Rz. 445

[Autor/Stand] Der Einsatz von V-Personen ist in der StPO nicht ausdrücklich geregelt. Er richtet sich daher in Bezug auf einen Einsatz zur Strafverfolgung durch die StA beziehungsweise die Polizei nach den §§ 161 und 163 StPO[2].

Der Einsatz verdeckter Ermittler ist im Zusammenhang mit der bandenmäßigen Umsatz- und Verbrauchsteuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) und gewerbs- und bandenmäßigem Schmuggel oder Steuerhehlerei (§ 373 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3, § 374 Abs. 2 AO) denkbar (§ 110a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 StPO). In der Praxis bereitet dies bei Umsatzsteuerkarussellen Schwierigkeiten, da spezielle Kenntnisse der umsatzsteuerlichen Hintergründe vorausgesetzt sind[3].

 

Rz. 446

[Autor/Stand] Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch verdeckte Ermittler der Polizei führt wegen Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK zur Einstellung des Verfahrens wegen eines endgültigen Verfahrenshindernisses.

Der BGH[5] hat insoweit seine Rspr. geändert. Nach bisher ständiger Rspr. des BGH[6] und des BVerfG[7] reichte es in diesen Fällen zur Kompensation des Eingriffs aus, wenn die Strafe für den Angeklagten gemildert wurde.

Ursächlich für die Rspr.-Änderung war eine vorangegangene Entscheidung des EGMR, der sich gegen diese Strafzumessungslösung ausgesprochen hatte. Die Verurteilung wegen einer Straftat, zu der ein Täter durch einen verdeckten Ermittler angestiftet wurde, verstoße gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK[8]. Durch eine Strafmilderung lasse sich der Verstoß nicht kompensieren, sondern nur durch ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der durch die Anstiftung erlangten Beweismittel.

Der BGH hat offengelassen, ob diese Rechtsfolge in allen Fällen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation eintreten muss, wie es die Rspr. des EGMR allerdings nahelege, oder ob eine "abgestufte" Lösung je nach der konkreten Schwere der Menschenrechtsverletzung möglich sei.

 

Rz. 447

[Autor/Stand] Bei gewerbs- und bandenmäßig begangenen Steuerdelikten (§ 370 Abs. 3 Nr. 5, § 373 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3, § 374 Abs. 2 AO) ist auch eine Rasterfahndung, d.h. der maschinell-automatisierte Datenabgleich denkbar (§ 98a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 6 StPO)[10]. Dieses strafprozessuale Instrument wird aber im Steuerstrafverfahren nicht angewandt, was seine Ursache vor allem darin haben dürfte, dass die FinB und die Steufa genügend abgabenrechtliche Instrumente wie Sammelauskunftsersuchen, Kontoabruf und Zugriff auf Steuerbescheinigungen der Banken zur digitalen "Rasterfahndung" nach unentdeckten Steuerquellen haben (s. Rz. 1013 ff., § 404 Rz. 215 ff.)[11].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[2] Vgl. Griesbaum, in KK8, § 163 StPO Rz. 18; Eisenberg, Beweisrecht der StPO10, Rz. 1035.
[3] Vgl. Kemper in Rolletschke/Kemper, § 399 AO Rz. 186.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[5] So zuerst der 2. Strafsenat: BGH v. 10.6.2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276; NStZ 2016, 52 Rz. 24; ihm folgend der 4. Strafsenat des BGH v. 19.1.2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232; unentschieden der 1. Strafsenat: BGH v. 19.5.2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 = NStZ 2015, 541; offengelassen im Urteil BGH v. 7.12.2017 – 1 StR 320/17, StV 2019, 305 = NStZ 2018, 355; zur divergierenden Rspr. s. Conen, StV 2019, 358; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt63, Einl. 148a.
[7] BVerfG v. 18.12.2014 – 2 BvR 209/14, 2 BvR 240/14, 2 BvR 262/14, NJW 2015, 1083 m. krit. Anm Eisenberg, StraFo 2015, 100; abl. auch Conen, StV 2019, 358.
[8] EGMR v. 23.10.2014 – 54648/09, NJW 2015, 3631 m. zust. Anm. Petzsche, JR 2015, 81; Sommer, StV 2015, 405; Hauer, NJ 2015, 201; Beukelmann, NJW-Spezial 2015, 376.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[10] Zu deren verfassungsrechtlichen Anforderungen s. BVerfG v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, BGBl. I 2007, 1673.
[11] Vgl. dazu auch Matthes, Die Rasterfahndung, 2005.

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