Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 128a AFG
Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsklägerin |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Streitig ist ein Erstattungsanspruch der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in Höhe von 8.317,31 DM.
Bei der Klägerin war die Arbeitnehmerin F nach Abschluß ihres Studiums der Betriebswirtschaftslehre von Oktober 1985 bis September 1987 als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war nach dem Handelsregister "die Ausführung von Ingenieurarbeiten, Konstruktions-und Zeichenarbeiten für Apparatebau, Maschinenbau, Elektronik und die Anlagenplanung sowie die Betätigung auf artverwandtem Gebiete, die Durchführung von Dienst- und Werkleistungen jeder Art, ebenso wie die Ausführung kaufmännischer, bürotechnischer und konstruktiver Aufgaben einschließlich der Durchführung von Reparaturen, Wartungen und Montagen sowie die Lösung konstruktiver und graphischer Aufgaben mit Hilfe der Datenverarbeitung unter Einsatz konstruierender Computer und graphischer Terminals". Gegenstand des Anstellungsvertrages der Arbeitnehmerin F bei der Klägerin war auch ein Wettbewerbsverbot für die Dauer von sechs Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 8 des Anstellungsvertrages).
Nach vertragsgemäßer Kündigung zum 30. September 1987 meldete sich die Arbeitnehmerin bei der BA arbeitslos. Diese bewilligte ihr ab 1. Oktober 1987 Arbeitslosengeld (Alg) und zahlte hierfür die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Bis zum 31. Dezember 1987, dem Ende ihrer Arbeitslosigkeit, erhielt die Arbeitnehmerin den die Erstattungsforderung ausmachenden Betrag. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1987 wies die BA die Klägerin auf ihre Erstattungspflicht nach § 128a AFG hin und forderte mit Bescheid vom 20. Januar 1988 die Erstattung des gezahlten Betrages. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, das unternehmensbezogene Wettbewerbsverbot habe lediglich einen kleinen Bruchteil der für F auf dem Arbeitsmarkt erreichbaren Stellen erfaßt, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1988).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide mit der Begründung aufgehoben, § 128a AFG wolle die hier gegebene unwesentliche Beeinträchtigung der Vermittelbarkeit eines Arbeitnehmers nicht erfassen.
Auf die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage unter Zulassung der Revision abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entstehe der Erstattungsanspruch aus § 128a AFG zwar auch dann, wenn die Vermittelbarkeit des Arbeitnehmers nur geringfügig (unwesentlich) beeinträchtigt sei. Eine Pflicht zur Belehrung des Arbeitgebers über die Möglichkeit des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Wegfalls seiner Erstattungspflicht bestehe nach der Rechtsprechung des BSG jedoch nur, wenn die Belehrung den Verzicht zur Folge haben könne. Hierfür seien alle bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens eingetretenen Umstände zu berücksichtigen. Da sich die Klägerin darauf berufen habe, eine unwesentliche Einschränkung der Verfügbarkeit durch das Wettbewerbsverbot lasse den Erstattungsanspruch nicht entstehen, hätte die vermißte Belehrung nicht zu ihrem Verzicht auf das Wettbewerbsverbot geführt; die Klägerin hätte vielmehr aufgrund ihrer Rechtsauffassung an dem Verbot festgehalten.
Mit der Revision rügt die Klägerin zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-), weil ihr nicht Gelegenheit gegeben worden sei, zur Frage ihres wahrscheinlichen Verhaltens bei Belehrung über die Möglichkeit des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot Stellung zu nehmen. Ferner sieht sie § 128a AFG als verletzt an. Sie ist der Auffassung, die vom LSG bezeichneten Umstände stünden der Schlußfolgerung entgegen, sie hätte nach entsprechender Belehrung nicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet. Die Belehrungspflicht entfalle nur, wenn die Belehrung sich von vornherein als zwecklos erweise. Im übrigen sei die Regelung des § 128a AFG unverhältnismäßig, weil sie weit über das vom Gesetzgeber in § 74 Abs 2 des Handelsgesetzbuches festgelegte Maß hinausgehe und nicht die Anrechnung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestkarenzentschädigung auf das Alg vorsehe.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26. März 1991 aufzuheben und die Berufung der BA gegen das Urteil des SG Mannheim vom 24. Oktober 1988 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision der Klägerin zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Erstattungsanspruch der BA besteht hier, obwohl sie die Klägerin nicht über die Möglichkeit des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot belehrt hat, weil die unterbliebene Belehrung nicht ursächlich für den Fortbestand des Wettbewerbsverbotes war.
Wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, setzt der Erstattungsanspruch aus § 128a AFG zwar grundsätzlich die Belehrung über die Möglichkeit voraus, durch Verzicht auf die Wettbewerbsabrede den Erstattungsanspruch abwenden zu können (BSGE 66, 250, 257 mwH). Die Belehrungspflicht besteht nicht nur, wenn es bei klar erkennbarer Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede zweifelhaft ist, ob der Arbeitgeber an ihr festhalten wird oder wenn das Verhalten des Arbeitgebers Zweifel daran aufkommen läßt, ob er auf der Einhaltung der Wettbewerbsabrede bestehen wird, sondern in allen Fällen, in denen eine entsprechende Belehrung einen Verzicht zur Folge haben kann, auch wenn der Arbeitgeber schon im Verwaltungsverfahren rechtskundig vertreten war. Die Belehrungspflicht trägt wesentlich zur Wahrung des Verfassungsgebots der Verhältnismäßigkeit bei. Die Aufgabe der Beklagten besteht nämlich nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe der Beklagten - nämlich die Vermittlung des Arbeitslosen in Arbeit - durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Die Belehrung ist grundsätzlich erforderlich, weil die Rechtskenntnis, daß ein Verzicht auf die Wettbewerbsabrede zwar nicht die Verpflichtung zur Karenzentschädigung, wohl aber die Pflicht zur Erstattung von Alg und Arbeitslosenhilfe sowie der hierzu gehörenenden Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung entfallen läßt, auch bei rechtskundiger Vertretung nicht ohne weiteres erwartet werden kann. Die Belehrung kann auch stets mit der ohnehin vorgeschriebenen - im vorliegenden Fall auch durchgeführten - Anhörung des Arbeitgebers zur beabsichtigten Erstattung verbunden werden. Das gilt nur dann nicht, wenn die Belehrung etwa deshalb von vornherein zwecklos erscheint, weil der Arbeitgeber die Einhaltung des Wettbewerbsverbots bereits gerichtlich geltend gemacht hat (vgl SozR 4100 § 128a Nr 3). Dieser Fall lag hier aber nicht vor, wie unter den Beteiligten unstreitig ist.
Wie der Senat in BSGE 66, 250 bereits entschiedenen hat, greift § 128a AFG auch ein, wenn das Wettbewerbsverbot die Arbeitsplatzsuche nur unwesentlich beeinträchtigt hat. Dies ist aus den in der genannten Entscheidung angegebenen Gründen auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der weitere Einwand der Revision, selbst wenn der Arbeitgeber auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichte, der Arbeitnehmer aber am Verbot festhalte, bleibe die Wettbewerbsabrede bestehen, vermag nicht zu überzeugen. Der Senat verweist hierzu zunächst auf sein Urteil vom 27. April 1989 - 11 RAr 99/88 - (SozR 4100 § 128a Nr 2). Hält der Arbeitnehmer trotz des Verzichts des Arbeitgebers an dem vertraglichen Wettbewerbsverbot fest, so beseitigt er damit seine Verfügbarkeit iS von § 103 Abs 1 Nr 2a AFG und verliert somit infolge Wegfalls einer Voraussetzung des Anspruchs auf Alg diesen Anspruch, so daß auch ein darauf bezogener Erstattungsanspruch aus § 128a AFG nicht mehr in Betracht käme.
Selbst wenn nach diesen Grundsätzen hier an sich die Belehrung des Arbeitgebers über die Möglichkeit geboten war, durch Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots die Erstattung des gezahlten Alg zuzüglich der hierzu entrichteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung abzuwenden, folgt aus der unterbliebenen Belehrung noch nicht die Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheides. Hinzu kommen muß vielmehr, daß das Unterlassen der Belehrung ursächlich für das im Festhalten am Wettbewerbsverbot bestehende Verhalten des Arbeitgebers geworden ist. Denn nur diese Ursächlichkeit kann es rechtfertigen, wegen des Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus § 14 SGB I den Erstattungsanspruch zu versagen, gleichgültig ob die Versagung aus dem Herstellungsanspruch, aus einer Schadensminderungspflicht oder aus Treu und Glauben im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 128a AFG abgeleitet wird. Wollte man dies nicht fordern, hätte es der Arbeitgeber in der Hand, den Erstattungsanspruch wegen der unterbliebenen Belehrung auch dann abzuwehren, wenn er - unabhängig von einer solchen Belehrung - das vertragliche Wettbewerbsverbot in Wirksamkeit beließe und die ihm daraus erwachsenden Vorteile hätte. Eine so weitgehende Einschränkung des Erstattungsanspruchs aus § 128 AFG wäre aber weder mit dem Ziel des Gesetzes vereinbar, noch wirtschaftlich gerechtfertigt.
Die Feststellung, ob der Arbeitgeber bei Belehrung über die Möglichkeit, durch Verzicht auf das Wettbewerbsverbot den Erstattungsanspruch aus § 128a AFG abzuwenden, an dem vertraglich festgelegten Verbot festgehalten oder darauf verzichtet hätte, müssen im Streitfall die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit treffen. Dabei wird in der Regel der Zeitraum, auf den sich das Verbot bezieht, bereits ganz oder teilweise abgelaufen sein. Es genügt deshalb nicht allein die Befragung des Arbeitgebers, wie er sich bei entsprechender Belehrung verhalten hätte, weil jedenfalls nach vollständigem Ablauf der Zeit des Wettbewerbsverbots die Antwort, bei entsprechender Belehrung wäre auf das Wettbewerbsverbot verzichtet worden, nicht ohne weiteres zu überzeugen vermag. Wer nämlich ein Wettbewerbsverbot zum Gegenstand des Arbeitsvertrages macht, tut dies zunächst in der Absicht, sich dadurch und durch die Einhaltung des Verbots gegen die davon betroffenen Handlungen zu schützen, zumal er in jedem Falle die vereinbarte Karenzentschädigung zu zahlen hat. Die Zahlung des dabei möglicherweise nicht in Rechnung gestellten Erstattungsbetrages nach § 128a AFG könnte allerdings zu einer so weitgehenden Verteuerung des Wettbewerbsverbots führen, daß dadurch das Interesse an seiner Durchführung in Wegfall geraten könnte. Auch diese Überlegung ist jedoch, wenn sie nach Ablauf der Zeit des Wettbewerbsverbots angestellt wird, nicht ohne weiteres überzeugend. Deshalb muß auch das Verhalten des Arbeitgebers während des Laufes der Verbotszeit und nach Kenntnis von der Erstattungsforderung aus § 128a AFG mit in die Betrachtung einbezogen werden. Äußert er sich in dieser Zeit dahin, daß ihm damit der Schutz des Wettbewerbsverbots durch die damit verbundenen Kosten wirtschaftlich unmöglich gemacht werde, so spricht dies dafür, daß er bei rechtzeitiger Belehrung auf das Wettbewerbsverbot verzichtet hätte. Greift er dagegen die Erstattungsforderung allein aus Rechtsgründen an, so läßt er damit erkennen, daß ihm die Durchführung des Wettbewerbsverbots vorrangig erschien. All diese Erwägungen fließen in die von den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit vorzunehmende Beweiswürdigung ein, die letztlich zu der Feststellung führt, ob der Arbeitgeber bei Belehrung über die Möglichkeit, den Erstattungsanspruch aus § 128a AFG durch Verzicht auf das Wettbewerbsverbot abzuwenden, auf das Verbot verzichtet oder daran festgehalten hätte. Daß diese nach den Grundsätzen freier richterlicher Beweiswürdigung zu treffende Feststellung im nachhinein schwierig ist, liegt auf der Hand. Sie ist hinsichtlich der Beachtung der hierfür maßgeblichen Grenzen zwar der revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, bei verfahrensrechtlich einwandfreier Handhabung aller Beweiswürdigungsregeln aber für das Revisionsgericht bindend.
Die Ausführungen des LSG zur "Prognose" und dazu, daß die Klägerin auch im Prozeß die Wahrscheinlichkeit des Verzichts nicht behauptet hat, sind im Sinnne der Tatsachenfeststellung zu verstehen, daß nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines Verzichts festgestellt werden kann. Diese Feststellung hat die Klägerin zwar mit der Revisionsrüge angegriffen, sie sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen, weil ihr nicht zuvor Gelegenheit gegeben worden sei, hierzu Stellung zu nehmen. Die Rüge greift jedoch nicht durch. Nach der Rechtsprechung des BSG gehört nämlich zur Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rahmen der Bezeichnung der den Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen (§ 164 Abs 2 SGG) auch die Angabe, welches Vorbringen verhindert worden ist (vgl BVerfGE 77, 275, 281; 79, 80, 83; 82, 236, 256) und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (SozR 1500 § 160a Nr 36). Der Revisionsbegründung ist jedoch nicht zu entnehmen, daß die Klägerin, wäre sie zur Frage des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot gehört worden, geltend gemacht hätte, sie würde verzichtet haben. Ferner fehlt die Darlegung, durch welche Umstände des Falles in Verbindung mit einem etwa geltend gemachten Verzicht auf das Wettbewerbsverbot das LSG möglicherweise zu einer anderen als der von ihm getroffenen Feststellung gelangt wäre. Der Senat ist somit angesichts der nicht mit Erfolg angegriffenen Feststellung des LSG, die Klägerin hätte bei Belehrung über die Möglichkeit des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot an dem Verbot festgehalten, gemäß § 163 SGG an diese Feststellung gebunden.
Die Revision der Klägerin konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517795 |
BSGE, 280 |
NZA 1992, 573 |