Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstufung einer ausländischen Aktiengesellschaft als Domizilgesellschaft. Kürzung von Betriebsausgaben. Körperschaftsteuer 1992 bis 1994
Leitsatz (amtlich)
1. Eine ausländische Aktiengesellschaft ist als Domizilgesellschaft anzusehen, wenn die Eigentumsverhältnisse der Inhaberaktien nicht zweifelsfrei dargelegt werden, für die Errichtung dieser Gesellschaft zusätzlich zu einer bereits bestehenden und auf demselben Geschäftsfeld tätigen (Namens-)Aktiengesellschaft desselben Inhabers keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe genannt werden können, und gewichtige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine inländische natürliche Person – wie auch immer geartete – Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung und die Ergebnisse der ausländischen Gesellschaft gehabt hat.
2. Kann nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die Zahlungen einer von derselben inländischen natürlichen Person beherrschten inländischen Gesellschaft an die ausländische (Domizil-)Gesellschaft letztlich tatsächlich dieser bzw. ihren vorgeblichen Anteilseignern für tatsächlich erbrachte Warenlieferungen zugute gekommen sind, so bestehen keine Bedenken dagegen, die Betriebsausgaben der inländischen Gesellschaft um die Rohgewinnaufschläge der ausländischen Gesellschaft zu kürzen.
Normenkette
AO 1977 § 160 Abs. 1 S. 1; EStG 1990 § 4 Abs. 4
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine 1989 gegründete GmbH, betreibt den Handel mit bestimmten Waren. Ihre Anteile werden seit 1992 zu 100% von Herrn X. gehalten, der auch ihr alleiniger Geschäftsführer ist. Die Klägerin betreibt ihr Unternehmen in denselben Räumlichkeiten und auf demselben Gelände wie die 1987 gegründete Y-GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer X. ebenfalls war. Die Y-GmbH hat Ende 1994 Konkursantrag gestellt. X. ist durch ein noch nicht rechtskräftiges Urteil u. a. wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung und Verletzung der Buchführungspflicht zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden.
Seit 1992 vertreibt die Klägerin bestimmte Waren, die in Vietnam hergestellt und von dort direkt an ihr Unternehmen geliefert werden. Diese Waren bezieht sie über die Fa. Z-AG mit Sitz in Liechtenstein. Die Jahresabschlüsse der Klägerin weisen folgende Daten aus:
Jahr |
Umsatz |
Warenbezug insgesamt |
Verbindlichkeiten gegenüber Z-AG |
Gewinn/Verlust |
Negatives Eigenkapital |
1990 |
5.978,– |
4.166,– |
|
- 8.657,– |
|
1991 |
22.493,– |
20.989,– |
|
- 207.927,– |
170.145,– |
1992 |
132.543,– |
1.392.287,– |
1.374.486,– |
- 243.014,– |
413.159,– |
1993 |
1.256.318,– |
1.099.540,– |
2.271.422,– |
- 281.180,– |
694.339,– |
1994 |
1.506.446,– |
2.603.347,– |
3.524.373,– |
+ 292.029,– |
402.310,– |
1995 |
2.024.144,– |
672.668,– |
3.432.208,– |
- 291.981,– |
694.292,– |
1996 |
2.447.006,– |
916.886,– |
3.277.981,– |
+ 34.145,– |
660.146,– |
1997 |
2.566.614,– |
863.122,– |
3.202.306,– |
+ 72.064,– |
588.082,– |
1998 |
2.812.022,– |
1.354.515,– |
3.360.078,– |
+ 66.032,– |
522.050,– |
1999 |
4.430.600,– |
3.302.332,– |
3.263.887,– |
- 2.977,– |
525.028,– |
2000 |
3.571.708,– |
2.502.468,– |
3.455.863,– |
- 3.239,– |
528.267,– |
Die Verbindlichkeiten gegenüber der Z-AG zum 31.12.1994 waren durch einen „Nachlass” vom Dezember 1994 i.H.v. 220.000 DM und einen „Forderungsverzicht” vom 31.12.1994 i.H.v. 841.123 DM von ursprünglich 4.585.497 DM auf den Bilanzwert von 3.534.373 DM gemindert worden. Auf diesen „außerordentlichen Erträgen” beruht der Gewinn des Jahres 1994.
Aufgrund einer anonymen Anzeige im August 1994 fand bei der Klägerin 1995/96 eine Fahndungsprüfung statt. Im Zuge und infolge dieser Prüfung ergab sich im Wesentlichen Folgendes:
Die Z-AG wurde im August 1991 als sog. „Sitzgesellschaft” u. a. zum Betrieb von „Handels, Finanz- und Rechtsgeschäften aller Art” gegründet. Ihr Repräsentant war die A-AG, Vaduz, ihre Verwaltungsräte waren A. und der R., beide Vaduz. R. führt in Vaduz ein Treuhandbüro und hält viele Verwaltungsratsmandate anderer in Liechtenstein etablierter Firmen.
Das Grundkapital der Z-AG i.H.v. 100.000 SFr. war in 100, voll eingezahlte Inhaberaktien à 1000 SFr. unterteilt. Im September 1995 wurde der Zweck der Z-AG wie folgt geändert: „Handel mit Baumaterialien aller Art, Baumaschinen und -geräten, Food- und Non Food Artikeln, Übernahme von Vertretungen, Erwerb, Verwaltung und kommerzielle Verwaltung von Know-How, Patenten und anderen Schutzrechten”. Ihr Verwaltungsrat war B., Vaduz, der Sohn des A. Alleiniger Inhaber der Aktien der Z-AG ist eine in Liechtenstein wohnhafte natürliche Person. Seit 1995 wurde die Z-AG – rückwirkend ab 1991 – in Liechtenstein nicht mehr als „Sitzunternehmen” besteuert, sondern der „ordentlichen Besteuerung” unterworfen.
X. stammt mütterlicherseits aus Liechtenstein, wo er sich in seiner Kindheit und Jugend oft lange Zeit bei Verwandten aufgehalten und auch später noch intensive verwandtschaftliche Bindungen und freundschaftliche Kontakte gepflegt hat. Er und A. „sind seit Jahrzehnten eng befreundet”. Es bestehen auch persönliche Kontakte zur Familie des A. X. ...