Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für das "Handelsblatt" als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
Zum Fehlen tatsächlicher Feststellungen durch das FG, die Schlüsse darüber zulassen, ob der Bezug des "Handelsblatts" beruflich veranlaßt war.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 6
Tatbestand
Die in L wohnhafte Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Angestellte eines Europaabgeordneten nichtselbständig tätig. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist angestellter Psychologe. Die Klägerin übt ihre Tätigkeit teilweise zu Hause, teilweise im Büro des Abgeordneten in K aus. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1990 machte sie u. a. Aufwendungen in Höhe von 748, 50 DM für den Bezug der Zeitung "Handelsblatt" als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, was der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ablehnte.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Beim Handelsblatt handle es sich nicht um eine typische Tageszeitung. Aus dem objektiven Charakter der Zeitung lasse sich daher nicht die Vermutung ableiten, daß sie auch aus Gründen der Lebenshaltung angeschafft worden sei (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. November 1982 VI R 183/79, Der Betrieb -- DB -- 1983, 372). Andererseits lasse sich die Qualifizierung als Arbeitsmittel nicht in jedem Fall zwingend aus dem objektiven Charakter des Wirtschaftsguts herleiten. Dies ergebe sich im Streitfall bereits daraus, daß das Handelsblatt nicht an einen berufsspezifischen Kundenkreis vertrieben werde, sondern allgemein im Zeitschriftenhandel erhältlich sei und sich somit an einen unbegrenzten Kundenkreis wende. Daher komme es auch auf die tatsächliche Zweckbestimmung, also die Funktion im Einzelfall an. Im Streitfall lasse die konkrete Verwendung der Zeitung nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluß zu, daß die Anschaffung des Handelsblatts auf beruflicher Veranlassung beruht habe. Die Klägerin habe geltend gemacht, daß sie für den Europaabgeordneten die Pressearbeit erledige. Sie habe aber offenbar überwiegend zu Hause gearbeitet und nur gelegentlich das Büro des Abgeordneten in K aufgesucht. Nach der Steuererklärung sei sie im Streitjahr 11 mal nach K gefahren. Eine Information über das Tagesgeschehen könne daher nicht ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gewesen sein, auch wenn man berücksichtige, daß die Klägerin den Abgeordneten auf etlichen Reisen begleitet habe. Es werde nicht übersehen, daß im Einzelfall das Handelsblatt Artikel enthalten möge, die für die berufliche Tätigkeit von besonderem Interesse seien. Dies hebe das Handelsblatt jedoch nicht wesentlich von anderen Tages- oder Wochenzeitungen mit gehobenem Niveau ab. Aus diesem Grunde lasse sich im Streitfall -- anders als in dem der Entscheidung des BFH in DB 1983, 372 zugrundeliegenden Sachverhalt -- kein hinreichend klarer Berufsanlaß für die Anschaffung der Zeitung feststellen. Andererseits sei das Handelsblatt auch einer privaten Nutzung zugänglich. Es enthalte über allgemein interessierende Berichte aus dem Wirtschafts- und Finanzleben hinaus auch Berichte allgemein-politischen Inhalts. Daß im Streitfall eine private Mitveranlassung für den Bezug des Handelsblatts nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung gegeben sei, sei nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Unsicherheiten in der Beurteilung des Sachverhalts gingen zu Lasten der Klägerin, da diese den Abzug steuermindernder Aufwendungen begehre.
Mit der Revision beantragen die Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung sowie unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1990 die Aufwendungen in Höhe von 748, 50 DM für den Bezug des Handelsblatts zum Werbungskostenabzug zuzulassen; hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dazu führen sie im wesentlichen aus: Das FG habe den Sachverhalt völlig unzureichend aufgeklärt, aufklärungsbedürftige Umstände durch Mutmaßungen und Spekulationen ersetzt und das rechtliche Gehör dadurch verletzt, daß es wesentlichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen habe. Letztlich sei die Klage an dem nach Auffassung des FG zu geringen persönlichen Kontakt der Klägerin zu dem Europaabgeordneten gescheitert. Aus den in der Steuererklärung geltend gemachten Fahrten nach K habe das FG geschlossen, daß die Klägerin den Europaabgeordneten nur 11 mal oder einige Male mehr getroffen habe. Diese nach Ansicht des FG entscheidungserhebliche Frage sei während des gesamten Prozesses von keinem Beteiligten angeschnitten worden. Das FG hätte daher zum ergänzenden Vortrag auffordern müssen. Wäre diese geschehen, so hätte man vortragen können, daß der Europaabgeordnete nur sehr selten in seinem Wohnort K anzutreffen sei. Der Abgeordnete halte sich vielmehr häufig am Sitz des Europaparlaments in Brüssel und Straßburg auf und sei viel auf Reisen. Hierbei werde er von der Klägerin häufig begleitet, so daß man sich im Streitjahr mindestens zweimal wöchentlich getroffen habe. Dabei habe Gelegenheit bestanden, detailliert die Pressearbeit zu besprechen. Sofern er davon ausgehe, die speziellen Aufgabengebiete des Europaabgeordneten seien im Handelsblatt nicht im erforderlichen Umfang abgehandelt, habe der Einzelrichter Ausführungen der Klägerseite entweder nicht zur Kenntnis genommen oder kommentarlos übergangen. Bereits in der Klagebegründung sei vorgetragen worden, daß gerade die Autoindustrie in den Zuständigkeitsbereich des Abgeordneten falle. Themen aus diesem Industriezweig würden aber dauernd und in beträchtlichem Umfang im Handelsblatt abgehandelt. Im übrigen habe sich das FG auch kommentarlos über den Vortrag hinweggesetzt, daß im Handelsblatt täglich und ausführlich über europäische Angelegenheiten berichtet werde.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Bei der Feststellung der für die Beurteilung und Abwägung der Streitsache notwendigen Umstände sind dem FG Verfahrensfehler unterlaufen. Der Einzelrichter hat seine Entscheidung ganz wesentlich darauf gestützt, die Information des Europaabgeordneten durch die Klägerin über Tagesgeschehen könne nicht Schwerpunkt von deren Tätigkeit gewesen sein, da die Klägerin nur gelegentlich das Büro des Europaabgeordneten in K aufgesucht und ihn nur auf einigen Reisen begleitet habe, also nicht häufig genug mit diesem zusammengetroffen sei. Diese Wertung ist nicht durch festgestellte Tatsachen untermauert.
Daher war die Vorentscheidung wegen Verfahrensmangels aufzuheben und an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird nach weiterer Sachaufklärung erneut zu würdigen haben, ob der Bezug der Zeitung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt war.
Fundstellen
Haufe-Index 65823 |
BFH/NV 1996, 402 |