Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf ein Wohnrecht und Abschluss eines Mietvertrages als Gestaltungsmissbrauch
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Mietvertrag zwischen nahen Angehörigen bei dem eine Mieterhöhung und ein ordentliches Kündigungsrecht auf Lebenszeit ausgeschlossen werden, hält einen Drittvergleich nicht stand und ist steuerlich nicht anzuerkennen.
2. In der Aufgabe eines dinglichen Wohnrecht ist bei gleichzeitig der Begründung einer dauernden Last und Abschluss eines Mietvertrages mit einem Mietzins der der Höhe nach der dauernden Last entspricht, liegt jedenfalls dann ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vor, wenn in dem Mietvertrag sowohl ein ordentliches Kündigungsrecht als auch eine Mieterhöhung auf Lebenszeit ausgeschlossen sind und die Vertragsbeteiligten faktisch ihre ursprünglichen Rechtspositionen beibehalten.
Normenkette
AO § 21 Abs. 1, § 42
Streitjahr(e)
1998
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die steuerrechtliche Anerkennung einer Vertragskonstruktion, mit der die Mutter bzw. Schwiegermutter der Kläger ihr dingliches Wohnungsrecht im Hause des Klägers aufgab unter gleichzeitigem Abschluss eines Mietvertrages und unter Zahlung einer monatlichen dauernden Last durch den Kläger in Höhe des Mietzinses.
Dem Kläger wurde im Jahre 1976 von seiner Mutter ein Grundstück in G. (Grundbuch von U.) im Wege der vorweggenommen Erbfolge übertragen. Zugleich wurde zu Gunsten der Mutter ein Wohnungsrecht an dem Objekt in Abteilung II des Grundbuches eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom 7.6.1985 verzichtete die Mutter auf ihr Wohnungsrecht. Die Aufgabe dieses Rechtes erfolgte rückwirkend auf den 1.1.1984. Der Kläger verpflichtete sich, an Stelle des Wohnungsrechts an seine Mutter auf deren Lebenszeit ab dem 1.1.1984 einen monatlichen Betrag in Höhe von 400,- DM zu zahlen. Eine Abänderung dieses Betrages sollte gem. § 323 ZPO vorbehalten bleiben. Weiterhin wurde zwischen dem Kläger und seiner Mutter ein Mietverhältnis rückwirkend ab dem 1.1.1984 abgeschlossen, wobei die monatliche Kaltmiete 400,- DM betrug. Der Eigentümer (Vermieter) verzichtete hierbei ausdrücklich auf ein ordentliches Kündigungsrecht sowie auf eine Mieterhöhung auf Lebenszeit der Mieterin. Weiterhin wurde der Mutter des Klägers notariell die Möglichkeit eingeräumt, gegen Aufgabe ihrer ihr in der notariellen Urkunde eingeräumten Rechte einen Sicherungsnießbrauch bestellen zu lassen, wenn verschiedene - enumerativ genannte Fälle - eintraten, z. B. Tod des Eigentümers, Ehescheidung des Eigentümers etc.. Wegen Einzelheiten wird auf die notariellen Urkunde vom 7.6.1985 (Blatt 22 ff der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung 1998 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem hier streitgegenständlichen Grundstück in G. Verluste in Höhe von insgesamt 54.205,- DM geltend. Die Einnahmen aus der Erdgeschosswohnung (Wohnung der Mutter) wurden mit 5880,- DM, aus der Wohnung im ersten Obergeschoss (fremdvermietet) mit 12.600,- DM, sowie Umlagen in Höhe von 1800,- DM angegeben, so dass sich Einnahmen von 20.280,- DM errechneten. Demgegenüber wurden Werbungskosten in Höhe von 74.484,- DM geltend gemacht, wobei allein auf Schuldzinsen 43.002,- DM entfielen. Weiterhin wurden bei den Sonderausgaben 4800,- DM als dauernde Last zu Gunsten der Mutter des Klägers in Ansatz gebracht.
Bei der Veranlagung kürzte das Finanzamt die Werbungskosten um nicht nachgewiesene Fahrten in Höhe von 5964,- DM, weil es von Besuchsfahrten zur Mutter ausging. Auch die geltend gemachte dauernde Last in Höhe von 4.800,- DM wurde nicht anerkannt, da das Finanzamt wegen der gleichen Höhe von dauernder Last und Mietzinszahlung eine wirtschaftliche Belastung des Klägers verneinte.
Gegen den mit dieser Maßgabe erlassenen Einkommensteuerbescheid vom 20.11.2001 legten die Kläger, vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, Einspruch ein und fügten als Nachweis der Fahrten Tankbelege bei. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens teilte das Finanzamt den Klägern mit, dass das Mietverhältnis und die Zahlung der dauernden Last nicht mehr anerkannt werde, weil bei der gewählten Vertragskonstruktion ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 AO anzunehmen sei. Wirtschaftliche Gründe für die Vertragsgestaltung lägen nicht vor. Auf eine Verböserungsmöglichkeit wurde hingewiesen.
Die Kläger bestritten einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten; denn es hätten wirtschaftliche Gründe für die Aufgabe des Wohnungsrechts vorgelegen. Das betreffende Gebäude sollte instandgesetzt werden, wozu ein erheblicher Kreditbedarf erforderlich war. Ein Darlehen sei nur zu erlangen gewesen, wenn die Mutter auf Ihr Wohnungsrecht verzichtete; denn bei Beibehaltung des Wohnungsrechts sei von einem sehr viel niedrigeren Beleihungswert des Grundstücks auszugehen.
Das Finanzamt folgte dem nicht, erhöhte mit Einspruchsentscheidung vom 4.4.2002 die Steuern ...