Gesetzestext

 

(1) Die Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs ist nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung zulässig, wenn der Erwerber oder eine Person, die an seinem Kapital zu mindestens einem Fünftel beteiligt ist,

1. zu den Personen gehört, die dem Schuldner nahestehen (§ 138),
2. ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger ist, dessen Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts zusammen ein Fünftel der Summe erreichen, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt.

(2) Eine Person ist auch insoweit im Sinne des Absatzes 1 am Erwerber beteiligt, als ein von der Person abhängiges Unternehmen oder ein Dritter für Rechnung der Person oder des abhängigen Unternehmens am Erwerber beteiligt ist.

 
Hinweis

Bisherige gesetzliche Regelungen: Keine.

[Ohne Titel]

 

Rn 1

Die Vorschrift des § 162 ist mit der Insolvenzordnung neu eingeführt worden. Eine vergleichbare Vorschrift fand sich früher in der KO nicht. § 154 Abs. 2 RegE[1] befasste sich zwar bereits mit dem Gedanken gesellschaftsrechtlich nahe stehender Personen, wurde letztendlich jedoch nicht in die InsO aufgenommen.

Anknüpfungspunkt für die heutige Regelung ist § 160, der in Abs. 1 Nr. 1 bestimmt, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen oder den Betrieb im Ganzen nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. – soweit ein solcher nicht bestellt ist – mit Zustimmung der Gläubigerversammlung veräußern darf. § 162 Abs. 1 verschärft diese Anforderungen für diejenigen Fälle, in denen ein sog. "Insider" den Betrieb zu übernehmen versucht.

 

Rn 2

Eine einheitliche Definition des Begriffs "Unternehmen" existiert nicht, obwohl im Rahmen verschiedener Gesetze hierauf Bezug genommen wird. Je nach Rechtsgebiet variieren die von Literatur und Rechtsprechung herangezogenen Begrifflichkeiten daher leicht. Da § 162 auf die Veräußerung eines Unternehmens abstellt, liegt es nahe, in diesem Zusammenhang die im Rahmen des Unternehmenskaufs entwickelte Definition heranzuziehen. Ein Unternehmen in diesem Sinne ist eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen.[2]

Die Definition eines Betriebs ist weniger vielfältig und orientiert sich nach nahezu einhelliger Meinung an den im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätzen, wonach es auf den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit ankommt.[3] Die genaue Abgrenzung zwischen Unternehmen und Betrieb ist aufgrund der einheitlichen Rechtsfolge im Rahmen des § 162 entbehrlich[4]. Beide Begriffe sind im Interesse des Gläubigerscwww.bundesarbeitsgericht.dehutzes weit auszulegen,[5] was in der Praxis auch selten Schwierigkeiten bereiten dürfte.

[1] Text bei Kübler/Prütting, Bd. I S. 600.
[2] Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 130; ausführlicher Überblick zu den verschiedenen Definitionen bei Uhlenbruck-Zipperer, § 162 Rn. 3.
[4] MünchKomm-Janssen, § 162 Rn. 5; Uhlenbruck-Zipperer, § 162 Rn. 4.
[5] So auch MünchKomm-Janssen, § 162 Rn. 5; Uhlenbruck-Zipperer, § 162 Rn. 4.

2. Veräußerung

 

Rn 3

Die Veräußerung eines Unternehmens oder Betriebs ist die Übertragung des gesamten lebenden Geschäfts in der Weise, dass die hierdurch repräsentierte organische Zusammenfassung von Einrichtungen und Maßnahmen, die dem Geschäft dienen oder zumindest seine wesentlichen Grundlagen ausmachen, aus der Masse ausscheiden.[6] Einige Stimmen in der Literatur wollen ausschließlich einen Verkauf des Unternehmens unter § 162 fassen, eine Betriebsverpachtung hingegen grundsätzlich nicht.[7] Zumindest bei einer sehr langfristigen Verpachtung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, dürften an dieser strengen Auffassung Zweifel angebracht sein, da die Gläubigerinteressen wirtschaftlich hierdurch ebenso gefährdet sein können, wie durch eine Veräußerung[8].

[6] Vgl. BFH BStBl II 1993, 700 m. w. N.
[7] So MünchKomm-Janssen, § 162 Rn. 4.
[8] So HambKomm-Decker, § 162 Rn. 2; für eine teleologische Betrachtung Uhlenbruck-Zipperer, § 162 Rn. 5 sowie FK-Wegener, § 162 Rn. 5 bei angemessenen Kündigungsfristen.

3. Begriff des "besonders Interessierten"

 

Rn 4

§ 162 verfolgt den Zweck, zu verhindern, dass das Unternehmen von Personengruppen mit besonderen Insiderinformationen aufgrund des Informationsvorsprungs gegenüber Dritten besonders günstig erworben wird.

Ein "besonders interessierter" Insider in diesem Sinne ist eine natürliche oder juristische Person, die besonderen Einblick in den Betrieb des Schuldners nehmen und daher auch besondere Kenntnisse erlangen kann, die für eine Übernahme hilfreich sind.[9] Auf diese Weise vermag der Insider möglicherweise den Betrieb zu Lasten der Masse unter Preis erwerben. Die Stellung eines Insiders kann sich aus verschiedenen Merkmalen ergeben:

[9] Ebenso zu den ähnlichen Insiderbegriffen im Anfechtungsrecht einerseits Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 879 (894), Rn. 28 und im Wertpapierhandelsrecht andererseits Küb...

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