Rz. 353

[Autor/Stand] Leider hat der Gesetzgeber einmal mehr die Chance vertan, auf die speziellen Steuerverschonungen (insb. der §§ 13a, 13b, 13c, 28 und 28a ErbStG n.F.) zu verzichten und stattdessen einen für sämtliche Steuerpflichtige flachen Steuertarif einzuführen.[2] Vielmehr richtete er (erneut) sein Hauptaugenmerk auf die Verschonung des (Betriebs-)Vermögens von sog. Familienunternehmen.

 

Rz. 354

[Autor/Stand] In dem Bemühen, die in dem bisherigen Verschonungsinstrumentarium durch das BVerfG[4] und – schon im Vorfeld – durch den BFH[5] aufgezeigten und verfassungsrechtlich beanstandeten Fehler und Lücken zu beseitigen, hat der Gesetzgeber in einem langwierigen und zähen Gesetzgebungsverfahren im Kompromissweg ein äußerst kompliziertes und komplexes Regelungsgefüge der "Verschonungssubventionen"[6] geschaffen, das sich über fünf Paragrafen (§§ 13a, 13b, 13c, 28 und 28a BewG n.F.) mit insgesamt 35 Absätzen und fast 37.000 Textzeichen erstreckt[7] und einen "Regelungswirrwarr von Ausnahmen, Rückausnahmen und Rückrückausnahmen"[8] kreiert, der selbst für Fachleute kaum noch überschaubar und beherrschbar ist.[9]

 

Rz. 355

[Autor/Stand] Der in § 13b Abs. 4 ErbStG n.F. vom Gesetzgeber unternommene Versuch, mit der Kategorie des "Verwaltungsvermögens" eine Separierung des unschädlichen "produktiven" Vermögens vom prinzipiell schädlichen "nicht produktiven" Vermögen herbeizuführen, wird von Teilen der Literatur in ihrer Sinnhaftigkeit generell in Frage gestellt.[11] Als besonders schwierig erweist sich zudem die Zuordnung von Schulden nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 und Abs. 2 ErbStG n.F.[12] Auch besteht die Gefahr, dass das Verschonungsinstrumentarium den (unentgeltlichen) Erwerber von Betrieben und gleichgestellten Beteiligungen zu allein steuerinduzierten und ökonomisch sinnwidrigen (beharrenden) Fehlentscheidungen verleitet, indem er sich ausschließlich auf die Erlangung und Bewahrung der Steuervergünstigungen fokussiert. Das kann sich insb. dann als "Danaer-Geschenk" erweisen, wenn das betreffende Unternehmen innerhalb der "Wohlverhaltensfrist" ungewollt und unverschuldet in eine finanzielle Krise gerät.[13]

 

Rz. 356

[Autor/Stand] Angesichts dieses Befunds gelangt Seer zu dem Ergebnis, dass die Neuregelung des Verschonungsinstrumentariums in den §§ 13a, 13b. 13c, 28 und 28a BewG n.F. weder gleichheitskonform ausgestaltet noch ihren Buchstaben gemäß vollziehbar sei. Sie führe daher im Ergebnis zu willkürlichen Steuerlasten. Eine kleine gesellschaftliche Gruppe trage letztlich eine Sonderlast, die sie gegenüber den Verschonten diskriminiere und in ihren Grundrechten verletze.[15] Dem wird man beipflichten können.[16]

 

Rz. 357– 362

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[2] Zu den Reformoptionen vgl. Seer, GmbHR 2019, 113 (117 f.); vgl. ferner den Vorschlag des Wissenschaftlichen Arbeitskreises "Steuerrecht", DWS-Institut, Zukunft der Erbschaft- und Schenkungsteuer, 2015.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[6] Vgl. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 15 Rz. 6.
[7] Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 15 Rz. 106.
[8] Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 15 Rz. 118.
[9] Seer spricht in diesem Zusammenhang drastisch, aber zutreffend von polyteler Hyperlexie, von einer unbeherrschbaren Normenkomplexität und einem verwaltungstechnischen Monstrum; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 15 Rz. 118 und 106; vgl. auch Maiterth, DB 2017, 1037 (1048).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[11] Vgl. z.B. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 15 Rz. 112.
[12] Vgl. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 15 Rz. 112; Piltz, ZEV 2017, 255: "Schuldenfalle".
[13] Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 15 Rz. 118, m.w.N.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[15] Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 15 Rz. 6 und 118; vgl. auch Crezelius, ZEV 2009, 1 (2) und ZEV 2012, 1 (3).
[16] Vgl. auch Maiterth, DB 2017, 1037 (1048).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020

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