Gesetzestext

 

(1) Will der Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin das Unternehmen des Schuldners stillegen oder veräußern, so hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist.

(2) 1Vor der Beschlussfassung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, vor der Stillegung des Unternehmens, hat der Verwalter den Schuldner zu unterrichten. 2Das Insolvenzgericht untersagt auf Antrag des Schuldners und nach Anhörung des Verwalters die Stillegung, wenn diese ohne eine erhebliche Verminderung der Insolvenzmasse bis zum Berichtstermin aufgeschoben werden kann.

1. Vorbemerkung

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Zeit zwischen der Eröffnung des Verfahrens und dem Berichtstermin. Hier fehlt es an einer Entscheidung der Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens nach § 157. Wenn der Verwalter, was wirtschaftlich in vielen Fällen sinnvoll und geboten ist, den Betrieb des Schuldners schneller abwickeln möchte, so hat er dabei Einschränkungen seiner Entscheidungsfreiheit zu beachten.

2. Sicherung der Gläubigerautonomie

 

Rn 2

Um die Autonomie der Gläubiger zu sichern, soll verhindert werden, dass sich der Verwalter durch schnelles Handeln über das Bestimmungsrecht der Gläubiger hinwegsetzen kann. Allerdings kann im Interesse einer optimalen Masserealisierung bzw. aus Gründen der Masseschonung Eile geboten sein. Im Ausnahmefall kann daher eine sonst der Gläubigerversammlung vorbehaltene Entscheidung mit Zustimmung eines Gläubigerausschusses oder ggf. sogar vom Insolvenzverwalter allein getroffen werden. Hierfür besteht nicht selten ein praktisches Erfordernis.

 

Rn 3

§ 158 Abs. 1 beinhaltet damit insofern eine Änderung zu der Regelung unter der Konkursordnung, als der Verwalter jetzt im Falle einer von ihm vor dem Berichtstermin gewünschten Stilllegung des Unternehmens lediglich die Zustimmung des Gläubigerausschusses einholen muss (sofern ein solcher überhaupt bestellt ist). Es wird nicht mehr die Entscheidung selber auf den Gläubigerausschuss übertragen, diese trifft auch im Falle eines bestellten Gläubigerausschusses der Verwalter. Zur Vereinbarkeit dieser eingeschränkten Gläubigerbefugnisse mit dem Grundsatz der Gläubigerautonomie vgl. § 159 Rn. 6.

 

Rn 4

Holt der Verwalter eine Zustimmung des Ausschusses nicht ein oder liegt diese aus anderen Gründen nicht vor, ist eine vom Verwalter getroffene Entscheidung zur Schließung des Geschäfts des Schuldners im Außenverhältnis dennoch wirksam.[1]

 

Rn 5

Besteht kein Gläubigerausschuss, hat der Verwalter ohnehin selber zu entscheiden. Diese Entscheidung kann nur noch durch Untersagung der geplanten Maßnahme durch das Insolvenzgericht nach Antrag des zu unterrichtenden Schuldners (s. hierzu Rn. 13) blockiert werden.

[1] So zur GesO bereits BGH ZIP 1995, 290 (291) [BGH 05.01.1995 - IX ZR 241/93]; mit ähnlichen Erwägungen wohl auch LAG Köln BB 2002, 2675.

3. Stilllegung

 

Rn 6

Die Stilllegung beendet die unternehmerische Tätigkeit des Schuldners und stellt daher einen massiven und nicht vorhersehbaren Eingriff dar. Voraussetzung für diesen radikalen Schritt ist, dass durch eine temporäre Betriebsfortführung bis zum Berichtstermin ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden einzutreten droht, den die Gläubiger letztlich zu tragen hätten.

 

Rn 7

Der Verwalter hat mithin abzuwägen, ob die temporären Fortführungsverluste unter Berücksichtigung noch möglicher Sanierungschancen hinnehmbar erscheinen. Dabei mögen prognostizierte Insolvenzquoten im Rahmen einer saldierenden Betrachtung der denkbaren Szenarien als Indikation dienen.[2]

Bestehen indes keine realistischen Rettungsaussichten mehr für das schuldnerische Unternehmen und wird lediglich Geld "verbrannt", ist die Stilllegung schon aus möglichen Haftungsgründen geboten, auch wenn hierzu bislang keine Rechtsprechung existiert.

[2] So auch HambKomm-Decker, § 158 Rn. 4.

4. Veräußerung des Unternehmens

 

Rn 8

Durch das InsOÄndG 2007 wurde infolge nachhaltiger Kritik aus der Praxis auch die Unternehmensveräußerung in den Regelungsbereich der Norm mit einbezogen. Damit wurde auf den ursprünglichen Regierungsentwurf, der eine solche Regelung in Abs. 3 vorsah, zurückgegriffen. Der Rechtsausschuss hatte diesen Entwurf seinerzeit gestrichen.

 

Rn 9

Diese Gesetzesänderung ist zu begrüßen, da sie es nunmehr ermöglicht, unmittelbar nach Verfahrenseröffnung einen Betriebsübergang umzusetzen, ohne dass rechtliche Risiken betreffend die Wirksamkeit der Veräußerung im Raum stehen. Dem Erwerber ist regelmäßig an rascher Rechtsklarheit gelegen, da häufig sehr zügig Restrukturierungsmaßnahmen einzuleiten und umzusetzen sind. Ein Zuwarten bis zu der regelmäßig erst mindestens zwei Monate später stattfinden Gläubigerversammlung ist in der Regel unzumutbar und gefährdet konkrete Sanierungsaussichten.

 

Rn 10

Auch im Fall der Unternehmensveräußerung ist die Zustimmung eines Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt worden ist (siehe hierzu Rn. 3-5 oben) Dies wird in der Praxis bei anstehenden Transaktionen der vorliegenden Art regelmäßig angeregt werden, um den nötigen Rückhalt der Gläubigerschaft und damit den hergestellte...

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