Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines bestandskräftigen Kindergeldbescheides bei Änderung der Rechtsprechung aufgrund einer Bundesverfassungsgerichtsentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Bescheid über die Aufhebung von Kindergeld kann sich auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr beziehen.
  2. Die Korrekturvorschriften des § 70 Abs. 2 u. 3 EStG sind für Bescheide mit denen eine Kindergeldfestsetzung aufgehoben wird, nicht anwendbar.
  3. Die Anwendung des § 70 Abs. 4 EStG setzt voraus, dass die zu korrigierende Kindergeldfestsetzung vor Beginn oder während eines Kalenderjahres als Prognoseentscheidung über die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes im Kalenderjahr ergangen ist. Sie ist nicht anwendbar auf eine Einspruchsentscheidung in der eine abschließende Prüfung der Höhe der Einkünfte und Bezüge erfolgen konnte.
  4. Ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der zu einer von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden rechtlichen Buchterteilung einer bereits bekannten Tatsache führt, ist keine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO.
 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2, 4; AO § 173 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2003

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.03.2009; Aktenzeichen III B 120/07)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für seinen Sohn M für die Jahre 2002 und 2003 Anspruch auf Kindergeld hat.

Der Kläger ist der Vater seines am 30.08.1983 geborenen Sohnes M, der in den Jahren 2002 und 2003 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolvierte.

Mit Bescheid vom 24.07.2001 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Kindergeld für den Zeitraum September 2001 bis Dezember 2003 fest.

Nachdem der Kläger im Januar 2003 mitgeteilt hatte, die Einkünfte und Bezüge seines Sohnes würden im Kalenderjahr 2003 voraussichtlich den Grenzbetrag überschreiten, stellte der Beklagte die Kindergeldzahlungen mit Ablauf des Monats Februar ein.

Am 02.12.2003 erließ der Beklagte einen Bescheid, dessen Tenor folgenden Wortlaut hatte: „Gem. § 70 Abs. 2 EStG wird die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung vom 01.01.2002 aufgehoben und es ergibt sich nach § 37 Abs. 2 AO ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 2156, -- EUR.”

Zur Begründung wurde sinngemäß ausgeführt, die abschließende Überprüfung der vorgelegten Einkommensnachweise habe ergeben, dass die Einkünfte und Bezüge des Sohnes im Jahr 2002 den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten hätten und diesen auch im Jahr 2003 überschreiten würden. Die Kindergeldfestsetzung müsse daher für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 28.02.2003 korrigiert werden.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Einspruch, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.10.2004 zurückwies. Die Einspruchsentscheidung war folgendermaßen überschrieben: „Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nach dem Einkommensteuergesetz für Ihren Sohn M betreffend die Kalenderjahre 2002 und 2003”. Der erste Satz der Begründung lautete: „Die Kindergeldfestsetzung für Ihren Sohn M betreffend die Kalenderjahre 2002/2003 wurde mit Bescheid … vom 02.12.2003 gem. § 70 Abs. 2 FGO aufgehoben ….”

In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Kläger auf die Möglichkeit der Klage beim Hessischen Finanzgericht hingewiesen.

Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger am 11.10.2004 ausgehändigt.

Klage wurde nicht erhoben.

Mit Schreiben vom 07.07.2005 bat der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung des Grenzbetrags der Einkünfte und Bezüge um eine erneute Überprüfung des Kindergeldanspruchs für die Jahre 2002 und 2003.

Der Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 16.08.2005 eine Festsetzung des Kindergeldes für die Kalenderjahre 2002 und 2003 ab. Zur Begründung verwies er auf die Bestandskraft des Aufhebungsbescheids vom 02.12.2003.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Einspruch, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2005 zurückwies.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein auf Festsetzung des Kindergeldes für die Jahre 2002 und 2003 gerichtetes Begehren weiter.

Er vertritt zunächst die Auffassung, der Beklagte habe Kindergeldfestsetzung mit seinem Bescheid vom 02.12.2003 lediglich für den Zeitraum Januar 2002 bis Februar 2003 aufgehoben. Dieser Bescheid sei rechtswidrig, weil die Kindergeldfestsetzung für mehr als ein Kalenderjahr in nur einem Bescheid aufgehoben worden sei. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, für jedes Kalenderjahr einen gesonderten Bescheid zu erlassen, weil ansonsten gesonderte Einspruchsverfahren nicht möglich gewesen seien. Im Übrigen sei auch „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Bescheid vom 04.10.2004 zu gewähren mit der Konsequenz, dass dann auch nicht der Bescheid vom 02.12.2004 bestandskräftig” sei. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf den Schriftsatz vom 04.01.2006 (Bl. 13ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 16.08.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2005 den Beklagten zu verpflichten, das Kindergeld für den Sohn...

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