Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung des Wahlrechts nach § 32d Abs. 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Antrag nach § 32d Abs. 2 EStG kann auch noch nach Abgabe der Steuererklärung gestellt werden, wenn sich erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit erklärte Aufwendungen den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen sind.

 

Normenkette

EStG §§ 20, 32d Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.07.2022; Aktenzeichen VIII R 18/19)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen bei der Einkommensteuer 2012.

Der Kläger wird mit seiner Ehefrau beim Beklagten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Im Streitjahr 2012 war der Kläger zu 20 % an der X-GmbH mit Sitz in B-Stadt beteiligt. Gleichzeitig war er für diese als Geschäftsführer tätig. Die X-GmbH hatte im August 2005 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der C-GmbH abgeschlossen. An der C-GmbH war der Kläger nicht beteiligt.

Ausweislich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags sollte der Kläger zur Abgeltung seines Gewinnanteils an der X-GmbH Ausgleichszahlungen von der C-GmbH erhalten. In Höhe der jeweiligen Ausgleichszahlungen stellte der Kläger der C-GmbH entsprechende Darlehen zur Verfügung, die jeweils mit 6 % jährlich verzinst werden sollten. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen entwickelten sich die Darlehen des Klägers gegenüber der C-GmbH wie folgt:

Ausgleichszahlung

Vertrag vom

Darlehenssumme (in €)

Zinssatz

2005

31.07.2006

121.248,79

6 % p.a.

2006

30.07.2007

282.526,32

6 % p.a.

2007

30.07.2008

307.599,53

6 % p.a.

Gesamt

711.374,64

In seinen Steuererklärungen der Jahre 2006–2012 erklärte der Kläger keine Zinseinnahmen aus diesen Darlehen.

Da der Kläger und seine Ehefrau trotz Aufforderung keine Einkommensteuerklärung für 2012 einreichten, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ unter dem 20.08.2014 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO stehenden Einkommensteuerbescheid für 2012. Nachdem die Eheleute noch im August 2014 ihre Einkommensteuerklärung für 2012 beim Beklagten eingereicht hatten, erließ dieser unter dem 13.04.2015 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012. Darin ließ er unter anderem Werbungskosten i.H.v. 18.893,90 € unberücksichtigt, die der Kläger im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Auseinandersetzungen mit der C-GmbH bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit erklärt hatte.

Der Einspruch hiergegen war nur teilweise erfolgreich (Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016). Die Nichtberücksichtigung der Werbungskosten begründete der Beklagte damit, die geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten aus der Auseinandersetzung mit der C-GmbH seien in Höhe von 12.474,– € zwar dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig. Ein Abzug scheide im Streitfall aber aus. Denn durch die Einführung der Abgeltungssteuer im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 sei die Besteuerung von Kapitalerträgen, privaten Veräußerungsgeschäften und sonstigen Einkünften, soweit Geldgeschäfte betroffen seien, neu geregelt worden. Danach unterlägen Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich einem Steuersatz von 25 %, der eine abgeltende Wirkung entfalte (§ 43 Abs. 5 EStG). Werbungskosten könnten in diesem Fall nicht geltend gemacht werden (§ 20 Abs. 9, 2. HS EStG).

Zwar könnte nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG zur tariflichen Einkommensteuer optiert werden. Voraussetzung sei in diesem Fall, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag auf Option erstmals gestellt werde, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sei oder zu mindestens 1 Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig sei. Dies treffe in der Person des Klägers zu, da dieser zu 20 % an der X-GmbH beteiligt und gleichzeitig als deren Geschäftsführer tätig sei. Der Kläger habe aber bei der Abgabe seiner Einkommensteuererklärung am 25.08.2014 keinen entsprechenden Antrag zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer erklärt (Hinweis auf § 32 d Abs. 2 Nr. 3 S. 3–6 EStG). Der erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens gestellte Antrag des Klägers könne somit nicht mehr berücksichtigt werden.

Außerdem berücksichtigte der Beklagte nach erfolgtem Verböserungshinweis beim Kläger im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung erstmals Zinsen in Höhe von 42.556,06 € gemäß 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von der C-GmbH für das 1. und 3. Quartal 2012 auf dem firmeninternen Buchungskonto mit der Bezeichnung „Darlehen [Kläger]” verbucht worden waren.

Der Kläger hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, die er wie folgt begründet:

Er habe der C-GmbH in den Jahren 2006–2008 Darlehensmittel in Höhe von insgesamt 711.374,64 € zu Verfügung gestellt. Diese Beträge resultierten aus organschaftlichen Ausgleichsansprüchen für die Jahre 2005 – 2007, die nicht an ihn...

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