Entscheidungsstichwort (Thema)
Marktordnungsrecht: Rechtmäßigkeit der Überschussabgabe betreffend das Milchquotenjahr 2014/2015
Leitsatz (amtlich)
1. Überschussabgabe durfte noch nach Ablauf des letzten Milchquotenjahres 2014/2015 festgesetzt werden.
2. Erhebung einer Überschussabgabe bezüglich des Zwölfmonatszeitraumes 2014/2015 ist mit höherrangigem Recht vereinbar; die Erhebung der Abgabe verstößt weder gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot liegt nicht vor.
3. Ob bei Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 das Konzertierungsverfahren verletzt worden ist, kann dahinstehen; ein Milcherzeuger kann eine Verletzung dieser interinstitutionellen Vereinbarung nicht rügen.
Normenkette
EGVO-1234/2007 Art. 55, 65-66, 78-79, 204; EGVO-1308/2013 Art. 230; MilchQuotV § 40; MOG § 12; AO §§ 150, 155, 167-168
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Überschussabgabe für den Zwölfmonatszeitraum 2014/2015.
Die Klägerin ist Milcherzeuger und war Inhaber einer Milchquote, die sich für den Zwölfmonatszeitraum 2014/2015 auf 743.032 kg belief. Tatsächlich lieferte die Klägerin in diesem Zeitraum an die Molkerei A eG (im Folgenden: Molkerei) 1.336.914 kg an. Nach Fettgehaltskorrektur sowie nach Molkerei- und Bundessaldierung ergab sich für die Klägerin eine Überlieferung von 457.041 kg und damit eine Abgabenforderung in Höhe von ... Euro.
Gegen die Abgabenanmeldung der Molkerei vom 14.07.2015 erhob die Klägerin unter dem 14.07.2015 Einspruch, mit dem sie geltend machte, dass die Festsetzung der Milchabgabe im EU-Recht keine Rechtsgrundlage habe. Denn die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 seien mit Wirkung zum 31.03.2015 ersatzlos aufgehoben worden. Eine Übergangsregelung gebe es nicht.
Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2015 zurück. Rechtsgrundlage für die Erhebung der Milchabgabe sei Art. 55 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007. Die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 sei zwar durch Art. 230 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 mit Wirkung ab dem 01.01.2014 aufgehoben worden. Nach Art. 230 Abs. 1 Unterabsatz 2 lit. a) der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 würden indes die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über das System der Milchproduktionsregulierung bis zum 31.03.2015 fortgelten. Nach der Systematik der Milchquotenregelung erfolge die Abgabenberechnung und -erhebung stets nach Ablauf des jeweiligen Milchquotenjahres, weil der Abgabentatbestand, an den die Leistungspflicht geknüpft sei, erst mit Ablauf des Quotenjahres verwirklicht sei. Erst dann stehe fest, ob und in welchem Umfang die Quote durch die vermarkteten Milchmengen überliefert worden sei. Bei Entstehung der Abgabenschuld habe die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 jedoch unzweifelhaft und in vollem Umfang gegolten. Die Erhebung und Zahlung der Überschussabgabe nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraumes sei fester Bestandteil der Vorschriften für das Milchquotenjahr und damit untrennbar mit diesem verbunden, da ansonsten die gesamte praktische Wirksamkeit für das Milchquotenjahr 2014/2015 genommen wäre. Die in der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 getroffenen Regelungen zur Erhebung der Abgabe und Abwicklung des letzten Zwölfmonatszeitraumes gölten daher weiter.
Mit ihrer am 18.11.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen an: Die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007, die dem angegriffenen Bescheid zugrunde liege, sei mit Wirkung zum 31.03.2015 ersatzlos aufgehoben worden. Eine Übergangsregelung sei weder im europäischen noch im deutschen Recht vorhanden. Damit sei mit Ablauf des 31.03.2015 die Rechtsgrundlage für die Berechnung der Milchabgabe weggefallen. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes könne eine belastende Maßnahme nicht ohne Rechtsgrundlage erhoben werden. Entgegen der Auffassung des beklagten Hauptzollamtes habe die Europäische Union das System der Milchquoten vollständig und ersatzlos beendet. Mit Ablauf des 31.03.2015 seien die Verpflichtungen der Abnehmer und Erzeuger in Bezug auf das letzte Milchquotenjahr 2014/2015 erloschen. Nach dem 31.03.2015 könne die Überschussabgabe nicht mehr rechtmäßig erhoben werden. Daran ändere auch die Verordnung (EU) Nr. 1380/2014 nichts, die einen untauglichen Versuch darstelle, Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 neu zu fassen. Die Verordnung (EG) Nr. 595/2004 enthalte Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 mit der Folge, dass diese Kommissionsverordnung in ihrer Wirksamkeit und in ihrer Laufzeit an die übergeordnete Ratsverordnung geknüpft gewesen sei. Die Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 sei indes vollständig durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 aufgehoben worden.
Die Klägerin beantragt,
die Abgabenanmeldung der Molkerei A eG vom 14.07.2015 - soweit diese die Klägerin betrifft - sowie die Einspruch...