1 Inhalt und Zweck

 

Rz. 1

Die Überführung in das Eigentum des Bundes schließt sich an die Sicherstellung nach § 215 AO an. Während die Sicherstellung in das Ermessen der Behörde gestellt ist, gibt es im Rahmen des § 216 AO keinen Ermessensspielraum. Die Überführung in das Eigentum des Bundes ist lediglich ausgeschlossen, wenn die Sachen nach § 375 Abs. 2 AO eingezogen werden oder wenn es sich um Fundgut handelt und ein zivilrechtlicher Eigentumsanspruch nach § 985 BGB mit Erfolg geltend gemacht wird. Die Einziehung nach § 375 Abs. 2 AO geht der Überführung nach § 216 AO vor, wobei zu beachten ist, dass in § 375 Abs. 2 AO die Einziehung zugelassen, nicht aber zwingend vorgeschrieben ist. Die Überführung in das Eigentum des Bundes gem. § 216 AO ist gegenüber der qualifizierten Einziehung nach § 375 Abs. 2 AO subsidiär.

 

Rz. 2

Nach der Regierungsbegründung zu § 216 AO soll die Überführung von sichergestellten Waren in das Eigentum des Bundes den Besonderheiten der Zölle und Verbrauchsteuern Rechnung tragen. Bei diesen beiden Steuerarten besteht eine im Verhältnis zum Warenwert hohe Abgabenbelastung, die einen starken Anreiz zur Steuerhinterziehung bietet.[1] Neben den strafprozessualen Möglichkeiten der Beschlagnahme und Einziehung, die allein zur Strafermittlung bzw. Beweisführung dienen und neben den steuerrechtlichen Möglichkeiten der Besteuerung, soll den Aufsichtpflichtigen als besondere steueraufsichtsrechtliche Maßnahme die grundsätzlich entschädigungslose Überführung der Waren oder Geräte, zur Herstellung von Waren in das Eigentum des Bundes treffen. Die Überführung in das Eigentum des Bundes führt nicht zum Erlöschen der Steuerschuld.

[1] BT-Drs. 651/1992, 276.

2 Vereinbarkeit mit Art. 14 GG

 

Rz. 3

Die Überführung in das Eigentum des Bundes ist im Hinblick auf die Gewährleistung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich.[1] Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt die Vorschrift ein Gesetz dar, das gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zulässigerweise Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt. Die Regierungsbegründung geht davon aus, dass das Eigentum an zoll- und verbrauchsteuerpflichtigen Waren einer herkömmlichen inhaltlichen Beschränkung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt. Wer Rechte an zoll- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren oder an Geräten zu deren Herstellung hat, erwirbt oder anderen einräumt, muss sich auf die im Interesse der Steueraufsicht erforderlichen strengen Steuervorschriften einrichten. Ein infolge Verfehlung in diesem Bereich eintretender Rechtsverlust fällt in den Verantwortungsbereich des Betroffenen; die Einziehung trifft den Rechtsinhaber in zumutbarer Weise.[2]

 

Rz. 4

Die Vorschrift ist auf Veranlassung des Bundesrates weitgehend an die Einziehungsbestimmungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts angeglichen worden, die vom BVerfG als verfassungskonform angesehen worden sind.[3] Auch wenn bei diesen Steueraufsichtsmaßnahmen nicht an Straftatbestände angeknüpft wird, ist zu berücksichtigen, dass die Interessen der Rechtsinhaber zudem in angemessener Weise durch eine entsprechende Handhabung des Ermessens nach § 215 AO, durch eine Härteklausel[4] sowie dadurch gewahrt werden, dass der gutgläubige Eigentümer grundsätzlich geschützt bleibt und sonstige gutgläubige Rechtsinhaber aus dem Erlös der zugunsten des Bundes eingezogenen Waren angemessen entschädigt werden.[5]

 

Rz. 5

Da die Überführung in das Eigentum des Bundes nicht als Enteignung bzw. enteignungsgleicher Vorgang qualifiziert werden kann, erfolgt sie im Übrigen grundsätzlich entschädigungslos.

[1] So jetzt auch Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 216 AO Rz. 5; Dißars/Dißars, ZfZ 1996, 130, 135.
[2] BT-Drs. VI/1982, 167.
[3] Vgl. dazu BVerfG v. 23.7.1970, StRK BranntwMonG § 51b R. 3.

3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

3.1 Verhältnis zu zollrechtlichen Vorschriften

 

Rz. 6

Art. 57 ZK überlagert im Rahmen der Anwendung des Zollrechts § 216 AO. Nach Art. 57 ZK treffen die Zollbehörden alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Veräußerung der Waren. Konkretisiert wird Art. 57 ZK durch § 13 ZollVG hinsichtlich der Durchführung der Veräußerung (Abs. 1) oder Vernichtung (Abs. 3) der Waren. Eine Überführung in das Eigentum des Bundes sieht das Gemeinschaftsrecht nicht vor. § 216 AO kann in Zollsachen nicht angewendet werden.

3.2 Verhältnis zu verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften

 

Rz. 7

§ 216 AO findet über die Fälle der Sicherstellung nach § 215 AO hinaus Anwendung, wenn die Verbrauchsteuergesetze eigene Sicherstellungstatbestände enthalten. Die Verbrauchsteuergesetze enthalten grundsätzlich für die jeweilige Verbrauchsteuerart spezielle Tatbestände, bei deren Vorliegen eine Sicherstellung zulässig ist. Hinsichtlich der rechtlichen Folge einer Sicherstellung regeln die Vorschriften die sinngemäße Anwendbarkeit des § 216 AO.[1]

[1] Vgl. z. B. § 51b BranntwMonG, § 22 Abs. 2 BierStG, § 17 Abs. 3 KaffeStG, § 30 Abs. 3 MinöStG, § 21 Abs. 2 SchaumwZwStG.

4 Überführung in das Eigentum des Bundes

4.1 Voraussetzungen (Abs. 1)

 

Rz. 8

Nach § 215 AO sichergestellte Sachen sind in das Eigentum des Bundes zu überführen. Der Wortlaut setzt eine Sicherstellung nach § 215 AO voraus. Neben der Sicherstellung nach ...

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