Rz. 48

Das berichtspflichtige Unternehmen ist nach ESRS S1-3 aufgefordert, jene Verfahren zu erläutern, die es zur Behebung negativer Auswirkungen auf seine eigene Belegschaft eingerichtet hat. Weiterhin muss offengelegt werden, welche formalen Kommunikationskanäle den Arbeitnehmern zur Verfügung stehen, um ihre Anliegen, Bedürfnisse sowie Bedenken direkt an das Unternehmen heranzutragen – sog. "Beschwerdemechanismen" (ESRS S1.30).

 

Rz. 49

Beschwerdemechanismen beziehen sich auf sämtliche routinemäßige, staatliche oder nicht staatliche, gerichtliche oder nicht gerichtliche Verfahren, durch die Betroffene Beschwerden vorbringen und Abhilfe bzw. Entschädigung erhalten können. Beispiele für staatliche gerichtliche und nicht gerichtliche Beschwerdemechanismen sind Gerichte, Arbeitsgerichte, nationale Menschenrechtsinstitutionen, nationale Kontaktstellen i. R. d. OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, Ombudsstellen, Verbraucherschutzbehörden, Regulierungsaufsichtsstellen und staatlich geführte Beschwerdestellen. Beispiele für nicht staatliche Beschwerdemechanismen sind die von der Organisation selbst verwalteten Mechanismen, entweder allein oder zusammen mit Stakeholdern, wie z. B. Beschwerdemechanismen auf betrieblicher Ebene und Tarifverhandlungen. Diese umfassen auch Mechanismen von Industrieverbänden, internationalen Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft oder Multi-Stakeholder-Gruppen.[1] Von praktischer Relevanz dürften insbes. jene bereits etablierten Kommunikationskanäle bzw. Beschwerdemechanismen sein, die infolge der Hinweisgeberrichtlinie (auch: Whistleblower-Richtlinie[2]) implementiert wurden bzw. werden. Die Richtlinie wurde in Deutschland mit dem Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG) vom Mai 2023[3] und in Österreich mit dem Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz, HSchG) vom Februar 2023[4] umgesetzt.

 

Rz. 50

Beschwerdemechanismen sind auf betrieblicher Ebene zu implementieren, um Meldungen frühzeitig und direkt zu erkennen, wodurch Schaden und eine Eskalation der Missstände verhindert werden. Außerdem geben sie wichtiges Feedback von direkt Betroffenen über die Wirksamkeit der eingerichteten Due-Diligence-Prozesse. Nach dem UN-Leitprinzip 31 sind wirksame Beschwerdemechanismen legitim, zugänglich, vorhersehbar, gerecht, transparent, mit den Rechten vereinbar und eine Quelle für kontinuierliche Weiterentwicklung. Zusätzlich beruhen wirksame Beschwerdemechanismen auf betrieblicher Ebene auf Engagement und Dialog.[5]

 
Praxis-Tipp

Anzuraten ist, bei der Konzeption, der Einrichtung und dem Betreiben interner Meldekanäle darauf zu achten, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt. Nicht befugten Mitarbeitern muss der Zugriff darauf verwehrt sein. Solange die Vertraulichkeit gewahrt bleibt, kann jede Organisation selbst definieren, welche Art von Meldekanal sie wählt (bspw. Briefkasten, Telefon-Hotline, Onlineplattform, interne Vertrauensperson, externe Ombudsperson). Die Meldungen sollten in schriftlicher oder mündlicher bzw. in beiden Formen möglich sein, und auf Anfrage des Hinweisgebers soll auch ein persönliches Treffen stattfinden. Wenn eine Meldung eingeht, muss der Eingang der Meldung innerhalb einer Frist von sieben Tagen an den Hinweisgeber bestätigt werden. Für Folgemaßnahmen (weitere Nachforschungen, Ermittlungen oder sonstige Maßnahmen zum weiteren Vorgehen aufgrund des Hinweises) kann die interne Stelle oder ein eigenes Organ betraut werden.

 

Rz. 51

"Abhilfe/Abhilfemaßnahmen" wird basierend auf dem Leitprinzip 25 der UN-Leitprinzipien (ESRS S1.BC App.) als eine Abhilfemaßnahme oder allgemeiner als ein Weg zum Ausgleich sowie zur Wiedergutmachung einer negativen Auswirkung definiert. "Abhilfe" kann z. B. eine Entschuldigung, finanzielle oder nichtfinanzielle Entschädigung, Verhinderung von Schaden durch Unterlassungsklagen oder Garantien der Nichtwiederholung, Strafsanktionen (strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Sanktionen wie Bußgelder), Wiedergutmachung, Wiederherstellung oder Rehabilitation sein.[6]

 

Rz. 52

Ziel der Angabepflicht nach ESRS S1-3 ist es, Verantwortung, Verfügbarkeit sowie Wirksamkeit der Kommunikationsmöglichkeiten zu verorten sowie darzustellen, wie Beschwerdemeldungen weiterverfolgt werden. Außerdem ist die Wirksamkeit dieser Mechanismen darzustellen (ESRS S1.31). Das Unternehmen muss dafür folgende Darstellungen in die Berichterstattung aufnehmen:

  • den allgemeinen Ansatz des Unternehmens und seine Verfahren für die Bereitstellung von Abhilfemaßnahmen oder die Mitwirkung an solchen Maßnahmen, sofern diese eine wesentliche negative Auswirkung auf die eigene Belegschaft adressieren; dabei ist auch darauf einzugehen, ob und wie das Unternehmen bewertet, dass die ergriffenen Abhilfemaßnahmen wirksam sind (ESRS S1.32(a));
  • al...

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