Entscheidungsstichwort (Thema)

Umlage zur Produktiven Winterbauförderung. Förderungsfähigkeit. nennenswerte abgrenzbare Gruppe. PUR-Dachspritzschaumarbeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausnahme von der Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung wegen Zugehörigkeit des Betriebes zu einer nicht förderungsfähigen Gruppe setzt nicht voraus, daß diese Gruppe hinsichtlich Marktanteil oder Beschäftigtenzahl einen bestimmten Prozentsatz innerhalb des einschlägigen Zweiges des Baugewerbes nach § 1 Abs 2 der Baubetriebe-Verordnung ausmacht (Aufgabe von BSG vom 14.2.1991 - 10 RAr 3/90 = SozR 3-4100 § 186a Nr 4).

2. Zu den Voraussetzungen, wann eine nennenswerte abgrenzbare Gruppe in diesem Sinne besteht.

 

Normenkette

AFG § 18 6a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1979-07-23, § 76 Abs. 2, § 80; BaubetrV 1980 § 1 Abs. 2 Nrn. 1, 8

 

Beteiligte

…, Kläger und Revisionsbeklagter

Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 06.03.1992; Aktenzeichen S 5 Ar 338/89)

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.09.1994; Aktenzeichen L 9 Ar 62/92)

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheides über die Pflicht des Klägers zur Umlage für die Produktive Winterbauförderung durch das Berufungsgericht.

Der Kläger betreibt, ursprünglich in Hamburg und seit 1988 in Nordrhein-Westfalen, einen Betrieb, der (Flach-)Dachabdichtungen und Wärmedämmung mit Polyurethan-(PUR-)Ortschaum im Spritzverfahren vornimmt. Seine Gewerbeanmeldung lautete zunächst auf "Holz- und Bautenschutz", seit 1989 auf "Kunststoffherstellung und -verarbeitung". Nach dem Bericht des Arbeitsamts über eine im Jahre 1987 durchgeführte Betriebsprüfung kann der PUR-Schaum bei widrigem Wetter nicht verarbeitet werden; die Arbeitnehmer seien bisher während der kalten Jahreszeit jeweils entlassen worden.

Das Sozialgericht (SG) hat den Umlagebescheid vom 27. April 1987 (mit Wirkung ab Januar 1983), den Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1989 sowie mehrere Folgebescheide aufgehoben (Urteil vom 6. März 1992). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 29. September 1994). Es hat die Auffassung vertreten, das Unternehmen des Klägers gehöre zwar als Betrieb, der Dämm-(Isolier-)Arbeiten verrichte, nach § 1 Abs 2 Nr 8 der aufgrund der Ermächtigung in § 76 Abs 2 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ergangenen Baubetriebe-Verordnung (BaubetrV) zu den durch Leistungen der Produktiven Winterbauförderung zu fördernden Betriebe. Die Aufnahme von PUR-Dachspritzschaum verarbeitenden Betrieben in diesen Katalog der BaubetrV bedeute jedoch eine Überschreitung jener Ermächtigung. PUR-Ortschaum könne in den Wintermonaten nicht verarbeitet werden; die Lufttemperatur für solche Arbeiten müsse über 10$ C, die relative Luftfeuchtigkeit unter 70 % liegen. Es bestehe eine abgrenzbare, dh herausgehobene und deutlich umschreibbare, nennenswerte Gruppe von Betrieben, die PUR-Dachspritzschaumarbeiten verrichteten; diese hätte das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) von der Umlage zur Produktiven Winterbauförderung ausnehmen müssen. Das Bestehen einer derartigen Gruppe hat das LSG daraus abgeleitet, daß allein in der Güteschutzgemeinschaft Hartschaum e.V., Frankfurt, ca. 20 mit dem des Klägers vergleichbare Betriebe organisiert seien (im Jahr 1983 seien es ca. 30 Betriebe gewesen). Im übrigen bestünden weitere entsprechende Betriebe außerhalb der Güteschutzgemeinschaft. Zwar hätten sich (nach einer Auskunft des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden) in den Jahren 1983 bzw 1993 insgesamt 1652 bzw 1804 Betriebe schwerpunktmäßig mit "Abdämmung gegen Kälte, Wärme, Schall, Erschütterung" (Wirtschaftszweig 7304 der "Sypro": Systematik der Wirtschaftszweige, Fassung für die Statistik im produzierenden Gewerbe) beschäftigt. Die Grenze von 10 % hinsichtlich des Anteils der Beschäftigten oder des Marktanteils, die das Bundessozialgericht (BSG) für eine Ausnahme von der Umlage zur Produktiven Winterbauförderung aufgestellt habe, werde damit nicht erreicht. Sie sei jedoch im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Die entsprechende Entscheidung des BSG (vom 14. Februar 1991, SozR 3-4100 § 186a Nr 4) betreffe Betriebe, die sich mit eigenen Mitteln witterungsunabhängig gemacht hätten; demgegenüber sei hier über eine Gruppe von Betrieben zu entscheiden, die ihre Tätigkeit aufgrund des verwendeten Materials und der Unmöglichkeit wirksamer Schutzvorkehrungen bei Außenarbeiten an Dächern in den Wintermonaten nicht ausführen könnten. Zudem führe eine starre Fixierung an Prozentsätzen zu Zufallsergebnissen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung der §§ 186a und 76 AFG iVm § 1 Abs 2 Nr 8 BaubetrV. Die vom Betrieb des Klägers ausgeführten Arbeiten gehörten zu den "Dämm-(Isolier-)Arbeiten" iS des § 1 Abs 2 Nr 8 BaubetrV. Den Betrieben, die PUR-Ortschaum verarbeiteten, komme kein derart bedeutsames Gewicht zu, daß sie der Verordnungsgeber aus der Förderung herauszunehmen hätte. Nach den Ermittlungen des LSG liege innerhalb des statistischen Wirtschaftszweigs 7304 der Anteil der Betriebe, die Arbeiten mit PUR-Ortschaum ausführten, bei unter 2 %. Damit aber seien aber die vom BSG (Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 186a Nr 4) aufgestellten Kriterien für eine von der Förderung auszunehmende, ins Gewicht fallende, nennenswerte Gruppe nicht erfüllt. Setze man die Gruppengröße niedriger als 10 % an, wäre die Arbeitsverwaltung gehalten, die Gegebenheiten bei einzelnen Betrieben zu überprüfen. Dies sei für eine Massenverwaltung jedoch unpraktikabel. Zudem werde das sozialpolitische Ziel verfehlt, gesamte Zweige der Bauwirtschaft der Winterbauförderung zu unterstellen. Im übrigen stelle auch das BSG auf ganze Betriebsgruppen, nicht jedoch auf Einzelbetriebe ab.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. September 1994 und des Sozialgerichts Dortmund vom 6. März 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt keinen Antrag.

Der Senat hat die Beteiligten über die Unterlagen des Statistischen Bundesamts, Wiesbaden sowie die Auskunft des BMA informiert, die er im Revisionsverfahren 10 RAr 11/94 beigezogen bzw eingeholt hat.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zurückzuweisen. Zu Recht haben SG und LSG entschieden, daß der Kläger nicht umlagepflichtig zur Produktiven Winterbauförderung ist.

Der Senat hat für seine Entscheidung die Änderung der §§ 74 ff, 186a AFG sowie des § 1 Abs 1 BaubetrV durch das am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des AFG im Bereich des Baugewerbes vom 15. Dezember 1995 (2. AFG-ÄndG - Baugewerbe - BGBl I 1809) nicht berücksichtigt. Bei der Überprüfung eines Bescheides, durch den die Beklagte die Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung zeitlich unbegrenzt feststellt, haben die Gerichte (nur) alle bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz eintretenden Rechtsänderungen zu beachten (BSG vom 1. März 1987, BSGE 61, 203, 205 f = SozR 4100 § 186a Nr 21).

Nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG in der ab dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 76 Abs 2 AFG), durch eine Umlage aufgebracht. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß § 75 Abs 1 Nr 1 AFG natürliche und juristische Personen, Personenvereinigungen oder Personengesellschaften, die als Inhaber von Betrieben des Baugewerbes auf dem Baumarkt gewerblich Bauleistungen anbieten. Betriebe des Baugewerbes sind solche Betriebe oder Betriebsabteilungen, die überwiegend Bauleistungen erbringen (§ 75 Abs 1 Nr 2 AFG); zu den Bauleistungen wiederum gehören alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 75 Abs 1 Nr 3 AFG).

Die vorinstanzlichen Gerichte gehen angesichts der von ihnen - insoweit unangegriffen - festgestellten Tatsachen zutreffend davon aus, daß der Betrieb des Klägers überwiegend Bauleistungen anbietet und ein Betrieb des Baugewerbes ist. Vom Begriff der Bauleistungen werden Arbeiten am erdverbundenen Bau erfaßt (BSG vom 19. März 1974, SozR 4670 § 2 Nr 2, S 2 f).

Ob im Betrieb des Klägers die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist, richtet sich nach § 76 Abs 2 AFG iVm der zuletzt durch die Verordnung vom 24. Oktober 1984 (BGBl I 1318) geänderten BaubetrV. Das LSG hat den Betrieb des Klägers § 1 Abs 2 Nr 8 BaubetrV ("Dämm-≪Isolier-≫Arbeiten ≪das sind zB Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten≫ einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen sowie technische Dämm-≪Isolier-≫Arbeiten, insbesondere an technischen Anlagen und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen") zugeordnet; in Betracht käme jedoch ebenso Nr 1 dieser Vorschrift ("Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit"; der entsprechenden Vorschrift des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe - BRTV-Bau - sind Flachdachabdichtungsarbeiten zuzuordnen: Karthaus/Müller, BRTV-Bau, Text und Erläuterung, 3. Aufl 1991, S 34 f) in Betracht. Zu welchem dieser beiden - jedenfalls alternativ einschlägigen - Gewerbezweige der Betrieb des Klägers gehört, kann jedoch unentschieden bleiben. Denn über seine Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung kann entschieden werden, ohne daß festzustellen ist, welchem der beiden Gewerbezweige sein Betrieb zuzuordnen ist.

Zur Maßgeblichkeit der Zuordnung eines Betriebes zu den in § 1 Abs 2 BaubetrV genannten Betriebszweigen geht der Senat auch weiterhin davon aus, daß das BMA im Rahmen der ihm in § 76 Abs 2 Satz 1 AFG erteilten Ermächtigung die Förderungsfähigkeit als Voraussetzung für die Einbeziehung in die Winterbauförderung zu beachten hat. Dabei hat es einen weiten Spielraum für eine praktikable Abgrenzung des Kreises der förderungsfähigen Betriebe. Diesen Rahmen hat es jedoch dadurch überschritten, daß die Regelungen der BaubetrV keinen eigenständigen, an den Erfordernissen der Winterbauförderung orientierten Katalog von förderungsfähigen Betrieben enthalten, sondern sich - auch in der neuesten Fassung ihres Katalogs (durch die Verordnung vom 24. Oktober 1984, BGBl I 1318) - darauf beschränkten, die Regelungen über den Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und des insoweit damit übereinstimmenden Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) "weitestgehend" (so die Begründung zur BaubetrV 1980, BArbBl 1/1981, 62) zu übernehmen.

Nach § 76 Abs 2 Satz 4 AFG (idF des 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 - BGBl I 1189) soll das BMA zwar insoweit "nach Möglichkeit den fachlichen Geltungsbereich tariflicher Regelungen berücksichtigen"; dies entbindet es jedoch nicht von der eigenständigen Entscheidung, in welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist und der Verpflichtung, zu berücksichtigen, ob dadurch die Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt werden wird (§ 76 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist daher ein Betrieb dann von der Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung auszunehmen, wenn innerhalb eines der in der BaubetrV aufgeführten Gewerbezweige eine nennenswerte abgrenzbare Gruppe von Betrieben erkennbar ist, die durch Leistungen der Winterbauförderung nicht wesentlich gefördert werden kann, und der fragliche Betrieb zu einer solchen Gruppe gehört. Es reicht jedoch nicht aus, daß der fragliche Betrieb, für sich genommen, individuell nicht förderungsfähig ist (s BSG vom 23. Februar 1988, SozR 4100 § 186a Nr 23 S 65 mwN; ebenso Urteile vom 14. März 1989, SozR 4100 § 75 Nr 13 S 23 f; vom 28. Februar 1990, SozR 3-4100 § 76 Nr 1 S 5; vom 22. August 1990, SozR 3-4100 § 186a Nr 3 S 10 f). In dieser Auffassung sieht sich der Senat auch dadurch bestätigt, daß auch das BMA - als Verordnungsgeber der BaubetrV - in seiner zum vorliegenden Verfahren beigezogenen Auskunft vom 9. November 1995 die Auffassung vertreten hat, Feststellungen, ob innerhalb eines grundsätzlich förderungsfähigen Zweiges von Betrieben des Baugewerbes abgrenzbare Gruppen von nicht förderungsfähigen Betrieben existierten, könnten auch in Zukunft befriedigend wohl nur durch die Rechtsprechung und im Rahmen der Rechtsanwendung getroffen werden.

Im vorliegenden Streitfall ist daher darauf abzustellen, ob (a) der Betrieb des Klägers selbst förderungsfähig ist oder nicht und, wenn dies zutrifft, (b) er zu einer nennenswerten abgrenzbaren Zahl (Gruppe) von gleichartigen Betrieben gehört, welche der Verordnungsgeber wegen der bei ihnen fehlenden Förderungsfähigkeit aus der Produktiven Winterbauförderung hätte ausnehmen müssen (die - theoretische - Fallkonstellation einer individuellen Förderungsfähigkeit trotz Zugehörigkeit zu einer nicht förderungsfähigen Gruppe kann hier unerörtert bleiben).

(zu a) Ob ein Betrieb durch Leistungen der Produktiven Winterbauförderung förderungsfähig ist, richtet sich danach, ob er objektiv (ohne Berücksichtigung untypischer, individueller Gegebenheiten) als Empfänger der entsprechenden Leistungen in Betracht kommt.

Insoweit ist für den hier streitigen Zeitraum ab Januar 1983 zu beachten, daß der Leistungskatalog der Produktiven Winterbauförderung ursprünglich neben dem den Arbeitern zustehenden Wintergeld (§ 80 AFG) Leistungen an die Arbeitgeber vorsah, nämlich den Investitionskostenzuschuß ≪IKZ≫ (§ 77 AFG) und den Mehrkostenzuschuß ≪MKZ≫ (§§ 78, 79 AFG). Die Leistungen an die Arbeitgeber wurden jedoch ab 1. Juli 1986 ausgesetzt (§ 238 AFG, zuletzt idF des Gesetzes vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044), wobei freilich diese Förderungspause aufgrund mangelnder Nahtlosigkeit ihrer gesetzlichen Verlängerung zwischen dem 1. April und dem 15. Oktober 1992 unterbrochen war (hierzu Schmidt, BArbBl 5/1993, 11). Obwohl die §§ 77 bis 79 AFG in ihrer ursprünglichen Form bis zum 31. Dezember 1995 weiterhin bestanden, wurde - mit Wirkung ab 1. Januar 1994 - durch § 74 Abs 3 Satz 2 AFG (idF des Gesetzes vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353) nunmehr ohne Befristung geregelt, daß "die Leistungen an die Arbeitgeber des Baugewerbes ... nicht erbracht" werden.

Auf dieser Grundlage geht der Senat (in Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 21. Februar 1995 - 10 RAr 5/93) davon aus, daß es für die Prüfung der Förderungsfähigkeit im oben genannten Zusammenhang bis zum 31. Dezember 1993 noch darauf ankommt, ob eine Förderung durch IKZ, MKZ oder Wintergeld in Betracht kam, während ab 1. Januar 1994 insoweit nur eine Förderungsfähigkeit durch Wintergeld maßgeblich ist.

Hiermit dürfte jedoch im Ergebnis keine wesentliche Änderung verbunden sein. Eine Förderungsfähigkeit durch IKZ oder MKZ einerseits, andererseits jedoch nicht durch Wintergeld erscheint kaum vorstellbar. Denn nach § 80 AFG in der bis zum Inkrafttreten (1. Januar 1996) des 2. AFG-ÄndG - Baugewerbe - geltenden Fassung wird Wintergeld (in Höhe von DM 2,--/Arbeitsstunde) solchen Arbeitern in Betrieben des Baugewerbes (bei denen die arbeitsrechtlichen, allgemeinen, Voraussetzungen des § 83 AFG erfüllt sind) gewährt, die auf einem witterungsabhängigen Arbeitsplatz beschäftigt sind. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die vom Betrieb (bzw der Gruppe) ausgeführten Arbeiten auch während extremer Witterungsauswirkungen verrichtet werden können. Umgekehrt ergibt sich für die "Witterungsabhängigkeit" der Arbeitsplätze iS des § 80 AFG auch nichts daraus, daß Schlechtwettergeld wegen witterungsbedingten Arbeitsausfalls bezogen wurde (§§ 84, 85 AFG). Denn die Leistung von Wintergeld geht (bis zum 31. Dezember 1995) gerade davon aus, daß im Förderungszeitraum (vom 1. Dezember bis zum 31. März: § 75 Abs 2 Nr 1 AFG) Bauarbeiten stattfinden. Dieses Wintergeld will Mehraufwendungen der Bauarbeiter bei einer Bautätigkeit im Winter (zusätzliche Arbeitskleidung, zusätzliche Aufwendungen für Arbeitsbereitschaft und Arbeitsverrichtung) pauschal abgelten und auch dadurch das Interesse der Bauarbeiter an einer kontinuierlichen Arbeit in den Wintermonaten wecken, daß es den Abstand zwischen dem Einkommen für geleistete Arbeitsstunden und dem Schlechtwettergeld vergrößert (BT-Drucks VI/3261 S 2). Es kommt daher lediglich darauf an, ob die Arbeiter während der Arbeitszeit in den Wintermonaten witterungsbedingten Erschwernissen ausgesetzt sind (zu den Voraussetzungen für Wintergeld s BSG vom 17. Juli 1979, SozR 4100 § 141b Nr 10 S 37; BSG vom 20. April 1977, BSGE 43, 255, 261 ff, 267 = SozR 4100 § 80 Nr 1; BSG vom 11. Juni 1987, BSGE 62, 32, 33 f = SozR 4100 § 71 Nr 2).

Auch auf dieser Grundlage jedoch ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, daß das Unternehmen des Klägers nicht förderungsfähig ist. Denn nach den - nicht durch zulässige und begründete Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) - Tatsachenfeststellungen des LSG ist das im Unternehmen des Klägers ausschließlich verwendete Verfahren (PUR-Dachspritzschaum) in den Wintermonaten aufgrund witterungsbedingter und physikalischer Gegebenheiten in den Wintermonaten nicht anwendbar; es setzt trockenen Untergrund, eine relative Luftfeuchtigkeit von unter 70 % sowie eine Luft- und Oberflächentemperatur von möglichst über, jedenfalls aber mindestens 10$ C voraus; wirksame Schutzvorrichtungen sind bei den vom Kläger ausgeführten Außenarbeiten an Dächern nicht möglich.

Wenn aber die vom Betrieb des Klägers ausgeführten Bauarbeiten bei widrigen Wetterverhältnissen in der Förderungszeit (§ 80 Abs 1 Satz 1 iVm § 75 Abs 2 Nr 1 AFG) von vornherein nicht möglich sind und ihre Durchführung auch durch Schutzvorrichtungen nicht erreicht werden kann, kommt auch eine - für die Arbeiter erschwerte - Weiterarbeit trotz Winterwetters von vornherein nicht in Betracht. Dies schließt es aus, solche Betriebe dem Gesetzeszweck entsprechend durch Wintergeld zu fördern.

(zu b) Damit kommt es weiterhin darauf an, ob der Betrieb des Klägers insofern nicht allein steht, sondern zu einer Gruppe von Betrieben gehört, die von der Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung ausgenommen ist.

Mit Urteil vom 14. Februar 1991 (SozR 3-4100 § 186a Nr 4; ebenso im Anschluß daran die Urteile vom 18. September 1991 - 10 RAr 5/90 und vom 21. Februar 1995 - 10 RAr 5/93) hatte der Senat auf der Grundlage der oben dargestellten Rechtsprechung konkretisiert, wann eine nennenswerte abgrenzbare Zahl von Betrieben, welche der Verordnungsgeber wegen fehlender Förderungsfähigkeit aus der Produktiven Winterbauförderung hätte ausnehmen müssen, besteht: Angesichts der Gesamtzahl der zu dem Gewerbezweig zählenden Betriebe müsse sie einen Anteil ausmachen, welcher angesichts der Ermächtigungsgrundlage des § 76 Abs 2 AFG nicht unbeachtet bleiben dürfe. Eine Gruppenbildung sei umso eher anzunehmen, je kleiner die Gesamtzahl der zu dem Gewerbezweig zählenden Unternehmen im Geltungsbereich des AFG sei. Umfasse ein förderungswürdiger und -fähiger Betriebszweig des Baugewerbes eine große Anzahl von Einzelbetrieben, so müsse es sich bei einer aus der Winterbauförderung auszunehmenden Betriebsgruppe um entsprechend viele Einzelbetriebe handeln. Eine derartige Gruppe könne auch aus einem Einzelunternehmen bestehen. Jedenfalls dürfe der Anteil der Beschäftigten bzw der Marktanteil jener Gruppe die 10 %-Grenze auf keinen Fall unterschreiten und müsse umso höher liegen, je weniger Betriebe dem betreffenden Gewerbezweig angehörten. Die entsprechenden Zahlenverhältnisse seien zB durch Nachfrage beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden oder bei den zuständigen statistischen Landesämtern zu ermitteln.

Der Senat sieht sich jedoch anhand des vorliegenden Falles veranlaßt, diese Rechtsprechung aufzugeben. Die Ermittlung von Zahlenverhältnissen der genannten Art stößt auf - unüberwindliche - Schwierigkeiten, da das entsprechende Zahlenmaterial in der vorausgesetzten Form nicht zur Verfügung steht.

Die - vom Statistischen Bundesamt herausgegebene - "Systematik der Wirtschaftszweige", Ausgabe 1979 (WZ 79) sowie deren Nachfolgewerk, die "Klassifikation der Wirtschaftszweige", Ausgabe 1993 (WZ 93) stellen die Grundlage für die Klassifizierung von Unternehmen und Betrieben in der amtlichen Statistik dar. (Die vom LSG verwendeten, ihm ebenfalls vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellten Materialien beruhen auf der "Sypro"-Untergliederung ≪Systematik der Wirtschaftszweige, Fassung für die Statistik im produzierenden Gewerbe≫, die auf der WZ 79 basiert. Auch diese ermöglicht keine detaillierteren Angaben.) Ihnen ist zu entnehmen, daß es statistische Untergliederungen, die § 1 Abs 2 Nr 1 oder Nr 8 BaubetrV vollauf entsprechen, ebensowenig gibt wie eine Untergliederung, die ausschließlich Betriebe wie den des Klägers umfaßt. Zwar finden sich sowohl in der WZ 79 als auch in der WZ 93 innerhalb der Abteilung "Baugewerbe" Untergliederungen, die die Abdichtung gegen Wasser und Feuchtigkeit (darunter Flachdachabdichtung) einerseits sowie andererseits die Abdämmung gegen Kälte, Wärme und Schall umfassen (so die Klassen 30203 und 30205 der WZ 79 sowie die Klasse bzw Unterklasse 45.22.2 und 45.32 der WZ 93). Schon diese entsprechen jedoch nicht voll den Gewerbezweigen nach § 1 Abs 2 Nr 1 bzw 8 BaubetrV, da hierin zB auch die Abdichtung von Kesseln und Rohren auf Schiffen bzw die Abdämmung gegen Erschütterung und der Trockenbau enthalten sind (vgl die Erläuterungen zu den WZ 79, S 172 und zu den WZ 93, S 282, 285). Genauere Untergliederungen bestehen nicht. Erst recht fehlt es daher an verläßlichem statistischem Material über Betriebe wie den des Klägers.

Das erforderliche Zahlenmaterial ist auch, soweit ersichtlich, nicht anderweitig vorhanden. Über die Zahl der Einzelbetriebe in bestimmten Zweigen des Baugewerbes können die Bau-Berufsgenossenschaften ebenfalls keine Auskunft geben (s LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1993 - L 9 Ar 184/91).

Damit aber fehlt jegliche tatsächliche Grundlage, um ermitteln zu können, ob eine Gruppe von Betrieben, wie der Betrieb des Klägers, besteht, deren Anteil am entsprechenden Gewerbezweig hinsichtlich der beschäftigten Arbeitnehmer oder hinsichtlich des Marktanteils zumindest die 10 %-Grenze erreicht (s auch Bayerisches LSG vom 19. Dezember 1995 - L 9 Al 325/90, das wegen des fehlenden statistischen Materials nicht feststellen konnte, ob iS der bisherigen Rechtsprechung eine nennenswerte abgrenzbare Gruppe von Betrieben bestand, die überwiegend Telefonkabel für die Deutsche Bundespost verlegten). Der Senat sieht daher davon ab, zur Ermittlung, ob eine abgrenzbare nennenswerte Gruppe im Sinne der erläuterten Rechtsprechung besteht, auf einen Vergleich anhand von Zahlenmaterial abzustellen.

Der Senat geht nunmehr von folgenden Grundsätzen aus: Abgrenzbar und nennenswert ist eine Gruppe zB

- wenn die Tarifvertragsparteien im Katalog des BRTV-Bau inzwischen eine neue Aufteilung vorgenommen haben, die einen - im obigen Sinne nicht witterungsabhängigen - Zweig des Baugewerbes nunmehr getrennt aufführt,

- oder wenn sich im Wirtschaftsleben eine bestimmte, einheitliche, nicht mehr als bloß zufällige Ansammlung zu vernachlässigende, dauerhafte Gruppe etabliert hat, deren Mitgliedsbetriebe sämtlich nicht oder allenfalls in zu vernachlässigendem Ausmaß witterungsabhängig sind; als Indizien für das Vorliegen einer derartigen Gruppe könnte gelten, daß sich ein Bundesverband gleichartiger Unternehmen gebildet hat (soweit das Urteil vom 21. Februar 1995 - 10 RAr 5/93 dieses Kriterium noch ausdrücklich abgelehnt hatte, so ist dies vor dem Hintergrund der damals noch vertretenen Auffassung zu verstehen, die der Senat nicht mehr aufrechterhält).

Diese neuen Kriterien stellen jeweils nicht darauf ab, welchem Zweig des Baugewerbes nach § 1 Abs 2 BaubetrV der Betrieb des Klägers zuzuordnen ist; da er (wie oben dargelegt) jedoch entweder zu Nr 1 oder zu Nr 8 gehört, kann die Entscheidung zwischen beiden Zweigen offenbleiben. Allgemein werden bei der soeben erläuterten Vorgehensweise Komplikationen durch "interne" Konkurrenzen innerhalb des § 1 Abs 2 BaubetrV ebenso vermieden wie Zufallsergebnisse, wenn aus der Zuordnung zu zahlenmäßig stark unterschiedlichen Zweigen des Baugewerbes unterschiedliche Anforderungen an die Größe einer "Gruppe" gestellt werden.

Dieser neuen Beurteilungsgrundlage aber entspricht das Berufungsurteil: Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, daß in der "Güteschutzgemeinschaft Hartschaum e.V." in den Jahren 1983 bzw 1993 30 bzw 20 Betriebe zusammengefaßt waren, die - wie der Kläger - weit überwiegend Dachabdichtungsarbeiten mit PUR-Ortschaum ausführten. Zudem bestehen noch weitere Betriebe dieser Art im Bundesgebiet, die nicht der Güteschutzgemeinschaft angehören. Die Bautätigkeit dieser Gruppe kann - ebenso wie die im Betrieb des Klägers - wegen der Art der verrichteten Arbeiten in der Schlechtwetterzeit nicht wesentlich gefördert werden. Auch diese tatsächlichen Feststellungen sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden.

Der Senat nimmt dabei in Kauf, daß auf der Grundlage der soeben erläuterten Rechtsprechung Gruppen von Baubetrieben uU auch deshalb von der Umlagepflicht ausgenommen sind, weil sie sich zielgerichtet auf solche Tätigkeiten konzentrieren, die von vornherein nicht in den Wintermonaten ausgeführt werden können. Dies, so könnte argumentiert werden, laufe der mit der Winterbau-Umlage notwendigerweise verbundenen Umverteilungsfunktion zuwider. Dennoch hält der Senat an der geschilderten Auffassung fest, da § 186a Abs 1 iVm § 76 Abs 2 AFG die Umlagepflicht grundsätzlich an die Förderungsfähigkeit knüpft und - wie ebenfalls aufgezeigt - der Verordnungsgeber der BaubetrV sich weitestgehend an tariflichen Vorgaben und nicht an den Erfordernissen der Winterbauförderung orientiert hat. Es sei jedoch abschließend darauf hingewiesen, daß sich für den Zeitraum ab 1. Januar 1996 - über den im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden war - uU eine andere Beurteilungsgrundlage dadurch ergibt, daß das weiterhin über die Umlage nach § 186a AFG aufgebrachte Wintergeld nunmehr nicht allein das Entgelt für im Förderungszeitraum tatsächlich geleistete Arbeitsstunden aufstockt, sondern auch neben der Winterausfallgeld-Vorausleistung gewährt wird, dh auch in Fällen witterungsbedingten Arbeitsausfalls (§ 74 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG idF des 2. AFG-ÄndG - Baugewerbe -).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517675

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