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Die Vorschrift dient dem in Art. 101 Abs. 1 GG normierten Verbot, jemanden seinem gesetzlichen Richter zu entziehen. Damit soll im Interesse der Unabhängigkeit der Rspr. und des Vertrauens in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gefahr vorgebeugt werden, dass die Justiz durch eine Manipulation der Recht sprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird, insbesondere dass im Einzelfall durch eine gezielte Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst wird, wobei es gleichgültig ist, von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht.[1] Ein Verfahrensmangel i. S. v. § 119 Nr. 1 FGO setzt daher stets das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG voraus.[2] Das liegt nur dann vor, wenn die Besetzung der Richterbank von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist.[3] Von Willkür kann nur dann die Rede sein, wenn die Entscheidung sich so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist.[4] Eine unbewusste oder irrtümliche, wenn auch rechtsfehlerhafte Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan genügt nicht.[5]

Kein Besetzungsfehler liegt darin, dass in Bayern das FG nicht dem Justizministerium, sondern dem Finanzministerium zugeordnet ist und die Berufsrichter von diesem Ministerium ernannt werden.[6] Nicht zu beanstanden ist, dass ein mitwirkender Richter z. B. den Titel "Richter am Verwaltungsgericht" führt.[7]

Maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung ist der für den Entscheidungszeitpunkt geltende gerichtliche Geschäftsverteilungsplan. Ein Verstoß dagegen führt nur dann zu einem Verfahrensfehler i. S. v. § 119 Nr. 3 FGO, wenn er sich zugleich als Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter[8] darstellt. Das ist nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften der Fall. Die Besetzungsrüge hat deshalb nur dann Erfolg, wenn das FG seine Zuständigkeit aufgrund schlechthin unvertretbarer, mithin sachfremder und damit willkürlicher Erwägungen angenommen hat.[9] Die Handhabung der Geschäftsverteilung muss offensichtlich unhaltbar sein.[10] Ein bloßer Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan, ohne dass Willkür vorliegt, genügt daher nicht.[11] Willkür liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt ist, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist.[12]

Beim Übergehen eines Befangenheitsantrags ist das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt.[13] Das Ablehnungsgesuch muss klar und eindeutig erklärt worden sein.[14]

Bei der Mitwirkung eines Richters nach Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ist das Recht auf den gesetzlichen Richter nur verletzt, wenn der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist.[15] Das Ablehnungsgesuch muss rechtzeitig, d. h. vor Zustellung des Urteils gestellt worden sein. Eine bloße Ablehnungsmöglichkeit genügt nicht.[16] Hat das Gericht nach einem Ablehnungsgesuch entschieden, ohne den Beschluss über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs (wirksam) bekanntzugeben, ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Wenn der Kläger den Beschluss über die Zurückweisung seines Ablehnungsgesuchs nicht erhalten hat, ist eine wesentliche Bedingung eines geordneten Verfahrens nicht eingehalten. Denn dem Kläger ist es dann mangels Kenntnis der Gründe nicht möglich, die willkürliche Zurückweisung seines Ablehnungsgesuchs geltend zu machen.[17]

Entscheidet der Einzelrichter, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Einzelrichterentscheidung nach §§ 6, 79a FGO vorliegen, liegt ein Besetzungsfehler vor[18], z. B. wenn der Einzelrichter entscheidet, ohne dass ihm der Rechtsstreit wirksam übertragen wurde.[19] Die gesetzlich zulässige Übertragung des Verfahrens auf den Einzelrichter oder die Rückübertragung auf den Senat ist unanfechtbar.[20] Eine fehlerhafte Anwendung des § 6 FGO kann deshalb regelmäßig nicht mit der Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden.[21] Die für die Übertragung des Rechtsstreits geltenden materiellen Voraussetzungen (keine besonderen Schwierigkeiten der Sache, keine grundsätzliche Bedeutung) sind nicht tatbestandliche Voraussetzungen für das Übertragungsermessen des FG, sondern lediglich als (der Überprüfung durch den BFH entzogene) Leitlinien des dem FG eingeräumten Ermessens zu verstehen.[22]

Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung liegt auch vor, wenn ein Gericht entscheidet und dabei willkürlich seine Pflicht zur Vorlage an ein anderes Gericht (EuGH) verletzt.[23]

Die Mitwirkung eines blinden Richters ist nicht vorschriftswidrig. Ein blinder Richter ist grundsätzlich in der Lage, die richterlichen Aufgaben zu erfüllen, soweit es nicht auf eine Augenscheineinnahme oder sonst auf das Gewinnen optischer Eindrücke ankommt. Soweit es auf den Inhalt von Urkunden ankommt, wird eine Hilfskraft zugezogen.[24]

 

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