Rz. 9

Bei Leistungen, die nicht freiwillige Leistungen (vgl. Rz. 2) sind, sondern die im Verwaltungsweg erzwungen werden (u. a. durch Wegnahme von Geld, Versteigerung, freihändige Veräußerung durch den Vollziehungsbeamten, Zahlung des Drittschuldners bei der Forderungspfändung), gilt weder das Bestimmungsrecht des Stpfl. nach § 225 Abs. 1 AO, noch die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 225 Abs. 2 AO. Vielmehr bestimmt nach § 225 Abs. 3 AO die Finanzbehörde die Reihenfolge der Tilgung. Mit der Bestimmung muss sich die Finanzbehörde allerdings im Rahmen derjenigen Schulden bewegen, wegen derer vollstreckt worden ist, also im Rahmen der im Vollstreckungsauftrag oder in der Pfändungsverfügung benannten Abgabenschulden.[1]

Die Bestimmung der Finanzbehörde nach § 225 Abs. 3 AO ist Ermessensentscheidung. In diese Entscheidung müssen sowohl die Interessen des Steuergläubigers einfließen (vorrangige Tilgung weniger besicherter Forderungen) als auch jene des Stpfl. (Berücksichtigung der "Lästigkeit" in Anlehnung an Abs. 2). Das FG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Behörde im Rahmen des § 225 Abs. 3 AO nur dann ermessensfehlerfrei handele, wenn sie sich an die durch Abs. 2 der Vorschrift vorgeschriebene Tilgungsfolge halte.[2] Diese strenge Anwendung der Tilgungsreihenfolge des Abs. 2 im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Abs. 3 wird indes der Gesetzessystematik wohl nicht gerecht (kein Verweis in Abs. 3 auf Abs. 2). Daher handelt die Finanzbehörde zwar regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn sie die beigetriebene Leistung in der Reihenfolge des § 225 Abs. 2 AO verrechnet. Es sind aber auch andere Reihenfolgen denkbar, wenn hierfür sachliche Gründe vorliegen.[3]

 

Rz. 10

Die Bestimmung der Reihenfolge der Tilgung hat nach h. M. Außenwirkung und ist daher Verwaltungsakt.[4] Umstritten ist, ob dieser Verwaltungsakt nur in einer Mitteilung der Vollstreckungsstelle liegen kann oder auch in einer Mitteilung der Finanzkasse über die erfolgte Buchung.[5] Die Verbindlichkeit erlischt mit Bekanntgabe der Bestimmung der Finanzbehörde. Dies gilt wegen des VA-Charakters der Bestimmung auch bei deren Rechtswidrigkeit, soweit diese nicht ausnahmsweise die Nichtigkeit der Bestimmung begründet.[6] Für Rücknahme und Widerruf der Bestimmungsentscheidung gelten §§ 130, 131 AO. Die mit Bekanntgabe erloschene Schuld lebt nur dann wieder auf, wenn die Bestimmungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird.[7]

[1] Alber, in HHSp, AO/FGO, § 225 AO Rz. 36.
[3] Alber, in HHSp, AO/FGO, § 225 AO Rz. 37; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 225 AO Rz. 16; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 225 Rz. 11.
[4] Ebenso Alber, in HHSp, AO/FGO, § 225 AO Rz. 38; s. ebendort Nachweise zur vereinzelt vertretenen Gegenauffassung, nach der die Entscheidung dem schlicht hoheitlichen Handeln zuzuordnen sein soll, und nach der erst ein Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) durch Einspruch angegriffen können werden soll.
[5] FG Rheinland-Pfalz v. 25.2.1988, 3 K 142/84, EFG 1988, 454: Kassenmitteilung als VA; ebenso Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 225 AO Rz. 17; dagegen etwa Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 225 Rz. 8.
[7] Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 225 AO Rz. 18.

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