberührt ist die verpflichtende materielle Prüfpflicht der (konsolidierten) nichtfinanziellen Erklärung bzw. des gesonderten (konsolidierten) nichtfinanziellen Berichts durch den Aufsichtsrat. In Österreich ist die materielle Prüfpflicht durch den Aufsichtsrat gem. § 96 Abs. 1 AktG und § 30k Abs. 1 GmbHG und in Deutschland durch § 171 AktG gesetzlich vorgeschrieben. Ferner kann gem. § 111 Abs. 2 S. 4 AktG in Deutschland der Aufsichtsrat eine freiwillige externe materielle Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung beauftragen. In Österreich wird diese Möglichkeit für den Aufsichtsrat in § 95 AktG nicht explizit aufgeführt.[15]

[1] RL 2014/95/EU, ABl. EU v. 15.11.2014, L 330/1, berichtigt durch ABl. EU v. 24.12.2014, L 369/79.
[2] Vgl. Art. 19a Abs. 1 i. V. m. Art. 29a Abs. 1 RL 2013/34/EU i. d. F. NFRD.
[3] Vgl. Art. 19a Abs. 4 i. V. m. Art. 29a Abs. 4 RL 2013/34/EU i. d. F. NFRD.
[4] Vgl. § 243b Abs. 6 i. V. m. § 267a Abs. 6 UGB, BGBl. I Nr. 20/2017.
[5] Vgl. § 289b Abs. 3 i. V. m. § 315b Abs. 3 HGB, BGBl. 2017 I, S. 802 ff.
[6] Vgl. Art. 19a Abs. 5 i. V. m. Art. 29a Abs. 5 RL 2013/34/EU i. d. F. NFRD.
[7] Vgl. Hirschböck/Völkl/Gedlicka, in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 269, Rz 51, Stand: 1.3.2019.
[8] Vgl. § 243c UGB.
[9] Vgl. § 289f HGB a. F.
[10] Mit Ende des Jahrs 2017 kam es mit der Einführung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017 in Österreich (BGBl. I Nr. 137/2017) zur Umbenennung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und nunmehr seit 2022 Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen.
[11] Vgl. KFS/PG 10, i. d. F. Juni 2017, genehmigt durch APAB, www.ksw.or.at/PortalData/1/Resources/fachg...

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