Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachsorgepflicht eines Insolvenzverwalters zur ordnungsgemäßen Beseitigung von Abfällen gem. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG. Nachsorgepflicht des Anlagenbetreibers. Pflicht zur Abfallbeseitigung. Insolvenzverwalter als Anlagenbetreiber. Freigabe aus Insolvenzbeschlag. Grundverfügung. Vollstreckung. insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot. Freigabe von Gegenständen aus dem Insolvenzbeschlag bei Bestehen einer immissionsschutzrechtlichen Nachsorgepflicht gem. § 5 Abs. 3 BImSchG. Inanspruchnahme eines polizeipflichtigen Insolvenzverwalters zur Erfüllung seiner immissionsschutzrechtlichen Nachsorgepflichten durch Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
1. Den Insolvenzverwalter trifft als letzten Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage die Nachsorgepflicht zur ordnungsgemäßen Beseitigung von Abfällen gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG dann, wenn er die Anlage des Gemeinschuldners nach Insolvenzeröffnung kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen fortbetrieben hat; die dadurch begründete persönliche Pflicht des Insolvenzverwalters ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeit zu erfüllen.
2. Die grundsätzlich anerkannte Möglichkeit des Insolvenzverwalters, einzelne Gegenstände aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben, bleibt ordnungsrechtlich ohne Wirkung, wenn die entsprechende Ordnungspflicht – wie die immissionsschutzrechtliche Nachsorgepflicht gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG – nicht an das Eigentum an der Anlage oder dem Betriebsgrundstück, sondern an den Betrieb der Anlage und die Sachherrschaft des Betreibers in Bezug auf diese anknüpft.
3. Ein nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit etwa bestehendes insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot gemäß §§ 209 Abs. 1 Nr. 3, 210 InsO berührt nicht die Befugnis der Behörde auf der Primärebene, den polizeipflichtigen Insolvenzverwalter zur Erfüllung seiner immissionsschutzrechtlichen Nachsorgepflichten durch Verwaltungsakt in Anspruch zu nehmen. Vielmehr bewirkt die Anzeige der Masseunzulänglichkeit lediglich, dass die Kosten einer etwaigen Ersatzvornahme nur im Rahmen der vorhandenen Masse und nach Maßgabe der insolvenzrechtlich vorgeschriebenen Rangordnung zu befriedigen sind (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 22.10.1998 – 7 C 38.97 – BVerwGE 107, 299).
Normenkette
BImSchG § 5 Abs. 3 Nr. 2, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 4a; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3, § 210
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. November 2011 – 3 K 1641/11 – geändert.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 3 K 1640/11 gegen Ziff. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 20. Juli 2011 wird abgelehnt.
Das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers wird eingestellt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 65.000,– EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners, die sich nach ihrem Antrag und ihrer Begründung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 02.11.2011 lediglich insoweit wendet, als das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziff. 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 20.07.2011 wiederhergestellt hat, ist zulässig (vgl. §§ 146, 147 VwGO) und begründet.
Aus den von dem Antragsgegner in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 24.08.2011 gegen Ziff. 2 der immissionsschutzrechtlichen Anordnung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 20.07.2011 unbegründet ist. Die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung fällt zu Lasten des Interesses des Antragstellers aus, vom Vollzug von Ziff. 2 der Verfügung des Antragsgegners vom 20.07.2011 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren voraussichtlich keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ziff. 2 der immissionsschutzrechtlichen Anordnung vom 20.07.2011, mit der der Antragsteller als Insolvenzverwalter verpflichtet wurde, die auf dem Grundstück der Gemeinschuldnerin lagernden Filterstäube und Aluminiumsalzschlacke bis zum 31.12.2011 ordnungsgemäß zu entsorgen. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass gegen die Verfügung zur Beseitigung der Abfälle bei ordnungsrechtlicher Betrachtung keine Bedenken bestehen (dazu unter 1.). Entgegen der Annahme des Verw...