Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abzugsfähigkeit französischer Betriebsstättenverluste im Inland
Leitsatz (amtlich)
Verluste aus einer französischen Betriebsstätte, die im Betriebsstättenstaat Frankreich endgültig nicht abgezogen werden können, sind beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 C-414/06 "Lidl Belgium GmbH & Co. KG", BStBl II 2009, 692). Abgrenzung der Entscheidung "Lidl Belgium GmbH & Co. KG" von der Entscheidung "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH" (EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07, Slg. 2008 Seite I-08061). Der Abzug der Betriebsstättenverluste ist (rückwirkend) phasengleich im Verlustentstehungsjahr vorzunehmen. Die in den körperschaftsteuerlichen Gewinn einbezogenen Betriebsstättenverluste sind für Zwecke der Gewerbesteuer gemäß § 9 Nr. 3 GewStG wieder hinzuzurechnen.
Normenkette
KStG § 8; GewStG § 9 Nr. 3; DBA FRA Art. 20, 4; EG Art. 43, 56
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Abzug französischer Betriebsstättenverluste.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH weltweite Speditionsgeschäfte, Schiffsmaklerei, Schifffahrtslinien ohne eigene Schiffe sowie nationale und internationale Transportgeschäfte ohne eigene Fahrzeuge.
Die Klägerin unterhielt bis zum 30.09.2001 Betriebsstätten in A und B, Frankreich. Die Betriebsstätten erwirtschafteten in den Jahren 1998-2001 sowohl nach französischen als auch nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Verluste. In den nach französischen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Verlusten waren keine Verluste aus Abschreibungen enthalten (vgl. im Einzelnen Anlage K2 des klägerischen Schriftsatzes vom 14.04.2009). Die Klägerin hat die Verluste der Streitjahre 2000 und 2001 in Frankreich weder durch einen Verlustrück- noch durch einen Verlustvortrag nutzen können. Die nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Betriebsstättenverluste betrugen 2000 insgesamt 508.584,69 DM (260.035 €) und 2001 insgesamt 515.570,76 DM (263.607 €; vgl. Bl. 120 Bilanz- u. Bilanzberichtsakten; Anlage K 8-11 des Schriftsatzes der Klägerin vom 06.11.2009). Die Betriebsstätten in A und B waren - bis heute - die einzigen Betriebsstätten der Klägerin in Frankreich.
Nach Maßgabe des Art. 209 des Code général des impôts (CGI), des französischen Steuergesetzbuches, konnten Verluste körperschaftsteuerpflichtiger Steuersubjekte bis 2004 fünf Jahre oder, soweit sie aus Abschreibungen stammten, unbegrenzt vorgetragen werden; ab 2004 ist ein Verlustvortrag insgesamt zeitlich unbegrenzt möglich, Art. 209 I CGI. Auf Antrag des Unternehmens ist auch ein dreijähriger Verlustrücktrag zulässig, Art. 220 "quinquies". Gemäß Art. 209 II CGI können zudem bei einer Fusion oder einer Transaktion, die der Fusion gleichgestellt ist und der Regelung des Art. 210 A CGI unterliegt, frühere Verluste und der Zinsteil nach Art. 212 II Abs. 1 Unterabs. 6 CGI, die noch nicht von der übernommenen oder einbringenden Gesellschaft ausgeglichen wurden, vorbehaltlich einer nach Art. 1649 "nonies" erteilten Zustimmung des Finanzministers auf die übernehmende(n) Gesellschaft(en) übertragen und auf deren spätere Gewinne angerechnet werden. Bei einer Unternehmensspaltung oder der Einbringung nur eines Teils des Aktivvermögens werden die Verluste übertragen, die in den jeweils eingebrachten Geschäftsbereich fallen. Die ministerielle Zustimmung wird erteilt, wenn die Transaktion aus wirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist und hauptsächlich aus anderen als steuerrechtlichen Gründen durchgeführt wird und wenn die übernehmende(n) Gesellschaft(en) mindestens drei Jahre lang die Geschäftstätigkeit fortführt/fortführen, die zu den Verlusten oder Zinsverpflichtungen geführt hat, deren Übertrag beantragt wird. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Übersetzung der genannten Artikel des CGI durch die öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Diplom-Übersetzerin C verwiesen (vgl. zum Ganzen auch Hellio/Thill, Steuern in Frankreich, 2. Aufl., Rz. 371ff).
Die Klägerin wurde mit Bescheiden vom 14.05.2002 für das Streitjahr 2000 zur Körperschaft- und Gewerbesteuer und für das Streitjahr 2001 zur Vorauszahlung auf die Gewerbesteuer veranlagt. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 12.06.2002 Einspruch ein. Die bislang nicht erklärten Verluste in Höhe von 508.585 DM (2000) und 515.570,76 DM (2001) aus den französischen Betriebsstätten seien zu berücksichtigen. Entsprechend geänderte Steuererklärungen wurden der Einspruchsbegründung beigefügt.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2003 zurück. Die Betriebsstättenverluste könnten nach der Regelung des § 2a EStG i. V. m. dem Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich nicht berücksichtigt werden.
Die Klägerin hat am 16.05.2003 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben (VI 177/03).
Nach dem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die EuGH-Verfahren C-152/03 (Ritter-Coulais) und C-414/06 (Lidl Belgiu...